Bochum. Eine Siedlung mit 1400 Wohnungen in Bochum-Weitmar wird für Vonovia Testlabor für die Energiewende. Was auf die Mieter zukommen wird.

Helle Häuser, manche sind schon saniert, andere haben die Modernisierung noch vor sich. Großzügige Grünanlagen mitten im Bochumer Stadtteil Weitmar. An der Bärendorfer Straße wohnen die rund 1400 Mietparteien in einer ganz normalen Siedlung, die Deutschlands größtem Immobilienkonzern Vonovia gehört. Und dennoch könnte das Viertel Geschichte schreiben. Denn es gehört zu den bundesweit sechs Wohnquartieren, in denen Stromerzeugung und Heizen der Zukunft getestet werden sollen. In den nächsten drei Jahren will Vonovia in Bochum alles ausprobieren, was möglichst wenig Kohlendioxid ausstößt: Wasserstoff als Speicher, Erdwärme, Photovoltaik, Brennstoffzellen, Wärmepumpen und vieles mehr.

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Nicht nur die Industrie und der Straßenverkehr in Deutschland gehören zu den größten Energieverbrauchern. 35 Prozent des Wärme- und Strombedarfs entfallen auf Gebäude. Rund ein Drittel des klimaschädlichen CO2 produzieren Häuser, in den Menschen leben oder arbeiten. Der Klimaschutzplan der Bundesregierung sieht vor, dass alle Gebäude im Land bis zum Jahr 2050 klimaneutral sein müssen. Soll heißen: Dämmung, moderne Fenster und intelligente Heizungsanlagen senken den Energieverbrauch merklich. Den verbleibenden Wärmebedarf decken erneuerbare Quellen.

Land NRW fördert Projekt mit 6,2 Millionen Euro

Damit nicht alle Eigentümer von Immobilien an eigenen Lösungen basteln müssen, hat sich der Verein Open District Hub gegründet. Zu den Mitgliedern zählen zahlreiche Forschungsinstitute wie Fraunhofer Umsicht, Fit und IOSB, aber auch Bochumer Unternehmen wie die Stadtwerke und Vonovia sowie das Stadtumbauprojekt Innovation City aus Bottrop. Die Forschungen im Quartier, das offiziell ODH@Bochum-Weitmar heißt, fördert auch das NRW-Wirtschaftsministerium mit 6,2 Millionen Euro. Für Minister Andreas Pinkwart (FDP) eignet sich die Siedlung rund um die Bärendorfer Straße „mit vielen Gebäuden aus der Mitte des 20. Jahrhunderts“ ideal als Pilotprojekt. „Die hier ermittelten Synergien sind übertragbar und bieten damit auch wichtige Impulse für andere Quartiere in einem klimafreundlichen Ruhrgebiet“, sagt er.

Die gläserne Energiezentrale von Vonovia soll im Sommer in Bochum in Betrieb gehen.
Die gläserne Energiezentrale von Vonovia soll im Sommer in Bochum in Betrieb gehen. © Handout | Vonovia

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Vonovia-Chef Rolf Buch fühlt sich nach eigenem Bekunden dem Pariser Klimaabkommen verpflichtet und will seine knapp 400.000 Wohnungen bis zum Jahr 2050 CO2-neutral machen. „Dabei ist es wichtig, das Spannungsfeld zwischen bezahlbarem Wohnen und Klimaschutz sozial zu gestalten“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Dax-Konzerns im Hinblick auf steigende Mieten durch energetische Sanierung und womöglich höhere Kosten, die bei der Erzeugung regenerativer Energie anfallen.

In Bochum hat Vonovia deshalb nicht nur die Ökologie, sondern auch die Ökonomie im Blick. „Es muss auch um die Wirtschaftlichkeit der Energiewende gehen. Sie darf nicht allein auf den Schultern der Mieter ausgetragen werden“, sagt Tobias Hofmann, bei Vonovia verantwortlich für die Quartierssysteme. Erforscht wird in Bochum deshalb nicht nur, was technisch möglich ist, sondern auch, was es am Ende kosten wird.

Batterien speichern Sonnenenergie

Hofmann nennt ein Beispiel: Wenn im Sommer die Sonne vom blauen Himmel scheint, kann die große Menge über Photovoltaikanlagen auf den Dächern gesammelte Energie tagsüber gar nicht verbraucht werden. Sie soll gespeichert werden: in eigens angeschafften Batteriesystemen und Akkus von Elektroautos, die Mieter der Siedlung fahren. Auch mit dem Einsatz künstlicher Intelligenz soll der gespeicherte Strom dann am Abend Spülmaschinen und Fernseher in den Wohnungen antreiben.

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Im Laufe des auf drei Jahre angesetzten Versuchszeitraums soll aber auch untersucht werden, ob in Bochum etwa Erdwärme wirtschaftlich genutzt werden kann. An eine größere Windkraftanlage denkt Vonovia in dem dicht besiedelten Stadtgebiet indes nicht. Was auch immer am Ende des Tests auf andere Siedlungen in Deutschland übertragen wird: Energieexperte Hofmann ist schon jetzt davon überzeugt, dass Energie künftig vor Ort erzeugt wird. „Wenn in den nächsten Jahren 35 Gigawatt durch Stilllegung von Kraftwerken vom Netz gehen, wird die dezentrale Energieversorgung immer wichtiger“, sagt er.

>>> Gläserne Energiezentrale

Im August will Vonovia ebenfalls in Bochum-Weitmar eine gläserne Technikzentrale in Betrieb nehmen, die 81 Wohnungen mit Energie versorgen soll. Zum Maschinenpark gehören Brennstoffzellen, Wärmepumpen und ein Elektrolyseur, der aus Wasserstoff Strom herstellt. Über diese Zentrale sollen 60 Prozent der angeschlossenen Haushalte autark und CO2-frei mit Wärme versorgt werden. Sollten sich die Technologien als tragbar erweisen, will sie der Immobilienkonzern auch in anderen Siedlungen ausrollen.