Mülheim. Hochwasser in Venedig, Wassermangel in Alicante. 36 Partner aus der EU suchen unter Führung des Mülheimer Instituts IWW smarte Lösungen.

In Venedig steht der Markusplatz regelmäßig unter Wasser, in Ostfriesland haben die Molkereien Probleme, ausreichend salzfreies Wasser für ihre Milchproduktion vorzuhalten. Nicht zuletzt der Klimawandel verschärft vor allem an den Küsten die Probleme mit zu viel oder zu wenig Wasser. Das Mülheimer Institut IWW koordiniert im Auftrag der Europäischen Union ein großes Forschungsprojekt, das vor allem nach digitalen Lösungen für die Wasserwirtschaft suchen soll.

„Wir wollen exemplarisch zeigen, was an den Küstenregionen möglich ist. Und zwar nicht im Labor, sondern an sechs konkreten Standorten“, sagt IWW-Geschäftsführer David Schwesig. Seine Wasserforscher aus Mülheim machen sich in den nächsten vier Jahren gemeinsam mit 36 Partnern auf, um in Alicante (Spanien), Bodø (Norwegen), Flandern (Belgien), Lissabon (Portugal), Ostfriesland und Venedig (Italien) Lösungen zu finden, die Wasserversorgung smarter und damit effektiver zu machen.

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15 Millionen Euro fließen in das Projekt, das sich den Namen „B-Water Smart“ gegeben hat. Die Auswahl der Standorte fiel nicht von ungefähr auf Regionen, die am Meer liegen. „In den Küstenregionen lässt sich wie unter einem Brennglas beobachten, wie sich dichte Besiedlung und Industrie, aber auch die hohe Fluktuation von Touristen im Sommer und Winter auf die Verfügbarkeit von Wasser auswirken“, sagt Schwesig.

Venedig steht unter Wasser

Bei starker Flut drückt das Wasser regelmäßig in die Lagune von Venedig und sorgt für Überschwemmungen. Im spanischen Alicante wird im trockenen Sommer enorm viel Trinkwasser zur Versorgung der Touristen gebraucht, die im Winter längst abgereist sind. Und in Ostfriesland gibt es zwar Wasser satt aus der Nordsee. Doch die dort prägende Molkereiwirtschaft braucht salzfreies Süßwasser. IWW und örtliche Partner wollen dort nun Technologien testen, die Molke als Abfallprodukt der Milchverarbeitung zu Trinkwasser aufbereiten.

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„Die Wasserversorgung steht vor zwei Herausforderungen: Klimawandel und demografischer Wandel. Wasser muss in ausreichender Menge und in einer guten Qualität zum richtigen Zeitpunkt an allen Orten verfügbar sein – für den privaten und industriellen Gebrauch. Das zu erreichen, wird zunehmend schwieriger“, erklärt Experte Schwesig den Spagat. Um Antworten auf diese Zukunftsfragen zu finden, bindet das IWW an den sechs ausgewählten Standorten lokale Forschungspartner, Wasserversorger und Abwasserentsorger, Technologieanbieter, Behörden und nicht zuletzt Bürgerinitiativen ein, um von vornherein eine breite Akzeptanz zu schaffen. „Ziel ist es, die vor Ort gefundenen Lösungen am Ende auch auf andere Standorte übertragen zu können“, so Schwesig.

Knappes Trinkwasser für Molkereien in Ostfriesland

B-Smart Water bindet 36 Organisationen in ganz Europa zusammen. Dabei die Fäden aus Mülheim heraus zusammenzuhalten, nennt der technische Leiter des IWW vornehm zurückhaltend „eine große Herausforderung“, zeigt sich aber auch zuversichtlich. „Wir trauen uns das Projekt zu, weil wir nicht zum ersten Mal ein europaweites Projekt koordinieren.“

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Zumal das renommierte Institut im Vorfeld Unterstützung vom ebenfalls in Mülheim ansässigen Beratungszentrum Zenit, das vom Land NRW, Banken und Mitgliedsunternehmen getragen wird, erhalten hatte. „Zenit hat uns bei der Suche nach strategischen Partnern und beim EU-Antragsverfahren unterstützt“, sagt Schwesig. Im Dickicht der EU-Bürokratie eine Hilfestellung, die alle mittelständischen Unternehmen in Nordrhein-Westfalen in Anspruch nehmen können, um an die zahlreichen Fördertöpfe zu gelangen.

Zenit hilft bei EU-Förderanträgen

„Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler. Das gilt auch für die Förderprogramme der EU“, sagt Zenit-Geschäftsführer Karsten Lemke mit einem Augenzwinkern. „Der Gutachter muss den Antrag gut finden. Dafür haben wir die Expertise.“ Dass sich das Mülheimer Wasserinstitut am Ende gegen 68 Wettbewerber in dem harten Bewerbungsverfahren durchgesetzt hat, sei dennoch etwas Besonderes. „Wir haben das IWW unterstützt, um in der Champions League der Forschung mitspielen zu können. Die Erfolgsquote unter den Bewerbungen liegt in dieser Liga bei zehn Prozent“, so Lemke. Die Ansprüche der EU an die Antragsteller seien hoch, „weil Fördergelder einfach knapp sind“.

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In dem Erfolg sieht Jürgen Schnitzmeier, Co-Geschäftsführer bei Zenit, einen Ansporn für weitere kleine und mittlere Betriebe in NRW, ihre Kompetenzen und Technologien europaweit in die Waagschale zu werfen. „In Deutschland und vor allem in NRW ist die Verfügbarkeit von Wasser eine Selbstverständlichkeit. Deshalb ist hier das Problembewusstsein gering. Der Rohstoff Wasser wird aber über die Zukunft großer Teile der Welt entscheiden“, sagt er und formuliert ein Ziel: „Für den Green Deal der EU stehen eine Milliarde Euro Fördergelder bereit. Unser Interesse ist es, möglichst viel davon nach NRW zu holen.“

IWW – Institut für Wasserforschung

Das IWW Zentrum Wasser zählt zu den führenden Instituten in Deutschland für Forschung, Beratung und Weiterbildung in der Wasserversorgung und ist ein An-Institut der Universität Duisburg-Essen und Mitglied der Johannes-Rau-Forschungsgemeinschaft des Landes Nordrhein-Westfalen.

Zum Kreis der IWW-Gesellschafter zählen unter anderem der Deutsche Verein des Gas- und Wasserfaches, die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft RWW in Mülheim, der Essener Ruhrverband und die Mülheimer Innogy Aqua GmbH.