Düsseldorf. Digitaler Bauantrag soll Genehmigungen beschleunigen. Ministern Scharrenbach kündigt im WAZ-Interview den Start für die zweite Jahreshälfte an.

Durch die Corona-Krise erwartet NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach eine größere Zurückhaltung bei privaten Häuslebauern. Im Gespräch mit Frank Meßing kündigt die CDU-Politikerin aber einen Durchbruch bei der digitalen Baugenehmigung an. Sie soll in der zweiten Jahreshälfte kommen.

Frau Scharrenbach, die Corona-Krise trifft das Land mit voller Wucht. Glauben Sie, dass der Bauboom jetzt zu Ende ist?

Ina Scharrenbach: Ich gehe davon aus, dass es mehr Zurückhaltung geben wird. Die klassischen Häuslebauer werden sich jetzt überlegen, ob sie mit Kurzarbeit oder drohender Arbeitslosigkeit ihre Darlehen bedienen können. Bei den großen Wohnungskonzernen sehe ich dagegen keine Auftragseinbrüche. Ich bin insgesamt optimistisch, weil die Freude in vielen Branchen zu spüren ist, dass sie nach dem Shutdown wieder starten können.

Mit der Pandemie ist ja nicht gleichzeitig die Wohnungsnot besiegt.

Der Bedarf ist nach wie vor da. Wir sehen aber, dass in der Krise die Bereitschaft der Menschen sinkt, die Wohnung zu wechseln.

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Vonovia-Chef Buch, Ihr Amtsvorgänger Groschek und Wirtschaftsförderer Beck treten dafür ein, die Mittel der erwarteten Konjunkturspritze aus Berlin für die soziale und energetische Verbesserung von Wohnquartieren zu nutzen. Unterstützen Sie die Initiative?

Da laufen die Drei dem Zug ein wenig hinterher. In Nordrhein-Westfalen tun wir das längst. Die jährlich 1,1 Milliarden Euro des Programms öffentliche Wohnraumförderung kommen vor allem den alten Beständen im Ruhrgebiet zugute. Ich freue mich, dass auch Vonovia dahin zurückgekehrt ist und die Förderung von ökologischem Dämmstoff oder Barrierefreiheit in Anspruch nimmt. Im Gegensatz zu den KfW-Mitteln des Bundes, die für die energetische Sanierung zur Verfügung stehen, hat das Programm des Landes auch einen sozialen Aspekt – die Mietpreisbindung. Sie sehen also: Der Zug rollt längst.

Muss der Staat noch mehr bei der energetischen Ertüchtigung von Wohngebäuden tun, um die Klimaziele zu erreichen?

Es ist genügend Geld im Markt, zumal wir zur Mitte des Jahrzehnts eine CO2-Bepreisung bekommen werden. Wir müssen die bestehenden Programme allerdings flexibler machen. Da sind wir dabei. In Dortmund, Duisburg, Bochum und Essen begleitet die Landesregierung in Kooperation mit der Ruhr-Universität Bochum wissenschaftlich die Entwicklung von Wohn- und Gewerbegebieten. Im Ruhrgebiet ist ganz viel los. Wer im Ruhrgebiet wohnt, lebt in der Zukunft. Dort wird viel Engagement und Kreativität in die Weiterentwicklung von Wohnvierteln gesteckt.

Ina Scharrenbach (CDU), NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung.
Ina Scharrenbach (CDU), NRW-Ministerin für Heimat, Kommunales, Bau und Gleichstellung. © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Wo sehen Sie Nachholbedarf?

Die Landesregierung tut sehr viel, um Wohnungsbau und die Ansprüche der Bürger in eine Harmonie zu bringen. Wir müssen wieder mehr Wert auf städtebauliche Qualität legen. Ich denke da an grüne Hausfassaden, mehr Freiräume und Aufenthaltsqualität in den Quartieren. Wir müssen weg von der reinen Funktionalität. Dies ist uns bei der Städtebauförderung bereits gelungen. Während des Shutdowns haben wir ja gesehen, dass die Menschen ihre Liebe zum Garten und die eigene Wohnung neu entdeckt haben.

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Dennoch gibt es viel Kritik an zu langen Genehmigungsverfahren für Bauanträge.

Jede Genehmigung ist ein Individuum. Die Bearbeitungszeiten in den 212 unteren Aufsichtsbehörden sind deshalb sehr unterschiedlich. Die Landesbauordnung sieht einen Zeitraum von sechs Wochen nach Eingang des vollständigen Antrags für Vorhaben im einfachen Baugenehmigungsverfahren vor. Ich beobachte, dass in der Corona-Zeit in den Bauämtern viel aufgearbeitet wurde, so dass wir fast einen aktuellen Stand erreicht haben.

Sind die Bauämter nach vielen Sparrunden in den Rathäusern personell unterbesetzt?

Scharrenbach: Zum Teil teile ich diese Kritik. Die Stadtverwaltungen haben Stellen ausgeschrieben, aber keine Bewerbungen erhalten. Das lag daran, dass die Wirtschaft vor Corona besser bezahlt hat. Das wird sich jetzt sicher korrigieren, weil Fachleute die Sicherheit der Arbeitsplätze im öffentlichen Dienst zu schätzen wissen und das etwas geringere Gehalt deshalb akzeptieren werden. Dann bin ich auch zuversichtlich, dass wir die existierenden Investitionsmittel in den Markt bekommen. Es darf keine Krise nach der Krise geben.

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Wird der digitale Bauantrag, den es in NRW noch nicht gibt, für schnellere Genehmigungen sorgen?

2018 haben wir ein Programm zu digitalen Baugenehmigungen in sechs NRW-Kommunen gestartet. Darunter waren auch Dortmund und Xanten. Die Ergebnisse sind sehr ermutigend. Deshalb haben wir das NRW-Bauportal online gestellt. In der zweiten Jahreshälfte sollen Bürger und Unternehmen ihre Bauanträge komplett digital über diese Plattform an ihre Bauämter übermitteln können. Dabei zahlt sich jetzt aus, dass viele Städte noch gar nicht mit der Digitalisierung begonnen haben. Das versetzt uns in die Lage, alle gleichzeitig unter den gleichen Voraussetzungen an den Start zu bringen. Ein Flickenteppich würde keinen Sinn machen.

Welche Vorteile versprechen Sie sich von dem Portal?

Routineprozesse können digital abgewickelt werden. Damit werden wir schneller und erhalten mehr Rechtssicherheit. Der Ermessensspielraum bleibt aber natürlich bei den Mitarbeitern in den Bauämtern. Die Baugenehmigung wird weiterhin ein Mensch erteilen.

www.bauportal.nrw