Ruhrgebiet. Die Armut in Deutschland ist laut dem aktuellen Armutsbericht leicht zurückgegangen. Doch das Ruhrgebiet bleibe „Problemregion Nummer 1“.
Das einst prosperierende Ruhrgebiet zählt inzwischen zu den ärmsten Regionen Deutschlands. Die Industrieregion sei mit einer Armutsquote von 21,1 Prozent bei 5,8 Millionen Einwohnern bundesweit „Problemregion Nummer 1“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes, Ulrich Schneider, laut Mitteilung am Donnerstag anlässlich der Vorstellung des „Armutsberichts 2019“ in Berlin.
Die Armutsquote betrug dem Bericht zufolge 2018 im Bundesdurchschnitt 15,5 Prozent, das waren 0,3 Prozentpunkte weniger als 2017. Rechnerisch mussten damit 210.000 Menschen weniger als im Vorjahr unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Quote ging dem Bericht zufolge erstmals seit 2014 zurück, lag aber trotz der jahrelang guten Konjunktur fast einen Prozentpunkt höher als vor zehn Jahren.
NRW ist die Region mit der höchsten Armutsquote
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Der veröffentlichte Report zeigt zugleich, dass sich das Land weiter aufspaltet in abgehängte und wohlhabendere Regionen. „Trotz eines erfreulichen Rückgangs der bundesweiten Armutsquote auf 15,5 Prozent (2018) zeichnen sich besorgniserregende Entwicklungen und neue Problemregionen insbesondere in Westdeutschland ab“, heißt es in dem Bericht.
Den „wohlhabenden“ Ländern Bayern und Baden-Württemberg mit einer Armutsquote von zusammen 11,8 Prozent stünden Nordrhein-Westfalen und der Osten mit rund 18 Prozent gegenüber. Das Ruhrgebiet übertrifft diesen Wert mit 21,1 Prozent noch deutlich.
NRW ist deshalb die Region mit der höchsten Armutsquote. Es folgen die ostdeutschen Länder mit 17,5 Prozent und ein Nord-West-Gürtel von Schleswig-Holstein bis zum Saarland mit 15,9 Prozent.
Ruhrgebiet: Armutsquote zum ersten Mal seit 2006 nicht gestiegen
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Der Report betont aber auch, dass die die Armutsquote des Ruhrgebietes zum ersten Mal seit 2006 nicht angewachsen oder stagniert sei. Sie sei sogar im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozentpunkte zurückgegangen. Erfreulich seien die Ergebnisse auch für den Raum Bochum und Hagen: Hier sei die Armutsquote im Jahr 2018 im Vergleich zum Vorjahr um 1,1 Prozentpunkte zurückgegangen. Im Raum Emscher-Lippe sei sie sogar innerhalb eines Jahres um 2,6 Prozentpunkte gesunken.
Nichtsdestotrotz bleibe das Ruhrgebiet hierzulande bei der Armut Problemregion Nummer eins. Hier könne im Zehnjahresvergleich einen kontinuierlichen Anstieg der Armut um insgesamt 28 Prozent festgestellt werden. Wenn man sich den Zeitraum der letzten zehn Jahre anschaue, sei auch die Entwicklung im Raum Bochum und Hagen weiterhin bedenklich: Die Armutsquote sei insgesamt um über 20 Prozent gestiegen, jeder Fünfte lebe in diesen Regionen inzwischen in Armut.
Arnsberg, Siegen und Düsseldorf: Anstieg von über 20 Prozent
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bochum- tafel streicht weihnachtspäckchen für bedürftigeZudem seien die Ergebnisse auch für die Region Siegen, das westliche Ruhrgebiet sowie die angrenzenden Region um Düsseldorf und Köln nicht erfreulich: Im Vergleich zu 2008 lebten im Jahr 2018 nun mehr Menschen unterhalb der Armutsgrenze als dies im Bundesdurchschnitt der Fall ist.
So sei beispielsweise in Siegen die Armutsquote um über 20 Prozent angestiegen, in Düsseldorf sogar um fast 30 Prozent. Auch in Arnsberg ist die Quote um 20 Prozent gestiegen. Arnsberg gehört zu den Regionen, die 2008 hinsichtlich der Armutsquote noch vergleichsweise gut abgeschnitten hatten, in denen inzwischen aber auch ein starkes Wachstum der Armutsquote zu beobachten ist.
Raum Duisburg/Essen sticht besonders negativ hervor
Laut dem Bericht sticht der Raum Duisburg /Essen aber besonders negativ hervor: Hier sei die Armutsquote in den letzten zehn Jahren von 14,8 auf 20,9 Prozent gestiegen. Dies entspreche einem Zuwachs um 41,2 Prozent entspreche, „was einem armutspolitischen Erdrutsch gleichkommt“, heißt es weiter.
Entgegen des Bundestrends sei die Hartz IV-Quote des Ruhrgebiets auch deutlich angestiegen. Besonders hohe Hartz IV-Zahlen würden fast alle Kreise im Ruhrgebiet aufweisen. In Gelsenkirchen sei sogar jeder vierte und in Essen jeder fünfte Einwohner auf Hartz IV angewiesen.
Verband fordert unter anderem einen höheren Mindestlohn
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Armut wird in Deutschland über das Haushaltseinkommen und die daraus folgenden Möglichkeiten an gesellschaftlicher Teilhabe definiert. Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, gilt als armutsgefährdet. Für die Armutsquote wurden dem Bericht des Paritätischen zufolge alle Personen gezählt, die in Haushalten leben, deren Einkommen diese Grenze unterschreitet. Basis waren unter anderem bereits veröffentlichte Daten des Statistischen Bundesamts.
Die Armutsschwelle für einen Single betrug 2018 beispielsweise 1.035 Euro, für einen Paarhaushalt mit zwei Kindern unter 14 Jahren 2.174 Euro (Alleinerziehende: 1.656 Euro). Ein Paar mit einem Kind unter 14 liegt bei einem Einkommen von 1.863 Euro an der Armutsschwelle (Alleinerziehende: 1.346 Euro).
Untersucht wurde für die Studie die Armutsentwicklung auf Länder- und Regionalebene. Der Verband fordert in seinem Bericht unter anderem einen höheren Mindestlohn und höhere Hartz-IV-Sätze. Zuletzt hatten die Tafeln Unterstützung für die Verteilung von gespendeten Lebensmitteln an Bedürftige vom Staat gefordert. (dpa/epd/tat)