Essen. Im Ruhrgebiet kündigen Verbraucher häufiger ihre Strom- und Handyverträge als Menschen in anderen Regionen. Experten erklären, woran das liegt.
Internet, Strom, Kfz-Versicherung – nirgendwo in Deutschland kündigen Verbraucher so häufig ihre Verträge wie im Ruhrgebiet. Das zeigt eine Auswertung des Kündigungsdienstes Aboalarm, einem Unternehmen der Verivox-Gruppe. Demnach wird in Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet deutlich häufiger gekündigt, während Menschen in ländlichen Regionen ihren Anbietern eher treu bleiben.
Gleich drei der insgesamt fünf ausgewerteten Ruhrgebietsstädte führen das Städteranking an. In der Kündigungshochburg Oberhausen beenden Verbraucher 51 Prozent häufiger ihre Verträge als im Bundesdurchschnitt. Auch in Duisburg und Gelsenkirchen sind die Kündigungsraten mit 41 Prozent vergleichsweise hoch. Auf den Plätzen vier bis sieben folgen Köln, Wuppertal, Dortmund und Essen und damit ausschließlich Städte aus NRW. Die Kündigungsquoten liegen dort zwischen 19 und 21 Prozent über dem Bundesschnitt.
Nordrhein-Westfalen belegt damit im Bundeslandvergleich den ersten Platz. Verbraucher in NRW kündigen rund 20 Prozent häufiger ihre Verträge als der Durchschnitt. Ähnlich kündigungsfreudig sind das Saarland, Rheinland-Pfalz, Hamburg und Bremen. In Bundesländern mit vielen ländlich geprägten Gegenden wie Bayern, Schleswig-Holstein und Sachsen kündigen Verbraucher deutlich seltener ihre bestehenden Verträge.
Ruhrgebietsstädte liegen in allen Vertragskategorien vorn
In allen Vertragskategorien haben Ruhrgebietsstädte die Nase vorn. Bei Strom und Gas sowie Internet- und Telefonverträgen liegt Gelsenkirchen mit 72 beziehungsweise 79 Prozent an der Spitze. Oberhausen führt das Ranking in den Kategorien Handyverträge (51 Prozent) und Kfz-Versicherungen (40 Prozent) an. Auffällig ist die hohe Kündigungsrate bei Kfz-Versicherungen im Ruhrgebiet. Mit Ausnahme der Stadt Köln liegen alle anderen Großstädte in Deutschland in dieser Kategorie unter dem Bundesdurchschnitt. „Das Auto hat im Ruhrgebiet traditionell einen hohen Stellenwert“, sagt Thilo Knaupp, Geschäftsführer von Aboalarm. In Städten wie Dortmund und Essen herrsche zudem eine „eine relativ hohe Autodichte“.
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Die vielen Vertragskündigungen im Ruhrgebiet lassen sich außerdem mit der in Ballungsräumen meist größeren Auswahl begründen. „Viele Branchen konzentrieren sich mit ihren Angeboten auf Städte und vernachlässigen ländliche Gegenden“, erklärt Knaupp. Auf dem Land gebe es weniger Fitnessstudios, Bankfilialen und Handynetze. „Das verringert den Anreiz zu kündigen und den bestehenden Anbieter zu wechseln“, so der Kündigungsexperte.
Aber auch die „relativ hohe Altersstruktur auf dem Land“ sorge dafür, dass dort weniger gekündigt wird. Knaupp: „Unserer Erfahrung nach bleiben ältere Verbraucher ihrem vertrauten Anbieter eher treu und kündigen weniger.“
Armutsquote ist im Ruhrgebiet überdurchschnittlich hoch
Die überdurchschnittlich hohe Armutsquote im Ruhrgebiet (21,1 Prozent) ist ein weiterer Grund für die hohen Kündigungsraten in der Region. Laut dem Statistischen Landesamt IT NRW war im Jahr 2019 jeder sechste Einwohner Nordrhein-Westfalens armutsgefährdet , hatte also weniger als 60 Prozent des Durchschnittseinkommens zur Verfügung (Single 1042 Euro/Paar mit zwei Kindern 2188 Euro).
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Eine fortlaufende Umfrage des Kündigungsdienstes Aboalarm bestätigt die hohe Preissensibilität der Menschen. So beenden die allermeisten Kunden ihre Verträge, weil sie unzufrieden mit dem Preis sind. „Gefühlt hohe Preise“ sind mit 52 Prozent der Top-Kündigungsgrund, gefolgt von nachteiligen Vertragsbedingungen (25 Prozent), technischen Problemen (15 Prozent) sowie unbefriedigenden Produkteigenschaften oder fehlendem Bedarf (jeweils 12 Prozent). Drei von vier Verträgen werden im Anschluss wieder durch einen neuen ersetzt.
Hohes Sparpotenzial beim Wechsel der Verträge
„Viele Menschen in der Region müssen sparen und ihre Verträge sind dazu eine gute Möglichkeit “, sagt Aboalarm-Sprecher Felix Riesenberg. So könnten Kunden bei Internetverträgen knapp 270 Euro im Jahr sparen, wenn sie zum Beispiel vom Telekom-Bestandskundentarif in den günstigsten verfügbaren Tarif wechselten. Kündige man seinen Handyvertrag mit Allnet-Flat und drei Gigabyte Datenvolumen beim Netzbetreiber und wechsle zum Discounter-Tarif im gleichen Netz, seien es noch einmal 179 Euro. Und die Ersparnis beim Wechsel aus der Grundversorgung für Strom (4.000 kWh) betrage 422 Euro. Riesenberg: „Allein mit diesen drei Vertragswechseln können Verbraucher fast 900 Euro pro Jahr sparen.“