Essen. Thyssenkrupp-Vorstand sieht den Konzern durch die Corona-Krise weit zurückgeworfen. Krupp-Stiftung benötigt Dividende in spätestens zwei Jahren.
Der angeschlagene Industriekonzern Thyssenkrupp hat herbe Rückschläge beim Umbau des Konzerns durch die Corona-Krise eingeräumt und seine Mitarbeiter auf eine lange Durststrecke eingestimmt. „Die verheerenden Auswirkungen der Pandemie haben uns hinter den Startpunkt des Veränderungsprozesses zurückgeworfen“, heißt es in einem Brief des Konzernvorstands an die Mitarbeiter, der unserer Redaktion vorliegt.
Das werde sich auch in herben Verlusten im laufenden dritten Quartal des Geschäftsjahres äußern, also für die Monate April bis Juni. „Wir müssen damit rechnen, dass allein im dritten Geschäfts-Quartal ein Verlust von bis zu einer Milliarde Euro anfällt“, heißt es in dem Brief. Das würde am oberen Rand der jüngsten Prognose aus dem Mai liegen. Der Vorstand erklärte erneut, sich auch um staatliche Krisenhilfen zu bemühen, nicht nur in Deutschland. Bereits Ende April hatte sich Thyssenkrupp staatlich abgesicherte KfW-Kredite in Höhe von einer Milliarde Euro gesichert.
Thyssenkrupp: Noch 32.000 Beschäftigte in Kurzarbeit
Unter den pandemiebedingten weltweiten Produktionsausfällen leiden vor allem die Stahlwerke, der Industrieanlagenbau und das Autoteilegeschäft von Thyssenkrupp. Eine schnelle Erholung sei unwahrscheinlich. Aktuell seien noch rund 32.000 Beschäftigte weltweit in Kurzarbeit, 22.000 arbeiteten im Home-Office. Zwar würden zahlreiche Produktionsstandorte wieder hochgefahren: „Aber der Betrieb läuft längst noch nicht so wie vor der Krise.“
Deshalb werde sich der Konzern auch nur kurz über die 17,2 Milliarden Euro freuen können, die bald aus dem Verkauf der Aufzugsparte fließen sollen. „Wenn wir die Verschuldung zurückführen – und das werden wir müssen – dann wird weniger für Investitionen und Zukunftsgestaltung übrig bleiben“, dämpft der Vorstand um Chefin Martina Merz die Erwartungen. Die Finanzmärkte erwarteten vom MDax-Konzern, dass er schon bald profitabler arbeite, der Vorstand nennt dafür die Bilanzvorlage im November als Zeitvorgabe. Merz will dafür alles auf den Prüfstand stellen, etwa für die Stahlsparte auch erneut nach Partnern suchen. Der Betriebsrat stellt sich aber gegen einen Verkauf der Mehrheit.
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Nach dem aktuellen Löschen der akuten Brandherde müsse sich der Konzern „darauf einstellen, dass sich unsere Geschäftsaktivitäten auf einem Niveau einpendeln, welches zum Teil dauerhaft und nicht unerheblich unter unseren früheren Mengen-Planungen liegt“, heißt es in dem Brief. Man werde „voraussichtlich nicht vor dem Ende des Jahres klarer sehen, mit welchen Szenarien für unsere Geschäftsentwicklung wir tatsächlich rechnen müssen.“
Der Vorstand um Merz gibt sich in dem Brief an die Mitarbeiter dennoch überzeugt, Thyssenkrupp „wieder erfolgreich zu machen“ und beschwört dafür die Beschäftigten: „Bitte packen Sie auch weiterhin an und bleiben Sie engagiert.“
Gather: Stiftung braucht in zwei Jahren wieder Dividende
Fast gleichzeitig hat Ursula Gather, Chefin der Krupp-Stiftung als größte Einzelaktionärin, eine Zeitspanne für die Rückkehr zur Dividendenfähigkeit genannt, die sie brauche, damit die Stiftung ihre Aufgaben wahrnehmen kann. „Nach zwei weiteren Jahren wäre es schwierig, neue Projekte in das Förderprogramm aufzunehmen“, sagte Gather der Börsen-Zeitung.
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Zugleich gab sie sich entschlossen, „treue Ankeraktionärin“ bleiben zu wollen. Sie denke nicht über Umschichtungen im Stiftungsvermögen nach, auch wenn es juristisch für eine privatrechtliche Stiftung kein Verkaufsverbot gebe. Im Klartext: „Wir haben keine Verkaufsabsicht.“ Gleichwohl erklärte Gather, diese Entscheidung liege nicht allein in ihren Händen, weil die Stiftungsaufsicht auf eine Vermögensverwaltung poche, die auf Erhalt und Ertrag ausgerichtet sei. „Theoretisch könnte es einmal sein, dass man von uns im Hinblick auf den Vermögenserhalt verlangt, Maßnahmen zu ergreifen“, sagte Gather.