Essen. In einem Brief schwört Thyssenkrupp-Chefin Merz die Beschäftigten auf harte Zeiten ein. Corona-Krise frisst Spielräume aus dem Elevator-Verkauf.

Thyssenkrupp-Chefin Martina Merz hat die Mitarbeiter des angeschlagenen Industriekonzerns auf noch härtere Zeiten eingeschworen. Der Konzern befinde sich „in einer schwierigen wirtschaftlichen Lage, Corona verschärft die Situation zusätzlich ganz erheblich“, heißt es in dem Brief des Vorstands an die Beschäftigten, der unserer Redaktion vorliegt. Dem Ernst der Lage entsprechend müsse „alles geprüft und darf nichts mehr ausgeschlossen werden“.

Die Corona-Krise habe das Unternehmen „fest im Griff“, die Kurzarbeit werde noch zunehmen, betont das Management. Deshalb werde der erhoffte finanzielle Spielraum aus dem Verkauf der Aufzugssparte Elevator „weitaus geringer als ursprünglich angenommen sein“. Das bedeutet im Klartext: Es kann weniger Geld in die dringend benötigten Zukunftsinvestitionen fließen oder es muss noch härter gespart werden. Oder beides.

Das Geld fehlt nun für Investitionen

Damit spricht Merz im Brief an die Mitarbeiter offen aus, was Beobachter seit Wochen befürchten: Der als Befreiungsschlag geplante Verkauf von Elevator für 17,2 Milliarden Euro wird durch die Corona-Krise zumindest deutlich gedämpft. Damit verbunden sein könnten weitere Einschnitte für die rund 160.000 Beschäftigten. Denn jeder Euro, der nun von den Folgen der Pandemie aufgezehrt wird, fehlt künftig für die geplante Stärkung insbesondere der Stahlwerke und des Geschäfts mit Autoteilen. Und für die Entschuldung des Konzerns, der unter chronisch mangelndem Eigenkapital leidet.

Thyssenkrupp trauert um zwei Corona-Opfer

Aktuell seien „etwa 110 Mitarbeitende des Unternehmens akut am Corona-Virus erkrankt“, teilt der Vorstand mit. Viele Betroffene seien auch bereits genesen, die Gesamtzahl der akuten Infektionen sei weltweit stabil bis leicht rückläufig.

Zwei Thyssenkrupp-Mitarbeiter sind an Covid-19 verstorben – einer in Deutschland, der andere in Großbritannien. „Mit den Familien stehen wir in enger Verbindung“, betont der Konzernvorstand in seinem Brief an die Mitarbeiter.

Was das konkret bedeutet, bleibt zunächst offen. Der Vorstand will im Laufe dieses Monats seine neue Strategie für den gesamten Konzern im Detail vorstellen. „Zur weiteren Ausgestaltung der Strategie und vor allem für die konkrete Umsetzung werden wir die Auswirkungen der Corona-Krise weiterhin kontinuierlich analysieren, bewerten und unsere Planungen entsprechend aktualisieren“, schreibt der dreiköpfige Vorstand aus Merz, Personalchef Oliver Burkhard und Finanzchef Klaus Keysberg.

Thyssenkrupp: Kurzarbeit wird noch weiter ansteigen

Und seine Erwartungen sind offenkundig nicht, dass sich die Lage rasch bessert. Aktuell sei „in nahezu allen Geschäftsbereichen die Produktion zumindest verringert, zahlreiche Standorte sind geschlossen oder heruntergefahren“. Weltweit seien rund 30.000 Mitarbeiter in Kurzarbeit. Und: „Diese Zahl wird in den nächsten Wochen wahrscheinlich noch weiter zunehmen“, lautet die Prognose.

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Weil mit den Aufzügen die einzige Sparte verkauft wird, die in den vergangenen Jahren verlässlich gute Renditen erzielt und Geld in die klamme Konzernkasse gespült hat, gilt Merz’ Aufmerksamkeit nun ganz der Wettbewerbsfähigkeit von Stahl, Autoteilen und dem Industrieanlagenbau. Für Letzteren wird ebenfalls ein starker Partner gesucht, von Komplettverkauf war aber bisher noch nicht die Rede.

Sanierungsprogramme werden durch Corona beschleunigt

Bereits auf den Weg gebracht hat Thyssenkrupp ein Sanierungsprogramm für den Stahl, die ohnehin geplanten Einschnitte werden durch die Krise noch beschleunigt. Für die Stahlzentrale in Duisburg ist eine Transfergesellschaft geplant, ein Werk in Bochum wird geschlossen, das Grobblechwerk im Duisburger Süden verkauft oder geschlossen. Jüngst gab der Konzern auch für die Autozulieferersparte bekannt, ein Werk in Olpe mit 330 Beschäftigten bis Ende 2021 zu schließen.

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Der Industriekonzern hat sich zur Überbrückung der Corona-Krise bereits staatlich geschützte KfW-Kredite gesichert. Die Kreditlinien sollen nach Informationen unserer Redaktion rund eine Milliarde Euro enthalten und die unter den Produktionseinbrüchen leidende Liquidität in den kommenden Monaten stärken, bis die 17 Milliarden für die Aufzugssparte fließen. Der Kaufvertrag mit den Finanzinvestoren Advent und Cinven sowie der Essener RAG-Stiftung sichert den Deal gegen Einflüsse durch die Corona-Krise ab. Bis spätestens September erwartet Thyssenkrupp, dass alle Genehmigungen vorliegen.

Banger Blick auf die nächste Quartalsbilanz

Die Folgen der Corona-Krise sind bereits bilanziell spürbar: Thyssenkrupp musste seine Prognose wie fast alle Industriekonzerne kippen. Im zweiten Quartal des Geschäftsjahres (Januar bis März) werde das sichtbar, kündigt der Vorstand in dem Brief an und betont, die Auswirkungen der Krise würden „uns vor weitere Herausforderungen stellen“. Die Quartalsbilanz soll am 12. Mai vorgelegt werden.