Mülheim. Fast drei Jahre ist Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub verschollen. Verfahren zur Todeserklärung rückt näher. Sonntag endet eine Frist.
Am 7. April jährt sich zum dritten Mal der Tag, an dem Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub nicht mehr von einem Skiausflug zurückkehrte. Sein Schicksal ist nach wie vor ein Rätsel. In die Frage, ob das Amtsgericht Köln den Milliardär für tot erklären wird, ist Bewegung gekommen.
Bereits im Oktober hatten Haubs Brüder Christian und Georg sowie der Mülheimer Handelskonzern Tengelmann bei Gericht Anträge gestellt, das Aufgebotsverfahren mit dem Ziel einzuleiten, den Verschollenen für tot erklären zu lassen. Georg Haub hatte seinen Antrag Ende Dezember allerdings überraschend zurückgezogen. Intern soll er seinen Entschluss mit Berichten auch in dieser Zeitung über Zweifel an der Unglückstheorie begründet haben.
Frist für Ehefrau und Kinder bis 31. Januar
Seither ist nicht viel passiert, auch deshalb, weil sich Karl-Erivan Haubs Frau Katrin und deren Zwillinge Viktoria und Erivan den Anträgen bislang nicht anschließen wollten. Sie bezeichneten das Vorpreschen ihrer Verwandten gegenüber dieser Zeitung gar als „anmaßend“.
Nach Informationen unserer Redaktion hatte das Amtsgericht die Ehefrau und ihre Kinder aufgefordert, sich zu dem Verfahren zu äußern. Doch die gesetzte Frist verstrich. Die Anwälte baten um Fristverlängerung bis zum 31. Januar, weil das Schreiben des Gerichts mit erheblicher Verspätung zugestellt worden sei. Nach Angaben von Gerichtssprecher Maurits Steinebach ist bislang kein Antrag der Familie eingegangen. „An der Zahl der Antragsteller hat sich nichts geändert“, sagte der Amtsrichter. Auf Anfrage unserer Zeitung wollten sich Katrin, Viktoria und Erivan Haub nicht dazu äußern, wie sie sich verhalten werden.
Es geht um 450 Millionen Euro Erbschaftssteuer
Auch die Staatsanwaltschaft Köln hat erklärt, dass sie dem Aufgebotsverfahren nicht beitreten werde. Dabei gibt es möglicherweise ein öffentliches Interesse: Nur wenn der Vater für tot erklärt wird, können die Kinder dessen Anteile an der Tengelmann-Gruppe von rund einem Drittel erben. Dadurch würden dem deutschen Staat Schätzungen zufolge rund 450 Millionen Euro Erbschaftssteuer zufließen. Die Anwälte des neuen Konzernchefs Christian Haub und seiner Schwägerin Katrin Haub, Mark Binz und Peter Gauweiler, suchen gerade nach Lösungen, um den Familienstreit zu schlichten.
Ab Montag wird das Amtsgericht Köln nun prüfen, ob die bereits vorliegenden Anträge zulässig sind und das Aufgebot zur Todeserklärung veröffentlicht wird. „Das Verfahren läuft unabhängig vom Eintritt weiterer Personen“, stellt Richter Steinebach klar.
Haubs Schicksal gibt Rätsel auf
Der mit dem prominenten Fall beauftragte Rechtspfleger steht vor keiner leichten Aufgabe. Bislang gibt es keine belastbaren Erkenntnisse über das Schicksal von Karl-Erivan Haub. Seine Leiche, die Aufschluss über einen Unfall, Selbstmord oder ein Tötungsdelikt geben könnte, wurde nie gefunden. Immer wieder ist von Hinweisen die Rede, die dafür sprechen könnten, dass der Milliardär mit seiner russischen Geliebten untergetaucht sein könnte. Haub soll seit Jahren ein Doppelleben geführt haben. Beweise gibt es aber auch für diese Theorie nicht.
Karl-Erivan Haub galt als durchtrainierter Sportler, der immer wieder an seine Grenzen ging. Der Unternehmer achtete aber stets auch auf seine Sicherheit. Deshalb wundern sich Insider, dass er am 7. April 2018 allein, dünn bekleidet und mit ausgeschaltetem Handy zu einer schwierigen Bergtour aufgebrochen ist. Kurz vor der Anreise mit dem Firmen-Flugzeug soll Haub den Piloten ins Schweizerische Zermatt umdirigiert haben. IT-Spezialisten der Tengelmann-Gruppe gelang es später, das Telefon des Chefs auszulesen. Sie fanden dem Vernehmen nach eine Nachricht seiner vermeintlichen Geliebten, dass sie am selben Tag nach Moskau reisen werde.
Parallele zum Fall Daniel Küblböck
Todeserklärungen nach dem Verschollenheitsgesetz sind in Deutschland äußerst selten. Parallelen zum Fall des vermissten Mülheimer Unternehmers Haub gibt es zu einem Verfahren, das am Amtsgericht Passau anhängig ist. Im Herbst hatte es ein Aufgebot für Daniel Küblböck veröffentlicht. Der Schlagersänger ist bei einer Reise auf einem Kreuzfahrtschiff im September 2018 verschwunden.
Auch dieses Verfahren zur Todeserklärung wurde ohne die Zustimmung der engsten Familie in Gang gesetzt. „Eine Person, die nicht zu Daniels Familie und zuletzt auch nicht zu seinen engen Vertrauten gehörte, hat diesen Antrag auf Daniels Todeserklärung gestellt. Für uns ist dies nicht nachvollziehbar, dass Gesetze dies überhaupt zulassen und noch weniger, was sich diese Person damit anmaßt“, schrieb Küblböcks Vater auf dessen Homepage. Die Entscheidung des Amtsgerichts Passau steht noch aus.