Essen. 20 Jahre EEG-Förderung nähern sich für die Ökostrom-Pioniere dem Ende. Ob und zu welchen Bedingungen ihre Anlagen weiterlaufen können, ist offen.
Die Sonne scheint, die rosa Stockrosen recken sich ihr entgegen, die Solarmodule lassen den Zähler rotieren. Klaus Berau sitzt im blühenden Garten seines Einfamilienhauses in Dortmund-Eving und weiß nur Gutes über seine Photovoltaik-Anlage zu berichten. Er war einer der ersten, die sich eine aufs Dach geschraubt haben. Seit 20 Jahren liefert die Anlage nun verlässlich Strom, „heute so viel wie damals“. Doch jetzt hat Berau die Kündigung erhalten von seinem Netzbetreiber: Stand jetzt darf er ab Silvester seinen Strom nicht mehr einspeisen.
So wie dem Dortmunder ergeht es derzeit Tausenden Betreibern kleiner Solaranlagen. Während Deutschland aus Atom- und Kohlestrom aussteigen und ganz auf Grünstrom setzen will, droht intakten Solaranlagen das Aus. 2001 schalteten bundesweit 18.300 Hauseigentümer mit Inkrafttreten des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) ihre Solaranlagen an. Mit der Sicherheit, ihren Strom 20 Jahre lang auskömmlich vergütet zu bekommen. Die sind jetzt fast um, und nun? „Ich habe damals schon gefragt, was passiert, wenn die Förderung ausläuft“, erzählt Berau, „die Antwort lautete. Machen Sie sich keine Sorgen, dann wird weiter gefördert“.
Kündigung vom Netzbetreiber ist schon da
Doch davon ist heute keine Rede mehr. Kein halbes Jahr vor dem Ende der Förderung ist nicht einmal geregelt, ob und wie die Altanlagen überhaupt weiterlaufen dürfen. Das hat Berau schriftlich von seinem Netzbetreiber: „Der Gesetzgeber hat noch nicht entschieden, wie genau der Weiterbetrieb von EEG-Anlagen dieser Art ab dem kommenden Jahr erfolgen soll“, schreibt ihm die Dortmunder Netz GmbH.
„Wenn 2021 die ersten Anlagen aus der EEG-Förderung fallen, droht deren Ende – und damit der Wegfall sauberer Energie. Es braucht dringend eine Perspektive für die Betreiber“, fordert Mona Neubaur, NRW-Chefin der Grünen. Laut Umweltbundesamt läuft bis 2025 bei 176.000 Photovoltaik-Anlagen die Förderung aus, zusammen kommen sie auf eine Leistung von zwei Gigawatt. Das entspricht zweimal Datteln 4, Deutschlands größtem Steinkohlekraftwerk, das in diesem Sommer unter heftigen Protesten von Klimaschützern ans Netz gegangen ist.
Solarverband fordert politische Lösung
„Wenn wir die selbst gesetzten Klimaziele erreichen wollen, können wir auf den Weiterbetrieb dieser solaren Kraftwerksleistung nicht verzichten“, sagt Carsten König, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands Solarwirtschaft. Es würde bei den Bürgern auf großes Unverständnis stoßen, würden Tausende funktionstüchtige Solaranlagen ohne Not abgeschaltet, sagt er.
Verschenken verboten
Damit das Stromnetz stabil bleibt, muss soviel eingespeist werden wie auch verbraucht wird. „Wildes Einspeisen“ ohne Anmeldung und Dokumentation würde den Netzbetreibern die Beibehaltung dieses Gleichgewichts erschweren und ist deshalb verboten.
Ihren Strom einfach zu verschenken und ohne Vermarkter weiter einzuspeisen, ist für die Solardach-Besitzer deshalb auch keine Option, sie würden sich damit strafbar machen.
Was aber steht dem Weiterbetrieb im Weg? Das Bundeswirtschaftsministerium weist auf Anfrage unserer Redaktion darauf hin, dass dies auch nach geltendem Recht möglich ist: Die Betreiber können den Strom selbst verbrauchen oder ihn am Strommarkt selbst vermarkten. Nur ist beides vielen nicht möglich oder würde zu einem Minusgeschäft.
