Essen. Altmaier will Kabelverträge nicht mehr als Betriebskosten gelten lassen. Wohnungskonzerne wie LEG und Vonovia warnen vor Folgen für arme Mieter.

Je mehr neue Badewannen eine Wohnungsgesellschaft einkauft, desto günstiger wird das einzelne Exemplar. Ähnliche Rahmenverträge schließen große Vermieter mit Betreibern von Kabelnetzen. Der Vorteil für die Kunden: Sie können bis zur Hälfte der Gebühren sparen, sind dafür aber auf einen Anbieter festgelegt. Die Umlage auf die Betriebskosten ist für Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) aber ein „Relikt“ aus der Vergangenheit, das er abschaffen will.

Die LEG ist der größte Vermieter in NRW. Rund 115.000 Haushalte hat der Düsseldorfer Konzern mit leistungsfähigen Anschlüssen aus Glasfaser und Koaxialkabeln ausgestattet. Vorstand Volker Wiegel bezeichnet das bisherige Umlageverfahren als „Erfolgsmodell“. Es habe dazu geführt, dass die LEG „viele Millionen Euro“ wirtschaftlich investiert habe. „Die LEG-Kunden sparen beispielsweise durch ,Großhandelspreise‘ durchschnittlich 50 Prozent gegenüber einem Einzelvertrag. Das sind rund elf Euro pro Monat. Zusätzlich haben sie die Möglichkeit, Internetanschlüsse mit schnellen Bandbreiten von bis zu einem Gigabit zu buchen“, berichtet Wiegel.

LEG: Ohne Umlagefähigkeit stockt Glasfaser-Ausbau

Von den günstigen Preisen können seine Mieter profitieren, weil der Konzern einen Rahmenvertrag mit einem Anbieter ausgehandelt hat. Von einer Abschaffung des Umlageverfahrens hält der LEG-Vorstand deshalb gar nichts. „Die geplante Streichung der Umlagefähigkeit in der Novelle nimmt generell allen anbietenden Wohnungsunternehmen und somit auch der LEG die Planungssicherheit und hemmt damit den Glasfaserausbau insgesamt“, fürchtet er.


Auch bei Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia schüttelt man nur den Kopf über Altmaiers Vorstoß. „Bereits heute haben wir mehr als 30.000 Wohnungen mit Glasfaser bis an die Gebäude ausgestattet. Ohne Kalkulationssicherheit durch die Umlagefähigkeit wird der Breitbandausbau erheblich ausgebremst“, sagt ein Unternehmenssprecher. Vonovia warnt vor den sozialen Auswirkungen: „Sind die Kabelgebühren nicht mehr Teil der Betriebskosten, werden diese auch nicht weiter über das Wohngeld abgedeckt. Diese Haushalte könnten so den Zugang zu öffentlich-rechtlichen Medien verlieren“, heißt es aus der Bochumer Konzernzentrale.

Vodafone: Dann wird Kabel-TV für viele zu teuer

„Fernsehen könnte dann für viele Menschen zum Privileg werden“, warnt auch Stephan Korehnke, Bereichsleiter Regulierung bei Vodafone Deutschland. Das Düsseldorfer Unternehmen ist nach eigenen Angaben der Telekommunikationsanbieter, der die meisten Sammelverträge mit Wohnungskonzernen abgeschlossen hat. „Leidtragende der Gesetzesänderung wären vor allem die sozial Schwachen, weil sie Fernsehen nur noch über teurere Einzelverträge empfangen könnten“, erklärt Korehnke.


„Die Auswirkungen einer Gesetzesänderungen würden alle Unternehmen spüren, die Fernsehen über Netze verteilen“, sagt Thomas Braun, Präsident des Branchenverbands Anga, der mehr als 200 Konzerne wie Telekom und Vodafone, aber auch regionale Anbieter vertritt. Der Nachholbedarf beim Ausbau der Breitbandnetze in Deutschland ist groß. „Ohne Kalkulationssicherheit wird sich der Ausbau von ultraschnellen Netzen erheblich verzögern“, prophezeit Braun.

Seehofer hat Zweifel an Altmaiers Plan

Ob die von Altmaier geplante Novelle des Telekommunikationsgesetzes eine Mehrheit bekommen wird, ist indes noch offen. Nach Informationen unserer Redaktion hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erhebliche Zweifel. Gegenwind bekommt der Wirtschaftsminister auch aus NRW. „Eine Änderung der Betriebskostenverordnung hätte besonders für finanziell schwächer ausgestattete Haushalte negative Folgen“, sagte Landesbauministerin Ina Scharrenbach (CDU) dieser Zeitung. Für Transferhaushalte übernehme der Sozialhilfeträger die Kosten für den TV-Anschluss als Kosten der Unterkunft. Scharrenbach: „Würde die Umlagefähigkeit entfallen, müssten solche Mieter den TV-Anschluss künftig aus der eigenen Tasche zahlen.“

Widerstand gegen Altmaiers Pläne kündigt auch der Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen an. Bei aller inhaltlichen Kritik an der geplanten Gesetzesnovelle hat sein Präsident Axel Gedaschko auch juristische Bedenken. Ein „Eingriff in Bestandsverträge zur Versorgung der Wohnungswirtschaft mit TV- und Breitbanddienste“ würde „in erheblicher Weise Grundrechte beeinträchtigen“ und wäre deshalb rechtswidrig, sagte er.