Mülheim. An der EU-Bürokratie gibt es viel. Die Berater von Zenit in Mülheim sind aber davon überzeugt, dass der NRW-Mittelstand von Europa profitiert.

. Europa ist längst zusammengewachsen. Doch harmonisch geht es auf dem EU-Binnenmarkt längst nicht zu. Der Dachdecker aus Duisburg muss die niederländischen Vorschriften für die Montage eines Baugerüsts und die Arbeitsschutzbestimmungen kennen, wenn er im nahen Venlo einen Auftrag annimmt. „Ohne die Europäische Union würde aber alles noch viel komplizierter und zeitaufwändiger“, sagt Karsten Lemke, der neue Geschäftsführer des Zentrums für Innovation und Technik (Zenit) in Mülheim. Bei der vom Land NRW, Banken und Mittelständlern getragenen Beratungsgesellschaft laufen bundeslandweit die Fäden für europäische Netzwerke und Förderprogramme zusammen, die kleinen und mittleren Unternehmen zwischen Rhein und Weser Türen in Europa öffnen sollen.

„Mittelständler förmlich zum Jagen tragen“

Lemke kennt den Alltag von Mittelständlern. Seit 1997 ist er bei Zenit als Berater tätig. Er kommt ins Spiel, wenn es darum geht, Unternehmen bei der Entwicklung neuer Technologien und Innovationen an die Hand zu nehmen. „Manchmal muss man die Mittelständler förmlich zum Jagen tragen“, sagt der Geschäftsführer.

„In einem Betrieb mit kleiner Mannschaft und vollen Auftragsbüchern fehlt oft die Zeit, sich mit Innovationen und Strategien zu beschäftigen. Konzerne dagegen haben dafür ganze Abteilungen“, berichtet auch Zenit-Berater Tim Schüürmann. Dabei nimmt die EU eine ganze Menge Geld in die Hand, um kleine und mittlere Unternehmen, Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu unterstützen. Allein das Programm Horizon 2020 stellt im Zeitraum 2014 bis 2020 EU-weit rund 80 Milliarden Euro Fördermittel bereit.

Türöffner für Europa

Doch beim Erschließen neuer Märkte und der Entwicklung von Innovationen kommt es nicht allein auf die Finanzen an. Die rund 765.000 Mittelständler, 72 Hochschulen und 50 unabhängigen Forschungszentren in NRW brauchen in der Regel auch grenzüberschreitende Partner und Türöffner, die sich in anderen Ländern auskennen. Um sie kümmert sich das von der EU gegründete Enterprise Europe Network (EEN). Anlaufstelle in NRW sind seit 2008 die Zenit GmbH, die NRW-Bank und die Außenwirtschaftsförderung NRW-International. Vom Sitz in der Mülheimer Zenit-Villa aus pflegt das Netzwerk Kontakte zu mehr als 600 wirtschaftsnahen Organisationen, Handwerks- sowie Industrie- und Handelskammern in über 60 Ländern. Die Datenbank von EEN verknüpft Informationen aus mehreren Tausend Unternehmen und Forschungseinrichtungen. In den zurückliegenden Jahren hat Zenit über EEN rund 7000 Unternehmen beraten.

„Wir nehmen den Mittelständlern die Recherche ab, suchen Partner und sondieren Märkte für mögliche innovative Produkte“, sagt Berater Schüürmann. „Bis zur möglichen Antragstellung auf eine finanzielle Förderung ist die Beratung für die Unternehmen kostenlos“, betont er. Die Experten von Zenit raten dazu, die Entwicklung von Innovationen als Daueraufgabe im Mittelstand zu begreifen. „Die Zyklen für Produktneuheiten werden immer kürzer“, erklärt Zenit-Chef Lemke. Er verweist auf den geplanten Austritt Großbritanniens aus der EU. „Die Unternehmen sollten schon jetzt überlegen, welche neuen Märkte für sie in Frage kommen, wenn nach dem Brexit der britische Markt einbrechen sollte“, rät er.

Kontakte nach Asien geknüpft

Auf der Internetseite und in Broschüren sind positive Beispiele von NRW-Unternehmen nachzulesen, die das Netzwerk EEN erfolgreich genutzt haben. So hat die Firma Novihum mit Mitteln aus dem Programm Horizon 2020 in Dortmund eine Pilotanlage aufgebaut, um einen hochwertigen Humus zur Bodenverbesserung in der Landwirtschaft zu entwickeln. Und das westfälische Unternehmen Enviplan hat über das Netzwerk Kontakte nach China geknüpft und beliefert das Land nun mit Technologie zur Wasseraufbereitung. Denn, so Berater Schüürmann, auch darauf müsse sich der Mittelstand einstellen: „Das größte Wachstum der nächsten Jahre wird außerhalb Deutschlands und der EU erwartet.“ Deshalb hat das Netzwerk etwa auch Kontakte nach Asien geknüpft.