Mülheim/Duisburg. Siemens Energy streicht in Deutschland 3000 Arbeitsplätze. Da besonders konventionelle Bereiche betroffen sind, wachsen die Sorgen im Ruhrgebiet.
Nach dem Börsengang ist vor dem Stellenabbau – das wussten die rund 90.000 Beschäftigten von Siemens Energy, als sich der Mutterkonzern vor vier Monaten von seiner Tochter trennte. Und im Ruhrgebiet wussten sie, dass ihre Werke im erwartbaren Sparprogramm besonders im Fokus stehen. Entsprechend groß sind nun die Sorgen in Mülheim und Duisburg, nachdem der Vorstand angekündigt hat, 3000 Arbeitsplätze in Deutschland zu streichen.
Weltweit fallen 7800 Stellen bis 2025 weg, davon nach Unternehmensangaben rund drei Viertel in Management,Verwaltung und Vertrieb. Der Konzern will vor allem auf diese Weise spätestens ab 2023 mindestens 300 Millionen Euro im Jahr sparen.
Abschied von konventioneller Energie
Mit dem Börsengang Ende September, bei dem Siemens zwei Drittel seiner Anteile verkaufte, wurde die seit Jahren anstehende Neuausrichtung des Energiegeschäfts deutlich forciert. Der Abschied von Gas- und Dampfturbinen sowie Generatoren für konventionelle Kraftwerke soll beschleunigt werden, an Ausschreibungen für Kohlekraftwerks-Komponenten will Siemens Energy sich gar nicht mehr beteiligen. Mit dieser Ansage warb das Unternehmen um Aktionäre. Denn an den Finanzmärkten werden Geschäfte, die noch auf Kohle, Gas und Öl basieren, als nicht mehr zukunftsträchtig angesehen.
Energy-Chef Christian Bruch nannte zunähst noch keine Zahlen für die einzelnen Standorte, sie sollen am Mittwoch bekanntgegeben werden. Doch die Werke in Mülheim, Duisburg und Berlin dürften besonders vom Stellenabbau betroffen sein. Denn sie sind bisher noch am stärksten auf Turbinen und Generatoren für konventionelle Anwendungen ausgerichtet. In Duisburg arbeiten mehr als 2000 Menschen für Siemens Energy. In Mülheim mit noch rund 4300 Beschäftigten hofft man indes, eine gewichtige Rolle zu spielen bei der Entwicklung von Zukunftstechnologien wie Windenergie und Stromspeicher. Dadurch könnten in den kommenden Jahren auch wieder neue Arbeitsplätze an der Ruhr entstehen.
Kündigungen nicht ganz ausgeschlossen
Jens Rotthäuser, Betriebsratschef des Mülheimer Siemens-Werks, rechnet für seinen Standort „mit mehr als nur einem blauen Auge“, wie er unserer Redaktion sagte. Der Geschäftsführer der Division „Power Generation“, Karim Amin, habe am Morgen in einer Konferenz klargestellt, dass die Standorte in Mülheim, Görlitz und Berlin vom Kohle-Abschied des Unternehmens am stärksten betroffen seien.
„Wir sind uns bewusst, dass unsere Pläne Teilen der Belegschaft viel abverlangen“, sagte der Vorstandsvorsitzende Christian Bruch am Dienstag, „daher ist es unser Ziel, diese Maßnahmen so sozialverträglich wie möglich durchzuführen.“ Standortschließungen will er vermeiden. Die in den Möglichkeitsformen verpackte Unsicherheit, ob das wirklich ohne betriebsbedingte Kündigungen funktioniert, findet sich auch in dem unlängst mit der Arbeitnehmerseite getroffene „Zukunftsvereinbarung“. Entsprechend sah sich IG-Metall-Hauptkassierer Jürgen Kerner am Dienstag in der Pflicht zu betonen, er erwarte, dass die Restrukturierung ohne Kündigungen ablaufe.
Rotstift trotz Rückkehr in die schwarzen Zahlen
Ebenfalls am Dienstag präsentierte das junge Unternehmen seine Bilanz für das erste Quartal des Geschäftsjahres: Von Oktober bis Dezember stieg der Umsatz um 2,6 Prozent auf 6,5 Milliarden Euro. Der Betriebsgewinn fiel mit 243 Millionen Euro wieder kräftig positiv aus – nach einem Minus von 117 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Auch unterm Strich kehrte Siemens Energy mit 99 Millionen Euro zumindest knapp in die Gewinnzone zurück. An der Börse waren offenbar noch bessere Zahlen oder ein stärkerer Stellenabbau erwartet worden – die Aktie gab im MDax gegen den positiven Markttrend nach.