Essen. . Nach über 20 Jahren verlässt Marc Heußinger den Discounter Aldi Nord. Offenbar gab es Differenzen mit der Familie über die Modernisierungswelle

Die Nachricht traf die Mitarbeiter in der Essener Konzernzentrale völlig unvorbereitet: Nach mehr als 20 Jahren in führenden Positionen beim Discounter hat Aldi-Nord-Chef Marc Heußinger seinen sofortigen Rücktritt erklärt. Den Posten des Verwaltungsratsvorsitzenden übernimmt bis auf weiteres sein bisheriger Stellvertreter Torsten Hufnagel.

Über die Gründe für die überraschende Rochade machte Aldi Nord keine Angaben. In einer kurzen Erklärung heißt es lediglich, der 52-jährige Heußinger habe „darum gebeten, ihn von seiner Funktion und seinen Aufgaben zu entbinden“. Mit Hufnagel (45) an der Spitze sei Aldi Nord „voll handlungsfähig“.

Heußinger trieb die Expansion des Unternehmens voran

Die Gründe für Heußingers Demission müssen gravierend sein. So lange wie kaum ein anderer Spitzenmanager hat er die Expansion des Essener Discounters vorangetrieben. Heußinger war 1996 zu Aldi Nord gekommen und arbeitete zunächst in der Regionalgesellschaft Datteln. Eine steile Karriere katapultierte ihn schließlich in den Verwaltungsrat, dessen Vorsitz er 2011 übernahm.

Heußinger verordnete dem Konzern eine Rosskur. Als er das Ruder übernahm, hinkte Aldi Nord wirtschaftlich gewaltig hinter dem Mülheimer Schwesterunternehmen Aldi Süd hinterher. Auch die dunklen Filialen und das karge Sortiment waren nicht mehr zeitgemäß.

Investitionen stoßen auf Kritik innerhalb der Familie

Unter seiner Führung legte der Discounter das mehr als fünf Milliarden Euro schwere Projekt ­Aniko (Aldi Nord Instore Konzept) auf, in Zuge dessen alle 2300 Märkte in Deutschland aufwendig modernisiert werden sollen. Doch die größte Investition in der Unternehmensgeschichte stieß nicht bei der gesamten Inhaber-Familie auf Gegenliebe.

Während Markus- und Lukas-Stiftung, die Cäcilie Albrecht, Witwe des Aldi-Mitgründers Theo Albrecht, und ihr Sohn Theo Albrecht Junior kontrollieren, sofort zustimmten, hatte die Jakobus-Stiftung Bedenken. In ihr haben die Kinder von Babette und Berthold Albrecht, 2012 gestorbener Sohn des Discounter-Gründers, das Sagen. Am Ende gab dann aber auch die Jakobus-Stiftung grünes Licht für den Filialumbau.

Das Milliarden-Projekt habe zuletzt zu Auseinandersetzungen in der Führungsspitze geführt, meldet die Deutsche Presse-Agentur. Heußinger sei im Unternehmen, aber auch von den Eigentümerfamilien vorgeworfen worden, er setze das vor einem Jahr beschlossene Modernisierungsprogramm nicht zügig genug um. Zudem blieben die Wachstumsraten des Discounter hinter den Erwartungen, hieß es.

Umbau in 40 Filialen wöchentlich

Heußinger seinerseits soll sich darüber beklagt haben, dass seine Entscheidungen immer wieder angezweifelt und er bei der Umsetzung behindert worden sei. Aus seinem Umfeld heißt es, er habe den Eindruck gehabt, dass die Jakobus-Stiftung, die ein Drittel von Aldi Nord besitzt, ihm kein Vertrauen mehr entgegenbringe. Ein Firmensprecher wollte die Informationen nicht kommentieren.

60 000 Mitarbeiter in Europa

Aldi Nord ist mit mehr als 60 000 Mitarbeitern in Deutschland, den Niederlanden, Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Spanien, Portugal und Polen mit Discountern vertreten.

Zuletzt haben die Essener ihre Zusammenarbeit mit Aldi Süd in Mülheim auch im Einkauf verstärkt.

Das Unternehmen hatte zuletzt berichtet, dass wöchentlich 40 Filialen umgebaut würden und das Finale im Frühjahr 2019 zu erwarten sei. „Der Modernisierungskurs geht mit Vollgas weiter. Es gibt keinen Entscheidungsstau“, sagte ein Insider dieser Zeitung.

Auch die Planungen für den Neubau des Aldi-Campus in Essen seien auf einem guten Weg. Die Fäden dafür hält nun erst einmal Heußingers bisheriger Vize Hufnagel in der Hand. Auch er ist ein Aldi-Eigengewächs und bereits seit 20 Jahren im Unternehmen. Medienberichten zufolge hat der 45-Jährige gute Chancen im Rennen um die endgültige Besetzung des Chefsessels. Dafür spreche, dass er als Architekt des milliardenschweren Modernisierungsprogramms gilt.