Mülheim. Wiener Investor Erwin Soravia sieht im Ruhrgebiet großes Potenzial. Warum er es für unterschätzt hält und was er bei Tengelmann in Mülheim plant.
In Wien baut Erwin Soravia gerade den 28-geschössigen Astro Tower und einen 180 Meter hohen Wohnturm mit vielen grünen Inseln. So hoch hinaus will der Mitinhaber der österreichischen Projektentwicklungsgesellschaft Soravia in Mülheim nicht. An der Ruhr hat er sich vielmehr zum Ziel gesetzt, „die verbotene Stadt“ zu öffnen, die sie umgebende Mauer abzureißen und das Innere mit neuem Leben zu füllen. Das Wiener Familienunternehmen hat die gewaltige ehemalige Zentrale des Handelskonzerns Tengelmann gekauft und will das 130.000 Quadratmeter große Areal zur „Parkstadt Mülheim“ mit einem Mix aus Wohnen, Arbeiten und Gastronomie umbauen.
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Trotz der Corona-Pandemie ist Erwin Soravia an diesem sonnigen Novembertag mit seinem Privatflugzeug nach Mülheim gekommen, um die Spitzen der Mülheimer Stadtverwaltung und Politik von seinen Plänen zu überzeugen. Der Wiener Immobilienmann steht im Spiegelsaal der Tengelmann-Zentrale, wo einst Konrad Adenauer eine Rede gehalten hatte, und kommt aus dem Schwärmen gar nicht heraus. „Das werden wir cool entwickeln“, verspricht er.
In dem Spiegelsaal, der an die Glanzzeiten des Handels-Imperiums der Familie Haub erinnert, kann sich Soravia ein Wiener Caféhaus vorstellen. Für das Kesselhaus mit seinem markanten Schornstein konnte er bereits den Essener Gastronomen Franco Franco Giannetti (Casino Zeche Zollverein, Officina Bredeney) erwärmen, der im Sommer in dem alten Gemäuer ein italienisches Restaurant eröffnen soll – samt Außenterrasse umgeben von alten Bäumen mit Blick auf einen Teich.
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„Wir wollen hier einen neuen Stadtteil entwickeln und dieses wunderschöne Areal richtig lässig auffrischen“, sagt Soravia. „Die Menschen sollen schon bald wieder den Standort fühlen können“, kündigt der Unternehmer an. Im Frühjahr soll im „Technikum“, in dem die Familie Haub ihre Oldtimer-Sammlung und ein Konferenzzentrum untergebracht hatte, die Ausstellung Körperwelten gastieren. Den gepflegten Rosengarten hat Soravia in „Zaubergarten“ umbenannt. Die Leuchtreklamen sind bereits abmontiert. Auf den Dächern soll bald der Schriftzug „Parkstadt Mülheim“ blinken. Der Park im Inneren des Anwesens soll öffentlich zugänglich werden.
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Die Österreicher kennen die Region an Rhein und Ruhr gut. „Nordrhein-Westfalen macht uns Spaß“, sagt der Unternehmer. Seit zehn Jahren ist der Immobilienkonzern mit einer Niederlassung in Düsseldorf vertreten. Im Duisburger Innenhafen hat die Gruppe im Sommer diesen Jahres den Bau des 7-Days-Premium-Hotels abgeschlossen. Mit 169 Betten auf acht Etagen ist es aktuell das größte in der Stadt. Die Kubus-Form des Gebäudes passt sich dem Speicherstadt-Ambiente des Innenhafens an. Betreiberin ist die Plateno-Kette, die zur chinesischen Jin-Jiang-Hotelgruppe gehört.
„Ich glaube, das Ruhrgebiet hat Potenzial. Es wird aber völlig unterschätzt“, sagt Soravia und zählt die Pluspunkte auf, die ihn zu Investitionen in der Region ermuntern: hohes Bildungsniveau, gute Hochschulen, qualifizierte Arbeitskräfte und „keine schlechte Infrastruktur“. Für den Immobilien-Mann kommt freilich noch ein weiteres Argument hinzu: „Bei den Preisen ist im Vergleich zu Metropolen wie München oder Hamburg noch Luft nach oben“, meint er und fasst zusammen: „Das Ruhrgebiet ist ein spannender Markt.“
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Der bisherige Erfolg scheint ihm Recht zu geben. Im Auftrag von Soravia hat der Essener Immobilienmakler Eckard Brockhoff bereits zwei ansehnliche Ansiedlungen unter Dach und Fach gebracht: Zum ersten Januar zieht der zum Wiesenhof-Konzern gehörende Tierfutter-Lieferant Petcom in eines der Tengelmann-Gebäude. Im dritten Quartal will dann der fast 100 Jahre alte Konzern Standardkessel Baumgarte seine Firmenzentrale aus Duisburg nach Mülheim verlegen. Brockhoff spricht von einer hohen Nachfrage für das Areal. „Neben den Entwicklungen des ehemaligen Opelgeländes in Bochum zählt der frühere Tengelmann-Standort momentan zu den gefragtesten Flächen im Ruhrgebiet, sodass sich auch Unternehmen aus anderen Städten für dieses einmalige Gelände in Mülheim interessieren“, sagt der Makler.
Einen Wunsch wird sich der neue Eigentümer Erwin Soravia aber wohl nicht erfüllen können: Die Aufrechterhaltung der kleinen Pralinen-Manufaktur, die bis zuletzt an die längst geschlossene Süßwaren-Produktion der Tengelmann-Tochterfirma Wissoll in Mülheim wird, dürfte an den Kosten scheitern. Der historische Kolonialwarenladen im Innern des Gemäuers soll aber erhalten bleiben.
>>> Soravia übernahm einst die deutsche Strabag
Das Bau- und Planungsunternehmen Sorovia blickt auf eine fast 150-jährige Familiengeschichte zurück. Ende der 70er-Jahre hatte Soravia die deutsche Traditionsfirma Strabag übernommen.
Kerngeschäft ist heute die Entwicklung von Immobilien. Neben dem Tengelmann-Areal treibt Soravia aktuell weitere Projekte in Deutschland voran, darunter der Zollhafen Mainz.
Die Österreicher sind überdies Gründungsgesellschafter der Hotelgruppe Ruby Hotels, die zuletzt in Düsseldorf ein „lean-luxury“-Hotel eröffnete. Mit allen Beteiligungen beschäftigt Soravia rund 2300 Mitarbeiter.