Förderung der Speicher ausgelaufen
Für den Eigenverbrauch braucht es Batteriespeicher, um den an sonnigen Tagen überschüssigen Strom aufzufangen. Die Förderung solcher Speicher ist 2018 ausgelaufen, ohne sie sind die Kosten kaum zu erwirtschaften. Zumal die Solarpioniere auf ihren selbst erzeugten Sonnenstrom auch noch eine Ökostromumlage von rund drei Cent je KW/h zahlen müssten, was der Branchenverband „geradezu absurd“ nennt. Das findet auch Grünen-Politikerin Neubaur und fordert „einen unbürokratischen Zuschuss zur Umstellung auf Eigenverbrauch und eine Streichung der EEG-Umlage für Eigenverbrauchsstrom“.
Auch interessant
Wer seinen Strom ganz oder teilweise weiter ins Netz einspeisen will, braucht dafür einen Vermarkter. „Ich habe etliche angesprochen, bin aber überall auf Ablehnung gestoßen“, berichtet Berau. Seine Anlage mit 2,4 Kilowattstunden Spitzenleistung ist schlicht zu klein – „unter 100 vermarktet das keiner“. Zumal viele Erzeuger modernere Zähler bräuchten, etwa um die Einspeisung viertelstündlich messen zu können. Die Bedingungen der Direktvermarktung müssen vereinfacht werden, meint Grünen-Chefin Neubaur, etwa durch eine vollständige Digitalisierung der Kommunikation zwischen Abnehmer und Anlagenbetreiber.
Ministerium setzt auf Anlagen-Pools
Die Probleme der kleinen Anlagenbetreiber, ihren Strom selbst zu vermarkten, sind dem Ministerium bekannt. Es erklärt dazu, es gebe verstärkt Hinweise aus der Branche, dass „einige Akteure kleinere Anlagen poolen wollen und so die Direktvermarktung organisiert werden könnte“. In der anstehenden Novelle des EEG „werden wir das Thema aufgreifen“, heißt es aus dem Ministerium von Peter Altmaier (CDU). Lohnen würde es sich für die meisten aber auch dann nicht, weil die Vermarktungskosten die Einnahmen übersteigen.
Auch interessant
Das Umweltbundesamt hat daher vorgeschlagen, den Solareinspeisern zumindest den Marktwert von etwa drei bis vier Cent zu garantieren. Darauf geht das Wirtschaftsministerium bisher nicht ein. Die EEG-Novelle sollte eigentlich bis zum Sommer stehen, doch die Corona-Krise kam dazwischen. Nun wird es freilich langsam knapp. Der Bundesverband Solarwirtschaft fordert die Regierung auf, „mit einer entsprechenden Gesetzesänderung noch in diesem Herbst Solaranlagenbetreibern die Möglichkeit für einen Weiterbetrieb ihrer Ü20-Solardächer zu ermöglichen“.
Batterie für 10.000 Euro rechnet sich nicht
Klaus Berau will seine Anlage nicht abschalten, sondern lieber einen Speicher für rund 10.000 Euro anschaffen. „Das wird sich nicht rechnen, aber mich glücklich machen“, sagt er. „Die Vorstellung, mich selbst zu versorgen, ist es mir wert.“ Denn wie die meisten Solardach-Pioniere hat er seine Anlage aus purem Idealismus gebaut und nicht, um Geld zu verdienen. Das kam später, als etwa viele Landwirte merkten, dass sich mit der Ökostrom-Förderung richtig Geld verdienen ließ, wenn sie ihre riesigen Scheunen mit Solarmodulen deckten.
Der Dortmunder Berau hat damals 50.000 Mark für seine Anlage bezahlt, nach 17 Jahren waren die Kosten wieder drin. Er habe das Risiko gern getragen, sagt er. Doch es fuchst ihn, wie die Regierung nun mit den Solarpionieren umgehe: „Die Kohlekraftwerke dürfen bis 2038 laufen, ihre Betreiber kriegen auch noch riesige Entschädigungen, nur wir kleinen Solarstromerzeuger können zusehen, wie wir klarkommen. Sowas macht mich stinksauer.“