Essen. Am 28. September will Siemens Energy an die Börse gehen. Vera Diehl von Union Investment erläutert, welche Rolle Fridays For Future dabei spielt.
Es ist eine Zäsur für Siemens: Mitten in der Corona-Krise bringt der Industriekonzern sein wichtiges Energiegeschäft mit rund 90.000 Beschäftigen an die Börse. Am 28. September soll die Aktie von Siemens Energy zum ersten Mal gehandelt werden. Das neue Unternehmen hat eine große Bedeutung für NRW und das Ruhrgebiet. In Duisburg arbeiten rund 2000, in Mülheim sogar mehr als 4000 Beschäftigte für den Konzern. Vera Diehl, Portfoliomanagerin bei Union Investment, sagt im Interview mit unserer Redaktion, Siemens Energy habe „noch einen langen und steinigen Weg vor sich“. Eine große Rolle spiele dabei das Thema Kohleausstieg.
Frau Diehl, ist der Börsengang von Siemens Energy der richtige Schritt für den Konzern?
Vera Diehl: Ja, auf jeden Fall. Wir begrüßen den Börsengang, da er für mehr Transparenz sorgt und die Siemens AG sich danach auf die übrig gebliebenen Kerngebiete konzentrieren kann. Positiv sind auch die schlankere Struktur und der Fokus von Siemens auf Zukunftsgeschäfte. Allerdings ist der Zeitpunkt für den Börsengang angesichts der Corona-Pandemie alles andere als ideal, ein Ausblick auf die zukünftige Geschäftsentwicklung dadurch kaum möglich. Hinzu kommt, dass Siemens Energy immer noch stark an Siemens gebunden bleibt und sowohl für den Markennamen als auch für zukünftig in Anspruch genommene Services zahlen muss.
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Welche Zukunft hat Siemens Energy angesichts der Tatsache, dass die Geschäfte rund um konventionelle Energieträger wie Kohle, Öl und Gas noch eine große Bedeutung im Konzern haben?
Vera Diehl: Das Unternehmen hat noch einen langen und steinigen Weg vor sich. Ziel ist, das Kohlegeschäft nach und nach zurückzufahren und durch den Übergang zur grünen Energie langfristig gute Cash-Flows zu
genieren. An der Börse wird Siemens Energy keine Vorschusslorbeeren bekommen. Wir werden das Unternehmen danach bewerten, ob es liefert und konstante Margen erwirtschaftet. Das ist dem Energiebereich von Siemens bisher nicht gelungen.
Ist der Konflikt mit der Klimaschutzbewegung Fridays For Future ein ernsthaftes Problem für Siemens Energy?
Vera Diehl: Das Öl- und Gasgeschäft ist mit hohen Reputationsrisiken verbunden. Der Protest von Umweltschützern gegen die Lieferung der Siemens-Signalanlage an die Adani-Kohlemine in Australien ist eine Hypothek für Siemens Energy. Am Thema Kohleausstieg kommt Siemens Energy jedenfalls nicht vorbei. Der wird das Unternehmen zunächst einmal viel Zeit und Geld kosten.
Kann Wasserstoff eine Zukunftsperspektive bringen – insbesondere für die Standorte in Deutschland?
Vera Diehl: Wasserstoff gilt als klimaschonende Zukunftstechnologie, und es gibt auch für Siemens im Wasserstoffgeschäft gute Zukunftsperspektiven. Der neue Chef von Siemens Energy, Christian Bruch, hat bereits Erfahrung auf diesem Gebiet sammeln können. Allerdings ist das Thema für Siemens Energy erst ab 2025 spruchreif – heute ist es noch Zukunftsmusik.