Essen. Mit dem Ende des Bergbaus verändert die RAG die Wasserhaltung unter Tage. Könnten dadurch giftige Stoffe in die Ruhr gelangen?
Aufregung ums Trinkwasser: Der Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke entlang der Ruhr (AWWR) warnt davor, dass deutlich mehr Grubenwasser aus ehemaligen Bergbauschächten in das Gewässer eingeleitet werden könnte als bisher. „Wir werden uns die Planung und die daraus resultierende Folgen noch genauer ansehen, warnen aber jetzt schon vor möglichen negativen Folgen für die Ruhrwasserqualität“, hatte Ulrich Peterwitz anlässlich der Vorstellung des diesjährigen Ruhrgüteberichts erklärt. Der Geschäftsführer der AWWR gibt damit Befürchtungen von Umweltschützern neue Nahrung. Die RAG widerspricht.
Hintergrund: Mit dem Ende der Kohleförderung stellt die RAG die sogenannte Wasserhaltung um. Bislang wird Grubenwasser in ehemaligen Schachtanlagen bis zu einer Tiefe von 1300 Metern abgepumpt. Künftig soll der Wasserspiegel unter Tage auf rund 600 Meter steigen. Die RAG will die Wasserhaltung auf wenige Anlagen konzentrieren.
In Bergwerke im Ruhrgebiet wurde 1,6 Millionen Tonnen industrieller Abfälle verbracht
Der Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) warnt bereits seit Jahren davor, dass durch den Anstieg des Wasserspiegels gesundheitsgefährdende Schadstoffe ins Grubenwasser und damit in die Gewässer gelangen könnten. Denn von Mitte der 1980er Jahre bis 2006 waren insgesamt 1,6 Millionen Tonnen industrieller Abfälle in elf Bergwerken verbracht worden. Schwermetallhaltige Filterstäube aus der Hausmüllverbrennung wurden mit Wasser zu einer zementartigen Masse vermischt in Hohlräume verpresst.
Anlass zu Sorge geben laut BUND auch PCB-haltige Hydrauliköle. Der nicht brennbare Schmierstoff war von 1964 bis 1986 unter Tage verwendet worden - aus Gründen des Brandschutzes. Bis zu 15.000 Tonnen PCB sollen zurückgeblieben seien.
Ein Gutachten im Auftrag des Landes schließt Risiken für Gewässer aus
Ein 2018 im Auftrag der Landesministerien für Umwelt und Wirtschaft vorgelegtes Gutachten schließt Risiken für Gewässer dennoch aus, sollte der Grubenwasserpegel steigen. Zink würde demnach frühestens in 1000 Jahren freigesetzt, Blei sogar erst in 12.000 Jahren. Der PCB-Gehalt im Grubenwasser lässt sich laut Gutachten nicht genau abschätzen. Die Autoren gehen aber davon aus, dass der PCB-Anteil mit der Zeit sinken wird. Der BUND ist nicht überzeugt und warnt vor langfristigen Folgen für die Umwelt.
Die elf Steinkohlebergwerke liegen im nördlichen Ruhrgebiet, im Einzugsgebiet von Lippe und Emscher. Grubenwasser soll zukünftig in den Rhein gepumpt, allen voran zum Schutz der Emscher, wie die RAG betont. Das ist weit entfernt von der Ruhr. Dort will die RAG es bei den drei Stellen belassen, an denen bereits seit Jahrzehnten Grubenwasser in den Fluss geleitet wird. Es handelt sich um die stillgelegte Zeche Heinrich in Überruhr-Holthausen und zwei ehemalige Schachtanlagen in Bochum.
Laut RAG ist das Grubenwasser nirgendwo so unbelastet wie an der Ruhr
Nirgendwo sei das Grubenwasser so unbelastet wie an der Ruhr, betont RAG-Sprecher Christof Beike. Stammt es dort doch anders als im nördlichen Ruhrgebiet aus dem Kohleabbau nahe der Oberfläche. Würde es nicht abgepumpt, flösse es unterirdisch nach Norden ab und wäre stärker belastet als es heute ist. Dass PCB oder andere Schadstoffe über das Grubenwasser in die Ruhr gelangen könnten, schließt Beike aus. „Wo soll es auch herkommen?“
Aufseiten der Wasserwerkbetreiber bleibt man skeptisch. Grubenwasser sei auf jeden Fall salzhaltiger. „Man weiß nicht, was sonst noch kommt“, sagt Markus Rüdel, Sprecher des Ruhrverbandes.
Laut AWWR soll die Menge an Grubenwasser in der Ruhr von derzeit 25 Millionen Kubikmeter pro Jahr auf 40 Millionen Kubikmeter steigen. Die Arbeitsgemeinschaft bezieht dabei auf Informationen aus dem Landtag, so Geschäftsführer Peterwitz. Die RAG erklärt auf Anfrage dazu, es bestehe keinesfalls die Absicht mehr Grubenwasser in das Gewässer einzuleiten.
Beantragt werden soll allerdings eine Genehmigung, die es erlauben würde bis zu 38 Millionen Kubikmeter einzuleiten - als Puffer mit Blick auf mögliche Starkregenereignisse, so Beike. Das wäre immer noch deutlich weniger als jene 65 Millionen Kubikmeter, die heute laut noch gültigem Wasserrecht theoretisch abgepumpt werden könnten, betont RAG-Sprecher. Dieser Rahmen sei noch nie ausgeschöpft worden.
Beruhigen kann das die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke nicht. Noch gibt es Gesprächsbedarf. Die Wasserqualität der Ruhr habe sich in den vergangenen Jahren immer weiter verbessert, auch weil immer weniger Grubenwasser eingeleitet worden sei, betont Ulrich Peterwitz. „Wenn es dabei bleibt, sind wir alle glücklich.“
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