Essen. Verdi will mit den Sanierern über die Zukunft von Karstadt Kaufhof verhandeln. Derweil will ein 26-jähriger Essener Sport-Filialen übernehmen.
Lange haben sie nur übereinander gesprochen. Jetzt sind der gerichtlich bestellte Sanierer von Galeria Karstadt Kaufhof, Arndt Geiwitz, und Vertreter der Gewerkschaft Verdi am Montag zusammengetroffen. Derweil legt überraschend der Essener Jungunternehmer Daniel Loitz ein Angebot vor, das die Übernahme von Karstadt Sports mit 32 Filialen und der Zentrale in Essen vorsieht.
Es soll laut geworden sein, als Geiwitz den Gewerkschaftern gegenüber seinen Plan verteidigte, ein Drittel der Warenhäuser zu schließen und in den verbleibenden Filialen das Personal zu reduzieren. Auch „weitere massive Eingriffe in die bestehenden Löhne und Gehälter“ soll der Generalbevollmächtigte nach Angaben von Verdi fordern. Wie tief die Einschnitte sein sollen, wurde allerdings nicht bekannt.
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Die Bundestarifkommission der Gewerkschaft, die am Dienstag in Essen tagte und vor der Karstadt-Zentrale mit Transparenten und Abstand demonstrierte, lehnt sowohl Filialschließungen als auch Gehaltsverzicht ab. Gesprächen über die Zukunft von Galeria Karstadt Kaufhof werde man sich aber nicht verschließen, erklärte Verhandlungsführer Orhan Akman nach der Sitzung.
Verdi: „Missachtung von 35.000 Beschäftigten“
Es geht schließlich um die Existenz des Essener Warenhaus-Konzerns, der nur noch bis Ende Juni den staatlichen Schutzschirm in Anspruch nehmen kann. Bis dahin muss ein gerichtsfestes Zukunftskonzept für die 172 Warenhäuser, die Sporthäuser, die Restaurants und Lebensmittelabteilungen stehen. Es geht um das Schicksal von 35.000 Beschäftigten.
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Trotz der Gesprächsbereitschaft unterstreicht Akman am Dienstag seine Position, die er seit Bekanntwerden der radikalen Sparpläne vertritt: „Die bisher vorgelegten Überlegungen für eine Sanierung sind ideenlos, unkreativ und eine Missachtung von 35.000 Beschäftigten und ihren Familien.“ Verdi fordert von Galeria-Eigner René Benko stattdessen Investitionen in die Warenhäuser, aber auch Unterstützung von der Politik. „Es ist jetzt Zeit für eine politische und finanzielle Unterstützung für die Beschäftigten durch die Politik in den Kommunen, Gemeinden sowie Landesregierungen und der Bundesregierung. Das beinhaltet auch die Unterstützung in Form von Staatshilfen. Wir müssen gemeinsam um jeden Arbeitsplatz kämpfen“, fordert Akman.
26-jähriger Essener will Karstadt Sports übernehmen
Noch in der vergangenen Woche hatten Geiwitz und sein Kollege Frank Kebekus in einem Interview betont, dass es bis dato keine Interessenten gegeben habe, die Galeria Karstadt Kaufhof übernehmen wollten. Jetzt meldet sich der weitgehend unbekannte Essener Unternehmer Daniel Loitz zu Wort und will Karstadt Sports übernehmen.
Im Gespräch mit unserer Redaktion verhehlt der 26-Jährige nicht, dass seine Familie sehr vermögend sei. „Wir haben 65 bis 100 Millionen Euro aus unserem Privatvermögen frei gemacht, um sie in Karstadt Sports zu investieren“, sagt Loitz. Hinzu komme der Preis für die Übernahme des Unternehmens. Der Weg sei „sehr risikoreich“, räumt der Unternehmer ein. „Ich bin aber überzeugt, dass Karstadt Sports eine Zukunft haben kann.“
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Gefragt nach seiner Motivation, argumentiert Loitz mit der Verbundenheit seiner Familie zu Essen und zum Ruhrgebiet. „Essen ist mit der Marke Karstadt sehr stark verbunden. Ich will dazu beitragen, dass das erhalten bleibt“, sagt der 26-Jährige. Auf der Karstadt-Homepage ist zu lesen, dass die Sportsparte 1200 Mitarbeiter beschäftigt. Unlängst hatte der Mutterkonzern Signa des österreichischen Milliardärs René Benko auch die deutsche Kette Sport Scheck mit 17 Filialen und über 1000 Beschäftigten gekauft. Zuletzt hieß es, von den 30 Karstadt-Sporthäusern stünden 20 auf der Kippe.
Bis zu 100 Millionen Euro aus dem Privatvermögen
Die Offerte von Daniel Loitz hatte nach Informationen unserer Redaktion bereits in der vergangenen Woche für Unruhe bei Galeria Karstadt Kaufhof gesorgt. Im Umfeld des Konzerns wurden Zweifel an den Realisierungschancen des Übernahmeangebots laut. Loitz betreibt in Essen die Plattenfirma NB Germany. „Wir fördern leidenschaftliche Künstler und gewährleisten, dass sie sich in der Musikindustrie zurecht finden“, heißt es auf der Homepage. NB Germany wiederum gehört nach Angaben bei Facebook zu NB World mit sechs Plattenfirmen in sechs Ländern. „Weiterhin hält die NB World ein Aktien Konsortium der Familie Loitz mit Anteilen an internationalen Firmen und einem ehemaligen privaten Bankhaus“, heißt es dort.
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Während Verdi und Galeria um die Zukunft der Warenhäuser ringen, hat Gerrit Heinemann bereits den Daumen gesenkt. Der Wirtschaftsprofessor der Hochschule Niederrhein hält den geplanten Schnitt für überfällig und weist den Vorwurf von Verdi zurück, der Konzern missbrauche die Corona-Pandemie. „Schließungen bei Karstadt und Kaufhof sind schon lange überfällig. Es gibt einfach keinen Markt mehr für Warenhäuser“, sagte der Handelsexperte unserer Redaktion. „Seit 50 Jahren denken hoch bezahlte Top-Manager über das Geschäftsmodell Warenhaus nach. Warum sollte ihnen ausgerechnet jetzt – mitten in der Corona-Krise – etwas einfallen?“, fragt Heinemann rhetorisch. Es gebe wirklich nichts, was man noch nicht ausprobiert hätte.
Der Wirtschaftsprofessor würde den Rotstift beim Essener Konzern noch drastischer ansetzen. „Ich halte bundesweit nur maximal 80 Filialen von Karstadt und Kaufhof für überlebensfähig. Das ist natürlich ein Desaster für viele Innenstädte. Doch da muss man dann auch mal ohne Tabu über Abriss nachdenken, wenn es keine andere Nutzung gibt.“