Essen. Laut Verdi sollen alle früheren Thomas-Cook-Reisebüros schließen und 440 Mitarbeiter gehen. Karstadt hält an Reisebüros in den Kaufhäusern fest.

Während Galeria Karstadt Kaufhof im Schutzschirmverfahren ums Überleben seiner Warenhauskette kämpft, scheint es für eine seiner Reisetöchter bereits zu spät zu sein: Nach Angaben der Gewerkschaft Verdi sollen alle 106 ehemaligen Thomas-Cook-Reisebüros geschlossen, und allen 440 Beschäftigten gekündigt werden. Karstadt bestätigte die Aufgabe der unter „Galeria Reisen“ firmierenden Büros indirekt, betonte aber, an den getrennt geführten Karstadt-Reisebüros in den Warenhäusern festzuhalten.

Corona-Krise trifft ganze Reisebranche hart

Die Corona-Krise hat wenige Branchen so hart getroffen wie den Tourismus. Zuvor gesunde Reisekonzerne geraten ins Wanken, die Lufthansa lässt sich vom Staat retten. Die Reisetöchter des ohnehin schwer angeschlagenen Karstadt-Konzerns haben es in dieser Gemengelage besonders schwer. Galeria Karstadt Kaufhof befindet sich in einem Schutzschirmverfahren, die Insolvenzexperten Arndt Geiwitz und Frank Kebekus wollen etwa jedes dritte der 172 Warenhäuser schließen und streiten darüber mit der Gewerkschaft Verdi.

Auch interessant

Bereits einen Schritt weiter ist die Karstadt-Tochter Atrys I, unter deren Dach die erst Ende 2019 aus der Thomas-Cook-Insolvenzmasse übernommenen 106 Reisebüros als Galeria Reisen firmieren: Sie beantragte bereits am 9. April Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverantwortung. Das Online-Geschäft von Galeria Reisen wird unter Atrys II geführt, die knapp 100 Karstadt-Reisebüros unter dem Dach der Warenhaus-Gesellschaft.

Karstadt: Setzen weiter auf Reisebüros in den Warenhäusern

„Wir setzen weiter auf Reisebüros in unseren Warenhäusern und das Online-Reise-Geschäft von Galeria Reisen“, betonte der Karstadt-Konzern auf Anfrage. Als Folge der Corona-Krise seien jedoch „seit den weltweit ausgerufenen Reisebeschränkungen und den behördlich veranlassten Verboten der Öffnung von Reisebüros die Aussichten, Einzelstandorte außerhalb der Warenhäuser wirtschaftlich zu betreiben, sehr gering.“ Die Gesellschaft Atrys 1 mit den ehemaligen Reisebüros von Thomas Cook befinde sich „bereits seit 9. April in Eigenverwaltung.“

Galeria Karstadt Kaufhof kämpft ums Überleben. Und mit der Warenhauskette auch ihre Reisebüros.
Galeria Karstadt Kaufhof kämpft ums Überleben. Und mit der Warenhauskette auch ihre Reisebüros. © dpa | Oliver Berg

Demnach gibt das Karstadt-Management samt Insolvenzexperten den integrierten Karstadt-Reisebüros und dem Online-Reisegeschäft seiner Marken noch eine Zukunft, den von Thomas Cook gekauften externen Reisebüros aber nicht.

Für die Mitarbeiter der früheren Thomas-Cook-Reisebüros nimmt nun aller Voraussicht nach eine Odyssee ihr bitteres Ende: Sie waren im vergangenen Sommer in den Sog der Pleite ihrer britischen Muttergesellschaft geraten, in Deutschland stellte Thomas Cook dann Ende September Insolvenzantrag. Bei der Zerschlagung im Zuge des Insolvenzverfahrens griff der österreichische Karstadt-Eigner René Benko zu und übernahm 106 der seinerzeit noch 126 Reisebüros im November kurz vor der Abwicklung.

Die Odyssee der Thomas-Cook-Mitarbeiter

Karstadt verdoppelte damit die Zahl seiner Reisebüros, betreibt selbst aktuell laut eigenem Internetauftritt noch 95 Büros, knapp 80 davon in den Kaufhaus-Filialen. Je nachdem, wie viele Warenhäuser im Zuge des Schutzschirmverfahrens geschlossen werden, dürfte sich aber auch ihre Zahl weiter reduzieren. Die Corona-Krise trifft vor allem die stationären Reisevermittler ohnehin hart, ihrem Verband zufolge stehen zwei von drei Reisebüros wegen der drastischen Einnahmeverluste durch die Reisebeschränkungen vor dem Aus.

Verdi will die Schließung aller früheren Thomas-Cook-Reisebüros aber nicht hinnehmen und sieht Karstadt-Eigentümer Benko in der Pflicht. „Herr Benko scheint offenbar nicht bereit zu sein, auch nur einen Cent zur Rettung und Finanzierung der Reisebüros zu investieren. Und das, obwohl zahlreiche dieser Reisebüros in coronalosen Zeiten sehr gute Umsätze geschrieben haben“, kritisiert die Gewerkschaft. Die stellvertretende Verdi-Chefin Christine Behle fordert Benko auf, „seine Entscheidung noch einmal gründlich zu überdenken“.