Gelsenkirchen-Hassel. Eine der ersten Solarstraßen bundesweit produziert Strom für E-Bikes und Büros an der Zeche Westerholt. Nur Prestige oder ein Weg in die Zukunft?
Solarenergie folgt auf Steinkohle: Natürlich hat es einen stattlichen Symbolcharakter, wenn ausgerechnet an der Zechenruine Westerholt ein neues Zeitalter der Energieversorgung beginnen soll. Gelsenkirchens erste Solarstraße wurde hier jetzt nach einer einjährigen Testphase in Betrieb genommen. Ein deutschlandweit beachtetes Experiment. Hat es das Zeug zur nächsten großen Zukunftstechnologie?
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Recht unscheinbar liegen die von einer harten Glasschicht umgebenen Photovoltaik-Module auf dem Parkplatz an der Egonstraße. Aber immerhin: Eines der energetisch sanierten Torhäuser der einstigen Schachtanlage Westerholt 1/2 wird von der rund 35 Quadratmeter großen Straße inzwischen komplett mit Strom versorgt. Der Ertrag: 8 Kilowattstunden bei schattigem Wetter, 18 bei sonnigen Sommertagen. Damit soll noch genug übrig bleiben, um nicht nur das eine Bürogebäude, sondern künftig auch das alte Pförtnerhäuschen dahinter mit Solarstrom einzudecken.
Bisherige Solarstraßen-Projekte waren ein Flop
Das will das dreiköpfige Team aus den Städten Gelsenkirchen und Herten sowie der RAG Montan Immobilien GmbH innerhalb eines Jahres zu einem „Kultur-Kiosk“ umbauen. Dort sollen sich Interessierte unter anderem tiefer über die Solarstraße informieren können. Uwe Neukirchen von der Gelsenkirchener Stadtplanung gibt zu: „Aktuell stehen Radfahrer, die hier vorbeikommen, noch mit Fragezeichen vor den Photovoltaik-Modulen.“ Und sicher auch mal mit Skepsis.
Denn bisherige Pilotprojekte mit Solarstraßen sind gefloppt. In Frankreich hat ein ambitioniertes Vorhaben, das Norden und Süden verbinden sollte, nicht nur zu wenig Ertrag gebracht. Auch hat es dort viele Probleme gegeben, etwa durch brüchige und beschädigte Panels. Die erste Solarstraße Deutschlands in Erftstadt bei Köln, die – wie die Module an der Zeche Westerholt – vom mehrfach ausgezeichneten Berliner Startup Solmove entwickelt worden ist, endete ebenfalls in einem Desaster. Feuchtigkeit konnte über die Anschlussdosen in die Anlage eindringen, es kam zum Kurzschluss und Schwelbrand.
Fehler sollen sich nicht wiederholen
An der Stadtgrenze von Gelsenkirchen und Herten habe man aus den Ärgernissen der Vorgängerprojekte gelernt, heißt es. „Zum einen liegt der bisherige Ertrag über den Erwartungen“, sagt Benedikt Schmoll vom Projektbüro Bergbaustandorte der Stadt Herten. Zudem habe man die Anschlussdosen im Herbst teilweise überarbeitet und in Kunstharz gegossen. Regen und Feuchtigkeit sollen so keine Probleme mehr machen.
Dass es hier in der Zukunft nicht zu weiteren Schwierigkeiten kommen kann, will das Team aber nicht ausschließen. „Das ist hier eben ein Raum zum Ausprobieren, ein Energielabor“, sagt Bernd Lohse mit Bezug auf die gleichnamige Initiative zur Entwicklung innovativer Technik-Projekte, von der auch die Stromstraße ein Teil ist. Als Geschäftsführer der Entwicklungsgesellschaft Neue Zeche Westerholt lobt Lohse den „wertvollen Gedanken“ hinter der Solarstraße. „Es geht darum, Flächen für mehrere Funktionen zu nutzen und die Energiewende erfahrbar zu machen.“
Solarstraße hat 90.000 Euro gekostet
E-Bike aufladen
Radfahrer können ihr Elektro-Fahrrad auch mit dem Strom aus der Solarstraße aufladen. Ein Ladekabel für die Ladestation neben der Solarstraße kann beim Bürogebäude gegenüber (Egonstraße 12) zwischen 8.30 Uhr und 16 Uhr ausgeliehen werden. Derzeit arbeitet das Projektteam an Möglichkeiten, das Ladekabel auch außerhalb der Büro-Öffnungszeiten zur Verfügung zu stellen.
E-Autos können bislang noch nicht mit dem Strom aus der Solarstraße geladen werden.
Der Hersteller Solmove spricht von etwa 1400 Quadratkilometern, die sich in Deutschland für Solarstraßen eignen. Vorhandene Verkehrsflächen könnten doppelt genutzt werden – als Verkehrsweg und für die Energiegewinnung. Wie groß die geeignete Fläche im Gelsenkirchener Stadtgebiet ist, habe man noch nicht berechnet, sagt Uwe Neukirchen. „Man wird aber sicher nicht die gesamte A42, sondern eher den Parkplatz vor dem Supermarkt mit den Modulen ausstatten.“
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Die Solarstraße scheint ihre nahe Zukunft also erst einmal dort zu haben, wo Autos stehen – weniger wo sie fahren. In ferner Zukunft dagegen, so der Hersteller, könnte sich ein E-Auto in Kombination mit einer modernen Ladetechnik während der Fahrt über die Solarstraße aufladen, Datenaustausch zwischen autonomen Fahrzeugen über den Fahrbahnbelag gelingen und eine Kommune Geld verdienen, indem sie den Strom aus der Solarstraße einspeist.
In Gelsenkirchen liegt nun das 90.000 Euro teure Fundament für diese Visionen. Ob die Solarstraße in Serie geht, wird sich nicht zuletzt hier entscheiden.