Essen. Viele Experten erwarten, dass Mieten und Immobilienpreise wegen Corona sinken. Eine Studie mit frischen Zahlen widerlegt die Prognose.

Mieten und Immobilienpreise kannten in den vergangenen Jahren nur eine Bewegung: nach oben. Mit der Corona-Krise könnte der Boom enden, prognostizieren Forscher. Sicher ist das freilich nicht. Am Montag hat das renommierte Hamburger Beratungs- und Forschungsunternehmen F+B die ersten Zahlen aus den Shutdown-Zeiten vorgelegt. Danach entwickelten sich Mieten und Preise für Eigentumswohnungen eher stabil. Allerdings stellten die Experten fest, dass deutlich weniger Wohnungen auf den Markt kommen, weil während der Pandemie Umzüge aufgeschoben werden.

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„Bei der Analyse der Mietpreisentwicklung lassen sich keine beziehungsweise kaum Corona-Effekte erkennen“, sagt F+B-Geschäftsführer Bernd Leutner. Vermieter verzichteten eher auf die sofortige Vermietung, bevor sie in Erwartung einer Rezession die Mieten senken. Zumal Mieter den geplanten Umzug angesichts der Corona-Krise und ihrer unsicheren wirtschaftlichen Perspektive offenbar häufiger verschieben. Der Bochumer Dax-Konzern Vonovia etwa registriert deutlich weniger Kündigungen in der Kundschaft.

Mieter verschieben Umzug in der Corona-Krise

Aus diesem Grund fanden die Spezialisten von F+B auch deutlich weniger Immobilienanzeigen als sonst im Frühjahr, die sie auswerten konnten. Zwischen dem 2. März und dem 19. April sei die Zahl der Annoncen für Mietwohnungen um 38 Prozent zurückgegangen, berichten die Forscher. Die Mieten für neu angebotene Wohnungen schwankten der Studie zufolge in dem Zeitraum nur leicht – zwischen minus 0,2 bis plus 2,2 Prozent. Im Ruhrgebiet gaben die Mieten den Angaben zufolge allein in Mülheim, Gladbeck, Dortmund und Heiligenhaus leicht nach. Die Preise für Eigentumswohnungen stiegen im ersten Quartal in allen Revierstädten.

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„Insgesamt warnen wir nachdrücklich vor Panikmache und vorschnellen Schlussfolgerungen ‚aus dem Bauch‘ auf der Grundlage scheinbar plausibler Hypothesen“, betont F&B-Geschäftsführer Leutner. Immobilien- und Wohnungswirtschaft reagierten auf globale Entwicklungen nicht so stark wie Aktienmärkte. „Wohnungsmärkte sind auch heute noch eher träge, so dass Indikatoren erst zeitverzögerte Messergebnisse zeigen“, so der Experte.

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© funkegrafik nrw | Marc Büttner

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) hatte in der vergangenen Woche noch sinkende Preise für Wohnungen vorausgesagt. „Ausgehend von möglichen Insolvenzen und vermehrter Arbeitslosigkeit dürften die zukünftigen Mietpreiserwartungen vermindert werden, weil den Haushalten insgesamt weniger Einkommen zur Verfügung steht“, erklärte Studienautor Michael Voigtländer. „Dies könnte sich tendenziell negativ auf die Wohnungspreise auswirken.“ Auch die Unsicherheit wachse, was die Kaufpreise belaste. Beim IW geht man davon aus, dass die Preise umso stärker einbrechen, je mehr die Wirtschaft schrumpfe.

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Nordrhein-Westfalens größter Vermieter, die LEG, hält es noch für zu früh, die Auswirkungen der Pandemie auf die Immobilienpreise zu beziffern. Verkäufe seien meist langfristig angelegt und unterlägen deshalb nicht kurzfristigen Markttendenzen, sagte ein Sprecher. Gleichwohl erinnert man sich in dem börsennotierten Konzern an die Finanzmarktkrise 2008/2009, als niedrige Zinsen die Immobilien-Nachfrage anheizten und die Preise in die Höhe trieben. „Ähnliche Mechanismen sind potenziell auch als Nebenwirkung zur Bewältigung der aktuellen Krise denkbar. Sie würden sich dann im Falle eines Falles nachhaltiger auswirken als etwa die Effekte von Mietstundungen im Zuge der Corona-Krise“, so der LEG-Sprecher.

Makler Brockhoff: Immobilienbranche kann sich wieder erholen

Nach Einschätzung des Essener Maklers Eckhard Brockhoff werde sich die Entwicklung der Immobilienpreise an der Dauer des wirtschaftlichen Ausnahmezustands orientieren. Sollte der Shutdown wie in China nach drei oder vier Monaten beendet sein, „wird sich die Immobilienbranche ohne größere Veränderungen erholen und da weiter machen, wo sie vor der Pandemie aufgehört hat“, sagt Brockhoff.

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Die nach wie vor hohe Nachfrage, steigende Baukosten und ein Mangel an Baugrundstücken sprechen für den Immobilien-Unternehmer nicht für sinkende Preise. Er beobachtet, dass das Interesse von Investoren und Entwicklern an Neubauprojekten im Ruhrgebiet schwinde. „Für Projektentwickler rentiert sich das nicht, da Eigentumswohnungen im Ruhrgebiet meistens mit 3000 bis 4000 Euro pro Quadratmeter verkauft werden. Da ist kein Spiel für sinkenden Preise, weil sich die Erstellung sonst gar nicht mehr rechnet“, so Brockhoff.

In München werden bei Eigentumswohnungen laut F+B-Studie aktuell 10.000 Euro pro Quadratmeter aufgerufen, Berlin kratzt an der 6000-Euro-Grenze. Bei den Mieten sind es 22 beziehungsweise 15 Euro.