Essen. Eine Strafanzeige gegen seine Schwestern verschärft den Erbenstreit bei Aldi Nord. Die Diskussion über eine Fusion mit Aldi Süd keimt wieder auf.

An der Autobahn A 40 in Essen-Kray wächst der Aldi-Nord-Campus. Die neue Zentrale für den Discounter soll früher fertiggestellt sein als geplant, heißt es im Unternehmen. Die Freude über den erwarteten Umzug aber trügt. Hinter den Kulissen spitzt sich der Streit unter den Erben des Aldi-Mitgründers Theo Albrecht zu. Eine Strafanzeige wegen Untreue heizt den Familienzwist noch weiter an.

Seit Jahren waren die Fronten geklärt: Theo Albrecht junior, der Sohn des gleichnamigen Mitgründers, ringt mit den Erben seines verstorbenen Bruders Berthold um den Einfluss im Unternehmen. Doch inzwischen wühlt der Unfrieden auch den Familienstamm um Bertholds Witwe Babette und ihre fünf Kinder auf. Sohn Nicolay soll seine drei Schwestern und deren Rechtsanwalt angezeigt haben.

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Der Untreue-Vorwurf, der im Raum steht: Die Vier sollen im vergangenen Jahr unrechtmäßig rund 25 Millionen Euro aus der Jakobus-Stiftung entnommen haben. Jakobus ist neben Markus und Lukas eine von drei Stiftungen, in denen das Milliarden schwere Firmenvermögen von Aldi Nord verwaltet wird. Theo Albrecht jr. hat die Kontrolle über die Markus- und über die Lukas-Stiftung, die Erben Bertholds über die Jakobus-Stiftung. Da bedeutende Investitionsentscheidungen wie zuletzt die über fünf Milliarden Euro teure Modernisierung aller mehr als 2300 Filialen in Deutschland einstimmig beschlossen werden müssen, wird Theo nachgesagt, auch das Sagen in der Jakobus-Stiftung haben zu wollen. Über Satzungsfragen gibt es einen jahrelangen Gerichtsstreit.

Strafanzeige gegen Schwestern und Anwalt

Die Albrechts scheuen nichts so sehr wie die Öffentlichkeit. Über den Machtkampf dringt nur dann etwas nach draußen, wenn eine Seite Informationen gezielt durchsticht. So wurde bekannt, dass im August eine Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Kiel eingegangen war. Die Jakobus-Stiftung hat ihren Sitz in Schleswig-Holstein. Über Absender und Adressaten will sich Oberstaatsanwalt Henning Hadeler nicht äußern. Er bestätigt lediglich, dass ihm eine Strafanzeige gegen vier Personen wegen des Verdachts auf Untreue vorliege. „Wir prüfen jetzt, ob ein Anfangsverdacht vorliegt“, sagte der Oberstaatsanwalt unserer Redaktion. Er spricht von einer „dünnen Erkenntnislage“. Die Anzeige sei aufgrund ihrer Form wenig aussagekräftig, so Hadeler.

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Eine Bestätigung, dass Nicolay Albrecht seine Schwestern und deren Anwalt vor Gericht bringen will, gibt es von der Staatsanwaltschaft nicht. Dafür sprießen umso mehr Gerüchte und Spekulationen. Die Familie soll intern seit längerem über Kreuz liegen und Nicolay bei der letzten Ausschüttung aus der Jakobus-Stiftung nicht berücksichtigt worden sein. Es werden aber auch Zweifel kolportiert, ob dem Mann überhaupt zuzutrauen sei, eine solche Anzeige zu formulieren. Dabei spielten auch Emotionen eine Rolle, heißt es.

Streit um Millionen-Ausschüttung aus der Jakobus-Stiftung

Im Kern wird die Staatsanwaltschaft prüfen müssen, ob die jährliche Ausschüttung in Millionenhöhe an Mitglieder des Stiftungsrats rechtens ist oder nicht. Nach dem Tod von Berthold Albrecht im Jahr 2010 hat es eine Reihe von Klagen und Urteile über die Besetzung des Stiftungsrats gegeben. Im vergangenen Jahr hatte das Oberverwaltungsgericht Schleswig entschieden, dass die Jakobus-Stiftung von zwei Familienmitgliedern, einem Vertreter der Aldi-Geschäftsführung und einem Rechtsanwalt zu führen sei. Der Platz des Unternehmensvertreters blieb aber unbesetzt. Der Grund ist offen. Auf Anfrage teilte Aldi Nord am Freitag mit: „Der Verwaltungsrat der Unternehmensgruppe Aldi Nord hat mehrmals einen Vertreter zur Bestellung als Vorstandsmitglied der Jakobus-Stiftung benannt.“ Warum es nicht zu der Bestellung kam, bleibt offen. Um beschlussfähig zu sein, war eine dritte Albrecht-Schwester in das Gremium eingezogen.

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Die Staatsanwaltschaft Kiel wird jetzt zu ermitteln haben, ob diese Konstellation im Stiftungsrat rechtmäßig ist. Das Magazin „Business Insider“ zitiert aus einem Schreiben der Stiftungsaufsicht Schleswig von Ende August 2019. Darin warnt die Behörde davor, Gelder auszuschütten, solange der Vorstand nicht rechtmäßig besetzt ist. Die Erben von Berthold Albrecht argumentieren dem Vernehmen nach allerdings, dass sie den Stiftungsrat rechtmäßig besetzt hätten, weil Aldi Nord ja auf die Entsendung eines Vorstandsmitglieds verzichte.

Debatte um Fusion mit Aldi Süd

Dabei hatte Berthold Albrecht kurz vor seinem Tod verfügt, dass der Einfluss seiner Familie auf die Jakobus-Stiftung begrenzt werden solle. Die Änderung des Testaments hatten seine Erben anfechten wollen, waren damit vor Gericht aber gescheitert.

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Angesichts der verfahrenen Lage wird nun die Sorge laut, dass das Unternehmen unter dem Dauerstreit leiden könnte. Mit einigem Argwohn wird in Essen beobachtet, dass die Schwester Aldi Süd im benachbarten Mülheim wirtschaftlich erfolgreicher ist und das modernere Filialkonzept anbiete. Einkauf und Werbung haben beide Discounter bereits weitgehend zusammengelegt, zuletzt auch ihre Eigenmarken vereinheitlicht. Aus dem Umfeld der drei Albrecht-Schwestern im Vorstand der Jakobus-Stiftung ist zu hören, dass sie einer Fusion der beiden Unternehmen nicht im Wege stehen würden.

Bereits im Februar hatte das „Manager Magazin“ aus einem internen Papier zitiert, in dem von der Gründung einer „Nord-Süd-Gesellschaft“ im Jahr 2022 die Rede ist. Sie solle Doppelarbeiten und „Redundancen“ der beiden Unternehmen überflüssig machen und die Profitabilität verbessern. Ein Szenario, das Theo Albrecht jr. augenscheinlich verhindern will. Es würde seinen Einfluss im Familienkonzern schmälern, der bis zum Jahr 1961 eine Einheit gewesen war. Der Kampf um die Macht bei Aldi geht also weiter.