Essen. Die EU-Kommission bezweifelt, ob die Milliarden-Entschädigungen für die Braunkohlekonzerne RWE und Leag angemessen sind. Das sagen RWE und Grüne.
Die Braunkohlekonzerne RWE und Leag müssen möglicherweise um einen Teil der Milliarden-Entschädigungen für den Kohleausstieg bangen: Die EU-Kommission will von der Bundesregierung genau erläutert haben, warum der deutsche Staat den Betreibern der Tagebaue und Kraftwerke insgesamt 4,35 Milliarden Euro zahlen will. Sie habe „Zweifel an der Vereinbarkeit der Maßnahme mit den EU-Beihilfevorschriften“, erklärte die dänische EU-Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager am Dienstag.
Während der Essener Stromerzeuger RWE sich gelassen gab und erklärte, die Überprüfung in Brüssel sei das ganz normale Verfahren, weshalb der Dax-Konzern mit nichts anderem gerechnet habe, hoffen Klimapolitiker auf eine rote Karte der EU. „Bei RWE sollten jetzt die Alarmglocken schrillen. Die Entscheidung in Brüssel wird länger dauern und der Vorgang ist definitiv mehr als eine Routineprüfung, sonst wäre das einfach durchgewunken worden“, sagte Oliver Krischer unserer Zeitung, Fraktionsvize und Energieexperte der Grünen im Bundestag. Entschädigungen für uralte und abgeschriebene RWE-Kraftwerke seien „definitiv ein Vorteil gegenüber Wettbewerbern“.
RWE soll 2,6 Milliarden Euro erhalten
Der Bundestag hatte den Deal der Bundesregierung mit den Betreibern unlängst abgesegnet. Demnach erhalten RWE 2,6 Milliarden und die ostdeutsche Leag 1,75 Milliarden Euro für das auf 2038 vorgezogene Ende der Braunkohle in Deutschland. Ursprünglich hätten die Kraftwerke den Landesgenehmigungen zufolge noch bis etwa Mitte des Jahrhunderts laufen können. Für die Abschaltung der weniger klimaschädlichen Steinkohlekraftwerke zahlt der Staat deutlich weniger Entschädigungen, obwohl sie früher vom Netz gehen müssen.
Eine RWE-Sprecherin betonte am Abend, diese Summe liege weit unter den tatsächlichen Mehrkosten, die sie auf rund 3,5 Milliarden Euro beziffert. „Und da haben wir entgangene Gewinne noch nicht eingerechnet“, sagte sie unserer Redaktion. Entsprechend optimistisch sei RWE, dass die vereinbarten Summen der erwarteten Überprüfung durch die EU-Kommission standhielten. Zusatzkosten entstehen dem Essener Konzern etwa durch den politisch gewünschten Erhalt des Hambacher Forsts.
Brüssel hinterfragt die Höhe der Entschädigung
Das sehen Klimaschützer anders und sich nun von der EU fürs Erste bestätigt. „Die Kommission hat Zweifel, ob die Entschädigung der Betreiber für entgangene Gewinne, die sehr weit in die Zukunft reichen, als erforderliches Mindestmaß betrachtet werden kann“, teilte das Vestager-Büro mit. Dass Deutschland Kompensationen zahlen, wird in Brüssel nicht kritisiert, sie müssten aber auf das „erforderliche Mindestmaß beschränkt werden“, hieß es. Und: „Die uns bisher zur Verfügung stehenden Informationen erlauben es uns nicht, dies mit Sicherheit zu bestätigen.“ Deutschland muss nun dazu Stellung nehmen.
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Greenpeace-Klimaexperte Karsten Smid nannte das von der EU eingeleitete Prüfverfahren auf Twitter einen „wichtigen Schritt für das Klima, den wir schon lange fordern“. Die Entschädigungssummen für Braunkohlebetreibende seien nicht zu rechtfertigen. Grünen-Politiker Krischer attackierte die Bundesregierung: „Union und SPD haben den Kohleausstieg zur Gelddruckmaschine für Kohlekonzerne umfunktioniert. Längst abgeschriebene und am Markt wertlose Kohlekraftwerke werden den Konzernen mit Milliarden Steuergeldern vergoldet.“