Essen. Mehr als 48.000 Wohnungen wurden 2018 in NRW gebaut. Die NRW-Bank sieht den Bedarf aber viel höher. Warum in Großstädten Wohnungen fehlen.
Es gibt kaum ein freies Grundstück, auf dem aktuell nicht Maurer Wände hochziehen oder sich ein Kran dreht. In NRW wird so viel gebaut wie selten zuvor. Nur für 2004 registrierte das Landesamt für Statistik eine höhere Bautätigkeit. Und trotzdem reicht es nicht, heißt es bei der NRW-Bank, die im Auftrag der Landesregierung den Wohnungsbau finanziell fördert, aber auch statistisch erfasst.
Melanie Kloth leitet bei der NRW-Bank das Team Wohnungsmarktbeobachtung. Gerade hat sie Zahlen über die Bautätigkeit in Nordrhein-Westfalen für das Jahr 2018 veröffentlicht. Die für 2019 kommen erst sehr viel später. Danach wurden im vorvergangenen Jahr insgesamt 48.150 Wohnungen gebaut. „Damit erreicht die Bautätigkeit das zweitbeste Ergebnis seit dem Jahr 2006 und verfehlte nur knapp das Ergebnis aus dem Vorjahr“, sagt Kloth.
Trotz der guten Zahlen, urteilt die NRW-Bank, liege die Bautätigkeit „weit unter Bedarf“. Eine aktuelle Einschätzung über die Zahl der fehlenden Wohnungen im Lande will das Geldinstitut nicht wagen. Die Landesregierung hat eine Bedarfsanalyse in Auftrag gegeben. Die Ergebnisse liegen noch nicht vor. In jüngerer Vergangenheit hatte die NRW-Bank aber geschätzt, dass rund 80.000 Wohnungen in NRW fehlen. Das entspricht in etwa der Größe der gesamten Stadt Herne.
Wohnungsmarkt in NRW ist gespalten
Bei der Versorgung mit Wohnraum ist das Land freilich gespalten. „Der Wohnungsmarkt in NRW ist sehr differenziert. In Düsseldorf, Köln, Münster und Aachen gibt es zum Beispiel eine sehr starke Nachfrage. Die Bautätigkeit kommt nicht nach“, sagt Expertin Kloth. „In Teilen von Sauerland und Ostwestfalen haben wir dagegen eine entspannte Situation.“
Uneinheitlich ist die Situation auch im Revier. „Das Ruhrgebiet liegt genau dazwischen“, meint die Teamleiterin von der NRW-Bank. „In Essen und Dortmund wächst die Wohnungsnachfrage, in Gelsenkirchen und Oberhausen geht sie zurück“, nennt Kloth Beispiele.
Die Gründe für die in weiten Teilen des Landes grassierende Wohnungsnot liegen nach Einschätzung des Finanzinstituts auf der Hand: „NRW wächst seit 2012 durch Zuwanderung“, erklärt die Teamleiterin. Entscheidend sei allerdings die Binnenwanderung. „Immer mehr Menschen ziehen in die attraktiven Städte.“ Dort werde bereits das Bauland knapp.
Bauland wird immer teurer
Die Folge: steigende Preise. Eine Bremswirkung auf den Wohnungsbau entfalteten zudem „Engpässe bei Handwerkern und Bauunternehmen, weil sie ausgelastet sind“. Aber auch die etwa von Immobilienkonzernen immer wieder kritisierten Verzögerungen bei den Baugenehmigungen. „In den Stadtverwaltungen fehlen Fachkräfte in den Planungs- und Bauabteilungen“, sagt Kloth.
Bis in die einzelnen Kommunen hinein hat die NRW-Bank die Lage auf dem Wohnungsmarkt analysiert. Die größte Wohnungsnachfrage im Ruhrgebiet registriert das Institut in Essen. Laut Prognosen soll die heimliche Hauptstadt des Reviers in zehn Jahren wieder die Marke von 600.000 Einwohnern überspringen. Mit einem Anteil von sieben Prozent lag der Anteil der Sozialwohnungen 2018 in Essen deutlich unter dem Landesschnitt von 9,3 Prozent. Dafür stehen hier mit 72,5 Prozent deutlich mehr Wohnungen, die vor 1970 gebaut wurden, als im NRW-Schnitt, der bei nur 54 Prozent liegt. Zwischen 2009 und 2018 wurde baureifes Bauland in Essen um 22,2 Prozent teurer, Bestandsmieten stiegen um 17,6 Prozent. Der Kaufpreis für Eigenheime kletterte sogar um 36 Prozent – und damit mehr als dreimal so stark wie in Gelsenkirchen.
Dortmund und Essen wachsen
Prognosen sehen auch Dortmund auf Wachstumskurs über die Marke von 600.000 Einwohnern hinaus. In der Westfalenmetropole gibt es allerdings mehr Sozialwohnungen und mit einem Anteil von 66 Prozent weniger ältere Wohnungen als in der rivalisierenden Stadt Essen. Die Baulandpreise sind in Dortmund während der vergangenen zehn Jahre um fast 50 Prozent gestiegen.
Für Duisburg, Herne und Bochum gehen die Statistiker von leicht, für Oberhausen und Bottrop von deutlich rückläufigen Bevölkerungszahlen aus. Gelsenkirchen und Mülheim sehen sie in der Entwicklung stabil.
Trotz des großen Nachholbedarfs beim Wohnungsbau zeigt sich die NRW-Bank zuversichtlich, dass staatlich geförderte Programme zusätzliche Impulse setzen. Die Landesregierung hat ein Wohnraumförderungsprogramm aufgelegt, das noch bis 2022 läuft. So gibt es etwa für den Bau von Sozialwohnungen ein zehnjähriges zinsfreies Darlehen. Parallel läuft auch ein Programm, das den Kommunen bei der Ausweisung von Bauland helfen soll.