Essen. Die anhaltende Infektionsgefahr verstärke den Trend zu hybriden Veranstaltungen vor Ort und digital. Agenturchef Dams sieht „massive Nachfrage“.
In seinem Privathaus in Essen-Kupferdreh hat sich Colja Dams ein kleines Fernsehstudio eingrichtet. Die Kameras und virtuellen Präsentationen, die im Hintergrund der „grünen Höhle“ laufen, braucht der international tätige Veranstaltungsmanager seit Ausbruch der Corona-Pandemie häufiger. Seine Branche leidet besonders unter der Krise, weil Messen und große Feiern weitgehend abgesagt sind. Der Inhaber der Agentur Vok Dams sieht deshalb eine Zukunft vor allem mit hybriden Veranstaltungen – mit wenigen Gästen vor Ort und mit einer unbegrenzten Anzahl an den heimischen Bildschirmen in aller Welt.
„Wir haben uns schon seit Jahrzehnten mit der Digitalisierung von großen Events intensiv beschäftigt“, sagt Colja Dams und erinnert sich an eine Veranstaltung für die Deutsche Telekom vor rund 20 Jahren, die live auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin und im Internet lief. Auf die langen Erfahrungen kann seine Agentur Vok Dams mit über 300 Mitarbeitern in 19 Büros weltweit aufbauen. Die Corona-Krise traf das Unternehmen bereits, als das Virus in Deutschland noch weitgehend unbekannt war. „Während des Lockdowns in China mussten wir unsere drei Büros dort schon Ende 2019 temporär schließen“, sagt Dams. In Deutschland kam die Infektionswelle erst im März zur vollen Entfaltung.
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„Wegen der Ansteckungsgefahr hinterfragen immer mehr Unternehmen ihre Kommunikationsstrategie“, meint der Geschäftsführer. „Wir rechnen damit, dass es im ersten Halbjahr 2021 noch keine großen Veranstaltungen über 1500 Teilnehmer geben wird.“ Die Zahlen, die Dams nennt, demonstrieren den drastischen Wandel: Organisierte seine international tätige Agentur vor Corona zu 70 Prozent „physische“ Veranstaltungen, sind es inzwischen nahezu 100 Prozent digitale.
Mischung aus Live- und digitalen Elementen
Dams geht davon aus, dass die Uhr nie wieder ganz in Richtung Großevents in geschlossenen Räumen zurückgedreht werde – auch wenn Impfstoff da sei oder die Pandemie irgendwann einmal ende. „Die Zukunft ist hybrid“, unterstreicht der Experte und meint damit eine Mischung aus Live- und digitalen Elementen. „Jeder Veranstalter wird selbst entscheiden, wie hoch der Präsenz- und wie hoch der digitale Anteil seines Events sein wird“, so Dams.
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Hybride Kongresse, Messen, aber auch Firmenfeiern, davon ist der Agenturchef überzeugt, bedeuteten „Investitionssicherheit für die Kunden“, weil sie vermutlich nicht aufgrund steigender Infektionszahlen kurzfristig abgesagt werden müssten. Und Dams sieht weitere Vorteile: „Die Veranstaltungen werden größer, weil auswärtige Gäste nicht anreisen müssen. Die Reichweite erhöht sich und es gibt mehr Momente der Interaktion.“
Haptische Momente in Videokonferenzen
Die Agentur Vok Dams hat eine Reihe von Instrumenten entwickelt, die Teilnehmern etwa bei einer Produktpräsentation auch etwas zum Anfassen an die Hand gibt: Im Vorfeld des Termins verschickt der Hersteller kleine Pakete mit dem vorzustellenden Getränk, das die Gäste am Laptop dann – ein jeder für sich – gleichzeitig probieren. „Diese haptischen Momente sind wichtig, weil Videokonferenzen sehr ermüdend sind“, sagt Dams. Den Smalltalk könne die App Chatroulette ersetzen. Anfragen an Unternehmen würden zunehmend in Videoform gestellt und beantwortet – weil vor allem junge Leute nicht gern telefonieren.
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„Wir spüren eine massive Nachfrage nach hybriden Formaten“, erklärt Dams. Während in China das Nach-Corona-Leben wieder beginne, liege der Veranstaltungsmarkt in USA noch völlig brach. Für Europa sieht der Experte eine Entwicklung in Richtung kleinerer und regionaler Events. „Der Trend geht weg von der pompösen Show und hin zur Konzentration auf die Inhalte, die Unternehmen transportieren wollen.“ Wegen der strengen Hygienevorschriften sieht Dams Betreiber großer Hallen im Vorteil. „Kleine Locations werden es lange schwer haben“, prophezeit der Agentur-Chef. Bei der Entwicklung sieht er das Ruhrgebiet als Ballungsraum mit seiner Nähe zu den Beneluxstaaten klar im Vorteil. Dams: „Nach Berlin muss man erst reisen.“
1,5 Millionen Beschäftigte in der Veranstaltungsbranche
Die Veranstaltungsbranche gilt als sechstgrößte Wirtschaftsbranche in Deutschland. Mit rund 1,5 Millionen Mitarbeitern setzen die Unternehmen knapp 130 Milliarden Euro direkt um. Den weitaus größte Teil dieser Umsätze werden einer Studie im Auftrag der Interessengemeinschaft Veranstaltungswirtschaft im Bereich wirtschaftsbezogene Veranstaltungen erwirtschaftet.
Colja Dams hat die Agentur Vok Dams 1997 von seinem Vater Volkwart Dams übernommen, der mit der Gründung 1971 in Wuppertal als Pionier für Eventmarketing gilt. Colja Dams ist 49 Jahre alt und lebt mit seiner Familie in Essen-Kupferdreh. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler bezeichnet sich selbst als „Computer-Nerd“ – eine Fähigkeit, die ihm bei der Digitalisierung großer Veranstaltungen hilft.