Essen. Der stationäre Einzelhandel befürchtet sinkende Umsätze im Weihnachtsgeschäft. Nun klagt Verdi gegen die vom Land erlaubten Sonntagsöffnungen.
Steigende Umsätze im Weihnachtsgeschäft erwartet der Handel alle Jahre wieder – sogar in diesem, der Corona-Krise zum Trotz. Doch erstmals rechnet der Handelsverband HDE allein im Onlinegeschäft mit Mehreinnahmen und für die Läden in den Innenstädten mit einem rückläufigen Geschäft, selbst wenn sie bis zum Fest durchgehend öffnen dürfen. In NRW könnte es demnach noch schlimmer kommen, wenn fest eingeplante verkaufsoffene Sonntage verboten werden.
Der Handel erhofft sich, an den Sonntagen im Advent einen guten Teil der erwarteten Verluste wettzumachen. Doch Verdi klagt immer wieder gegen die Sonntagsöffnungen und hat zuletzt in mehreren Fällen Recht bekommen. Nun hat die Gewerkschaft eine Normenkontrollklage vor dem Oberverwaltungsgericht NRW in Münster eingereicht. Sie will die in der NRW-Coronaschutzverordnung genehmigten verkaufsoffenen Sonntage grundsätzlich verhindern. Den jüngsten Einlassungen des Gerichts zufolge könnte sie damit durchkommen.
Fünf offene Sonntage auf der Kippe
Nachdem das OVG einige verkaufsoffene Sonntage gekippt hatte, wollte Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) den juristischen Häuserkampf beenden und gab per Erlass fünf offene Sonntagen im Rahmen der Corona-Schutzverordnung grundsätzlich frei. Die Läden sollen an den vier Adventssonntagen und am 3. Januar 2021 jeweils von 13 Uhr bis 18 Uhr öffnen dürfen. Als Begründung diente der Landesregierung der Gesundheitsschutz: Pinkwart erklärte, damit würden die Besucherströme entzerrt, um „das Infektionsrisiko zu verringern“.
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Das OVG in Münster äußerte freilich umgehend „erhebliche Zweifel an der Gültigkeit“ einer solchen Bestimmung, sie stehe „in offenem Widerspruch zu Regelungen des Ladenöffnungsgesetzes“. Damit folgte das Gericht bisher der Verdi-Argumentation, verkaufsoffene Sonntage dürften nur in Verbindung mit den verfassungsmäßig dafür vorgeschriebenen „Anlassveranstaltungen“ stattfinden, etwa Straßenfeste oder Jahrmärkte.
Verdi: Weitere Öffnungen „verantwortungslos“
Verdi-Landeschefin Gabriele Schmidt erklärte, die Normenkontrollklage sei „notwendig geworden“, weil das Land an den pauschal erlaubten Sonntagsöffnungen festhalte. Sie zweifelt die Begründung der Landesregierung an: „Sonntagsöffnungen führen nicht zu einer Entzerrung von Kundenströmen, sondern zu einer Konzentration auf das Wochenende. Das ist bei steigenden Infektionszahlen völlig verantwortungslos“, sagte Schmidt. Bei den neuerlichen Einschränkungen des öffentlichen Lebens sei es „nicht nachvollziehbar, dass der innerstädtische Einzelhandel sogar noch an einem weiteren Tag öffnen soll.“
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Der Handelsverband NRW kritisierte „die dogmatische und kategorische Ablehnung“ von verkaufsoffenen Sonntagen durch Verdi. „Anders als bei herkömmlichen verkaufsoffenen Sonntagen, die ja im Übrigen in diesem Jahr fast ausnahmslos auch von Verdi weggeklagt wurden, findet keinerlei Rahmenprogramm statt, selbst Weihnachtsmärkte sind aus gutem Grund abgesagt“, sagte Verbandspräsident Michael Radau. „Zu einer Überfüllung wird es deshalb sicher nirgendwo kommen.“
Land hatte Verdi gebeten, nicht zu klagen
Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU), der für die Corona-Schutzverordnung zuständig ist, hatte die Gewerkschaft Anfang Oktober ausdrücklich gebeten, nicht zu klagen. Inzwischen ist die nächste Schutzverordnung in Kraft und sie enthält nach wie vor die verkaufsoffenen Sonntage. Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart hatte keinen Hehl daraus gemacht, dass es ihm auch um eine Stärkung des stationären Einzelhandels geht. Immerhin plagen vier von zehn Einzelhändlern Existenzsorgen, die Kommunen befürchten eine weitere Verödung der Innenstädte.
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Denn der befürchtet nach dem ohnehin schwierigen Jahr nun auch noch ein schwaches Weihnachtsgeschäft. Der HDE rechnet in den Läden mit einem Umsatzrückgang um 1,7 Prozent auf 86,4 Milliarden Euro, wie der Verband auf Nachfrage unserer Redaktion mitteilte. In seiner Prognose hatte er nur das für November und Dezember erwartete Plus von 1,2 Prozent auf knapp 104 Milliarden Euro im gesamten Einzelhandel ausgewiesen. Das resultiert freilich allein aus dem in der Corona-Krise verstärkten Online-Boom: hier klettern die Umsatze laut HDE-Prognose um ein Fünftel auf 17 Milliarden Euro.
Der NRW-Einzelhandel erwartet im Weihnachtsgeschäft Umsätze von 23 Milliarden, allerdings ebenfalls sinkende Erlöse in den Läden vor Ort. Grund dafür seien auch die neuen Corona-Beschränkungen, obwohl die Läden anders als die Restaurants und Cafés nicht schließen müssen. „Der Handel in den Innenstädten darf zwar öffnen, gleichzeitig appelliert die Politik aber an die Kunden, zuhause zu bleiben“, sagte HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Und: „In der Folge können die Geschäfte mit Blick auf extrem sinkende Kundenfrequenzen vielerorts wirtschaftlich nicht mehr überleben.“