Datteln. Das umstrittene Kohlekraftwerk Datteln 4 soll schon an diesem Samstag seinen kommerziellen Betrieb aufnehmen. Fridays for Future plant Proteste.

Das letzte wird das größte sein: Der Stromkonzern Uniper will an diesem Samstag sein umstrittenes Steinkohlekraftwerk Datteln 4 in Betrieb nehmen. Mit einer Leistung von 1100 Megawatt ginge das größte Steinkohlekraftwerk Deutschlands ans Netz. Es wird zugleich aller Wahrscheinlichkeit nach auch der letzte Kohleblock sein, der hierzulande hochgefahren wird. Die Klimaaktivisten von Fridays for Future kündigten spontane Protestaktionen für das Wochenende an.

Es ging nun doch schneller als von den Kohlegegnern gedacht: Noch am vergangenen Mittwoch nahmen Greenpeace, der BUND und die Schülerbewegung Fridays for Future die Uniper-Hauptversammlung zum Anlass, gegen Datteln 4 mobil zu machen. Zehn Tage später, am 30. Mai, plant Uniper nun die Aufnahme des kommerziellen Betriebs. „Das markiert das Ende der Inbetriebsetzungsphase“, bestätigte ein Konzernsprecher unserer Redaktion.

Datteln 4 „in allen Leistungsstufen getestet“

Bereits vor Weihnachten 2019 begann der Düsseldorfer Stromerzeuger mit ersten Tests zur Netz-Synchronisation, im Januar folgten größere Testbetriebe. Das Kraftwerk sei „in allen Leistungsstufen“ erfolgreich getestet worden, betont der Sprecher. Da die Genehmigung für den kommerziellen Betrieb schon länger vorliege, könne man nun in den kommerziellen Betrieb wechseln.

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Unter welcher Auslastung Datteln 4 hochgefahren wird, ist noch unklar. Der Konzernsprecher erklärte, das hänge von den Kunden ab. Der größte ist die Deutsche Bahn: Sie hat den Bau von Datteln 4 seinerzeit mit forciert, um langfristig 413 Megawatt Bahnstrom aus Datteln in ihr eigenes Netz leiten zu können. Die entsprechende Umrichteranlage ist dort bereits seit 2014 in Betrieb. Der zweite Großkunde RWE zeigte zuletzt weniger Interesse am Strom aus Datteln, ist aber ebenfalls vertraglich gebunden. „Unsere Kunden steuern die Nachfrage und damit, wie das Kraftwerk gefahren wird“, sagte der Uniper-Sprecher.

Neunjährige Verspätung

Carla Reemtsma von
Carla Reemtsma von "Fridays For Future" kritisiert die Inbetriebnahme von Datteln 4. © FUNKE Foto Services | VANESSA LEISSRING

Datteln 4 wurde von Beginn der Planungen an von massiven Protesten der Anwohner und der Klimaschützer begleitet. Es sollte eigentlich bereits ab 2011 Strom liefern, massive technische Probleme, aber auch Klagen haben bisher verhindert, dass der Riesenblock ans Netz geht. Auch das Anfahren am Wochenende dürfte von Protesten begleitet werden. Fridays for Future erklärte auf Nachfrage, spontane Kundgebungen und Mahnwachen vor Ort organisieren zu wollen. „Datteln 4 ist die absolute Verantwortungslosigkeit“, sagte Carla Reemtsma unserer Zeitung, eine der führenden Aktivistinnen der Bewegung. „Das ist ein schlechtes Symbol inmitten der deutschen Energiewende und in Zeiten, in denen andere Länder über den Kohleausstieg verhandeln.“

Mona Neubaur, Grünen-Chefin in NRW, sagte: „Es ist und bleibt ein fatales Signal, zum Start in den Kohleausstieg erstmal ein Kraftwerk in Betrieb zu nehmen, das dreckigen Kohlestrom produziert. Noch schlimmer: Gleichzeitig wird der Ausbau des sauberen Stroms aus Sonne und Wind weiter behindert.“

Uniper-Chef Andreas Schierenbeck verteidigt Datteln 4 als das modernste Kohlekraftwerk, das deutlich weniger CO ausstoße als ältere Kraftwerke. Wirtschaftlich soll der 1,5-Milliarden-Bau vor allem verlässliche Einnahmen liefern, die durch langfristige Verträge abgesichert sind. Dafür ist Uniper bereit, alle anderen Kohleblöcke schrittweise abzuschalten. Uniper werde von seiner Kohlekraftwerks-Kapazität in Deutschland bis 2025 „nahezu 80 Prozent stilllegen“, erklärte Schierenbeck unlängst. Bis 2035 verspricht er für Uniper Klimaneutralität in Europa. Dafür verkauft er auch die Anteile am ostdeutschen Braunkohlekraftwerk Schkopau.

Fridays for Future: Völlig unnötiges Kraftwerk

Klimaschützer rechnen anders – Kapazität sei nicht gleich CO2-Ausstoß, betont Carla Reemtsma. „Die älteren Kraftwerke sind deutlich weniger ausgelastet, als es Datteln 4 sein wird. Deshalb ist Datteln nicht klimafreundlicher, sondern ein völlig unnötiges Kohlekraftwerk“, meint sie.

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Von Andreas Tyrock, Ulf Meinke und Stefan Schulte

Auf die Frage, ob am Samstag besondere Sicherheitsmaßnahmen wegen der zu erwartenden Proteste gegen die Inbetriebnahme geplant seien, verwies der Uniper-Sprecher darauf, man sei in Kontakt mit den örtlichen Polizeibehörden. Wer die Anlage widerrechtlich betrete, gefährde sich und andere. „Straftaten wie Hausfriedensbruch oder die Beschädigung von Privateigentum sowie andere Aktionen, die die Sicherheit unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter oder die Funktionsfähigkeit unserer Anlagen gefährden, können wir nicht dulden“, betont das Unternehmen.

Konzernchef Schierenbeck hatte im Februar im Interview mit unserer Zeitung betont, die Kraftwerks-Beschäftigten für den Umgang mit den Protesten und Möglichkeiten zur Deeskalation vorzubereiten. „Viele Mitarbeiter leben in Datteln, wir müssen sie und ihre Familien schützen“, sagte Schierenbeck. Er habe nichts gegen Proteste, nur damit, wenn sie „ins Kriminelle abgleiten“ und als ziviler Ungehorsam beschönigt würden. Das könne sich kein Rechtsstaat leisten.