Duisburg. Wirtschaftsminister sagt Thyssenkrupp eine Förderung der klimaneutralen Stahlproduktion zu. Unabhängig davon, wem die Stahlsparte künftig gehört.

Noch sieht nichts danach aus, dass sie hier in fünf Jahren grünen Stahl kochen wollen, so ganz ohne Kohle. Schwarz, Grau und Weiß dominieren die Eindrücke während der 20-minütigen Fahrt durch die Stahlstadt im Duisburger Norden. Weiß der Wasserdampf beim Löschen der Kohle vor der Kokerei. Schwarz die Kohlenberge, grau die Schlackehalden. Und den Mischbergen aus Erz und Koks vor der Sinteranlage entlockt die Sonne ein schwarzgraues Glitzern. Nichts davon wird bleiben, wenn Thyssenkrupp der Umstieg von Kohle auf Wasserstoff gelingt.

Altmaier: „Grüner Stahl made in Germany“ wird Exportschlager

Weiß wiederum ist das Zelt, das der angeschlagene Stahlriese eigens für diesen Pressetermin im äußersten Norden seines gigantischen Werksgeländes aufgebaut hat: Denn hier will Thyssenkrupp Europas ersten Elektro-Hochofen bauen, der grünen Stahl kocht – mit Wasserstoff statt Kohle als Brennstoff und mit Ökostrom im neuen Einschmelz-Aggregat. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) gibt sich beeindruckt von der langen Anfahrt, in der er „Industriegeschichte im Querschnitt“ gesehen hat. Er beglückwünscht Konzernchefin Martina Merz „wie mutig und beherzt Sie das angehen“. Und wünscht sich, dass künftig Delegationen aus aller Welt hierhin strömen, um den „grünen Stahl made in Germany“ als Deutschlands neuen Exportschlager zu bewundern.

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Altmaier ist gekommen, um dem Ruhr-Konzern Unterstützung zuzusagen bei der milliardenschweren Umstellung der Stahlproduktion. „Wir stehen an Ihrer Seite, wir lassen Sie nicht im Stich“, sagt der Minister, freilich ohne eine konkrete Summe zu nennen. Einen Teil der sieben Milliarden Euro, die Deutschland in neue Wasserstoff-Technologien investieren will, soll Thyssenkrupp erhalten. Wissend, dass die Stahlindustrie 30 Milliarden brauchen wird, um bis zur Mitte des Jahrhunderts auf eine klimaneutrale Produktion umzustellen.

Staatsgelder fließen frühestens 2021

In diesem Jahr, wie es der Stahl-Betriebsrat fordert, wird aber kein Geld mehr fließen. Auf Nachfrage sagt Altmaier, er hoffe, „vor der Sommerpause“ im kommenden Jahr „grünes Licht aus Brüssel“ für diese Staatshilfen zu erhalten. Er wolle dabei helfen, dass „in Deutschland und bei Thyssenkrupp der klimafreundlichste Stahl weltweit produziert wird“.

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz mit Ministerpräsident Armin Laschet,und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier.
Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz mit Ministerpräsident Armin Laschet,und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier. © FUNKE Foto Services | André Hirtz

Seine Worte sind Musik in den Ohren von Merz und Stahlchef Bernhard Osburg, allerdings Zukunftsmusik. 2025 soll der neue Hochofen angefahren werden, im ersten Jahr 400.000 Tonnen Stahl produzieren, ab 2030 drei Millionen Tonnen. Das wäre ein gutes Viertel der aktuellen Produktion. Ist bis dahin nicht genügend Ökostrom verfügbar, kann der Wasserstoff zunächst mit Gas erzeugt werden. Klimaneutral produzieren kann Thyssenkrupp laut Stahlchef Osburg auch deshalb erst 2050, bis zum Ende des Jahrzehnts sollen die Hochöfen immerhin 30 Prozent weniger Treibhausgas CO2 ausstoßen.

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Es ist ein Termin mit hohem Symbolwert: Zwischen kalten Brammen und Kohlebergen haben sie das Zelt aufgeschlagen, Blechrollen (Coils), Brammenkran und echte Stahlkocher in ihren silbernen Anzügen als Foto-Staffage neben das Transparent „Erste Direktreduktionsanlage mit Einschmelzer“ drapiert. Einen „Leuchtturm“ nennt sie Altmaier. Und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), der kurzfristig auch noch gekommen war, spricht „Glückauf und Segen für dieses Projekt“. Das Ruhrgebiet könne „die grünste und innovativste Region Deutschlands“ werden, dazu leiste Thyssenkrupp mit seinem grünen Stahl einen wichtigen Beitrag.

Laschet kritisiert Kutschaty-Forderung

Laschet nennt die Stahlindustrie erneut „systemrelevant“, von einem Einstieg des Staates, wie ihn Oppositionsführer Thomas Kutschaty (SPD) fordert, will er aber nichts wissen. Dessen Forderung nach einer Fusion mit Salzgitter unter Staatsbeteiligung nennt Laschet ein „unterkomplexes Verständnis von Wirtschaftspolitik“. Über Fusionen entscheide das Unternehmen und keine Partei.

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Auch Altmaier mag sich zu möglichen Fusionen der Stahlsparte, wie sie Merz derzeit ja durchspielen lässt, nicht äußern. Dem Vernehmen nach laufen Gespräche mit dem schwedischen Konkurrenten SSAB. Auch ein neuer Anlauf für eine Verschmelzung mit dem Europageschäft der indischen Tata wird im Umfeld des MDax-Konzerns nicht ausgeschlossen – und der chinesischen Baosteel wird ebenfalls Interesse an einem Einstieg in Deutschland nachgesagt. Merz ließ sich zum Stand der Verhandlungen nicht in die Karten schauen, sagte nur, die Umstellung der Stahlproduktion erfolge „unabhängig von der Frage einer möglichen Konsolidierung“.

Altmaier: Förderung unabhängig von möglicher Fusion

Die Frage, ob er auch Fördermittel nach Duisburg schicke, wenn ein ausländischer Konzern die Mehrheit übernehme, beantwortete Wirtschaftsminister Altmaier leicht ausweichend: „Es geht um die technologische Transformation. Ob und mit wem das finanziert wird, muss das Unternehmen selbst entscheiden. Der Staat unterstützt die Umstellung auf eine klimafreundliche Stahlproduktion unabhängig von der Gesellschafter-Konstruktion eines Konzerns.“