Düsseldorf. Mehr Ausbildung, Verlängerung der Westbalkanregelung und Stärkung der Kommunalfinanzen – so will NRW-Ministerin Ina Scharrenbach den Bau stärken.

Landesbauministerin Ina Scharrenbach (CDU) wirbt für mehr Ausbildung, aber auch für weitere Arbeitsmigration aus dem Westbalkan, um den Fachkräftemangel auf dem Bau zu bekämpfen. Im Gespräch mit unserer Zeitung trat sie zudem Befürchtungen der Bauindustrie und des Handwerks entgegen, die einen Einbruch bei den öffentlichen Aufträgen befürchten. Damit das nicht geschieht, plädiert sie allerdings dafür, die Städtehaushalte auch im kommenden Jahr zu stützen.

Die Arbeitsplatzverluste im Baugewerbe seien nach der großen Krise 2008/09 bis heute nicht wettgemacht worden. Die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise traf seinerzeit den Bau besonders hart. Als die Branche sich dann erholte, fehlten ihr Arbeitskräfte. Auch wegen dieses Fachkräftemangels sei es im zurückliegenden Aufschwung der letzten Jahre zu „extrem vollen Auftragsbüchern“ und in der Folge zu langen Wartezeiten auf einen Handwerker gekommen, sagt Scharrenbach.

Bau setzt auf Arbeiter aus dem Westbalkan

Damit den Baustellen nicht die Arbeiter ausgehen, setzt sie sich auch dafür ein, die Westbalkan-Regelung zu verlängern. Diese ermöglicht es Menschen aus Balkanländern, die nicht der EU angehören, vor allem Kosovo, Albanien, Bosnien-Herzegowina und Nordmazedonien, in Deutschland auch ohne formale Qualifikation zu arbeiten. Ihnen muss nur ein Jobangebot aus Deutschland vorliegen. Das nutzen besonders die Pflegebranche und der Bau, weil sie auf die Arbeitskräfte dringend angewiesen sind, doch die Regelung läuft Ende des Jahres aus.

NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach sieht optimistisch in die Zukunft der Branche, allerdings fehlen dem Bau Fachkräfte.
NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach sieht optimistisch in die Zukunft der Branche, allerdings fehlen dem Bau Fachkräfte. © FUNKE Foto Services | Michael Dahlke

„Ich hoffe, dass die Verlängerung kommt, damit der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt aufrechterhalten bleibt. Dafür hat sich auch NRW stark gemacht“, sagt Scharrenbach. Die große Koalition in Berlin hat sich des Themas angenommen und will die Westbalkanregelung um drei Jahre verlängern, plant aber eine Deckelung von 25.000 Visa pro Jahr. Der Bundesrat muss dem noch zustimmen.

Angesichts landesweit Tausender noch unbesetzter Lehrstellen im Baugewerbe wirbt Scharrenbach auch für eine Ausbildung in einem der vielen Bauberufe. Den jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zufolge sind aktuell noch rund 2900 Ausbildungsplätze im Baugewerbe frei. Bei nur noch rund 2500 suchenden Bewerbern zeichnet sich ab, dass die Betriebe auch in diesem Jahr für Hunderte angebotene Lehrstellen niemanden finden werden. Dass die meisten Jugendlichen studieren wollen, liege auch an mangelndem Wissen über die guten Aufstiegsmöglichkeiten im Handwerk, betont die Ministerin, und fügt an: „Ein Meister ist manchmal mehr wert als ein Master.“

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Die Sorgen der Branche vor einer Auftragsflaute der öffentlichen Hand, vor allem der Kommunen, teilt die Ministerin so nicht. „Die Kommunen haben riesige Investitionen in der Planung und es sind genügend Programme da, die das unterstützen.“ Zum einen hat die Landesregierung die Vergabe öffentlicher Aufträge erleichtert, indem die Grenzen für Bauaufträge, bis zu denen sie ohne europaweite Ausschreibung vergeben werden dürfen, deutlich angehoben hat. „Die Kommunen in NRW haben damit bundesweit die größte Handlungsfreiheit bei der Auftragsvergabe“, so Scharrenbach. Diese Regelung gilt seit Juli und die Kommunen nutzten sie, berichtet die Ministerin, ohne bereits Zahlen nennen zu können.

Ministerium übernimmt Eigentanteile der Kommunen zu 100 Prozent

Zum anderen betont Scharrenbach, dass ihr Ministerium die Eigenanteile der Kommunen im geförderten Städtebau bis zum Jahresende komplett übernimmt. „Das hat es noch nie gegeben“, sagt sie. Für die Übernahme der Eigenanteile nimmt das Land 132 Millionen Euro in die Hand. Forderungen etwa von Verbänden der Bauindustrie nach einer dauerhaften Senkung oder Abschaffung der Eigenanteile lehnt sie aber ab. Es gehe darum, in diesem von der Pandemie geprägten Jahr Investitionssicherheit zu schaffen. Grundsätzlich sei es aber richtig, die Kommunen nach ihren Möglichkeiten mit 10 bis 50 Prozent an der Finanzierung geförderter Projekte zu beteiligen.

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Scharrenbach weiß aber, dass die Hilfen von Bund und Land für die Kommunen nur für 2020 gelten und im kommenden Jahr neue Haushaltslöcher drohen. Im kommunalen Finanzausgleich, der zeitversetzt an die Einnahmen von Bund und Land gekoppelt ist, werden 2021 viele Milliarden fehlen, wenn die Politik nicht gegensteuert. Genau das fordert Scharrenbach nun: „Wenn wir Einschnitte bei den freiwilligen Investitionen der Kommunen verhindern wollen, müssen wir die Gemeindefinanzen 2021 stabilisieren.“ Wie das im Detail geschehen solle, sei noch offen. Als Grundlage dafür müsse man die Sondersteuerschätzung in zwei Wochen abwarten.