Essen. Haus & Grund-Präsident Warnecke fordert die Abschaffung von Anliegerbeiträgen für Eigentümer. Damit würden viele Kommunen ihre Straßen vergolden.
Mehr als 80 Prozent der Wohnungen in Deutschland gehören privaten Eigentümern. Ihre mächtigste Stimme ist der Verband Haus & Grund. Mit dem Präsidenten Kai Warnecke sprach Frank Meßing über Aufreger-Themen wie bezahlbare Mieten, Grundsteuer, Anliegerbeiträge und Wohnungstausch.
Herr Warnecke, selbst große Immobilienkonzerne beklagen, dass in Deutschland bezahlbare Wohnungen fehlen. Was läuft da schief?
Kai Warnecke: Wer gerade sucht, findet nicht sofort seine Wunschwohnung. Das liegt an der hohen Nachfrage. Sie hat die Debatte um bezahlbaren Wohnraum erst ausgelöst. Fakt ist: Nach amtlichen Statistiken geben die Bundesbürger seit 2005 im Durchschnitt 28 Prozent des Netto-Haushaltseinkommen für Miete und Nebenkosten aus. Das ist ein sehr stabiler Wert. Aber 20 Prozent der Ärmsten sind deutlich höher mit Ausgaben für das Wohnen belastet. Um diese Menschen müssen wir uns kümmern.
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In den nächsten Jahren läuft aber zusätzlich die öffentliche Bindung von bundesweit zwei der drei Millionen Sozialwohnungen aus. Müsste der soziale Wohnungsbau im Gegenteil nicht angekurbelt werden?
Sozialer Wohnungsbau ist nicht zielführend. In der Hälfte dieser Wohnungen leben Menschen, die da gar nicht hingehören und Fehlbelegungsabgabe an den Staat bezahlen. Um den Gruppen mit dem höchsten Risiko – das sind vor allem Witwen und alleinerziehende Frauen - zu unterstützen, ist das Wohngeld das beste Instrument. Sozialwohnungen lösen das Problem nicht.
Die Grünen schlagen ein Recht auf Wohnungstausch vor, um bei neuen Verträgen höhere Mieten zu vermeiden. Ist das ein realistischer Weg?
Nein. In Deutschland gibt es keine funktionierende Tauschbörse für Wohnungen. Wenn es ein gesetzlich verbrieftes Recht auf Wohnungstausch gäbe, könnte sich der Vermieter seine Mieter nicht mehr selbst aussuchen. Auch um den Hausfrieden zu wahren, ist das aber erforderlich.
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Die gerade vom Bundestag beschlossene Reform der Grundsteuer erhitzt die Gemüter. Warum wehrt sich Haus & Grund so vehement dagegen, den Immobilienwert in die Bewertung einzubeziehen?
Wenn die Bundesländer die Regelung aus dem Gesetz von Bundesfinanzminister Olaf Scholz übernehmen, wird Nordrhein-Westfalen 2500 bis 3000 zusätzliche Finanzbeamte einstellen müssen, die die Grundsteuer berechnen und eintreiben. Das bedeutet 250 Millionen Euro Personalkosten allein für NRW. Dieses Geld sollte besser bei den Kommunen bleiben, damit sie es in Schulen und Straßen investieren. Wir raten deshalb der NRW-Landesregierung dringend dazu, die Öffnungsklausel zu nutzen und das bayrische Modell zu übernehmen. Ohne die Einbeziehung des Immobilienwerts wird die Grundsteuer dort sehr einfach und schnell berechnet.
Welche Nachteile bringt denn das Scholz-Modell mit sich?
Es benachteiligt insbesondere Eigentümer von Einfamilienhäusern und Mehrfamilienhäuser in beliebten Quartieren, die vor dem 2. Weltkrieg gebaut wurden. Diese gefragten Lagen werden dann noch teurer. Das Scholz-Modell ist ideologisch auf Genossenschaften zugeschnitten. Dabei bieten sie gar nicht die günstigeren Mieten an. Haus & Grund schließt nicht aus, dass das Scholz-Modell verfassungswidrig ist und plant, dagegen juristisch vorzugehen.
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Die NRW-Landesregierung plant zwar Erleichterungen, hält aber prinzipiell daran fest, Eigentümer von Immobilien an den Kosten für den Ausbau von Straßen zu beteiligen. In Ländern wie Bayern oder Baden-Württemberg gibt es diese umstrittenen Anliegerbeiträge nicht. Ist das gerecht?
Straßenbeiträge gehören generell abgeschafft. Der Ausbau von Straßen ist sehr teuer geworden. Zudem nutzen viele Kommunen die Gelegenheit, um die Straßen zu vergolden. Das bedeutet teilweise sechsstellige Summen für die Anlieger. Gegen einige Hundert Euro hätte niemand etwas einzuwenden. Wir kennen aber Fälle, in denen der Ausbaubeitrag den Wert der Immobilie übersteigt. Das ist absurd.
Politik und Wirtschaft wollen die Elektromobilität ankurbeln. Was können und wollen Vermieter tun, um ihren Mietern Ladestationen zur Verfügung zu stellen?
Die Autohersteller bringen die Vermieter ins Spiel, um von ihren eigenen Versäumnissen abzulenken. Das ist aber realitätsfern. Vor allem in den Ballungsräumen wie dem Ruhrgebiet gibt es nur sehr wenige Garagen, in denen Mieter oder Eigentümer Wallboxen montieren können, um ihre E-Autos aufzuladen. Deshalb muss es eine Ladeinfrastruktur auf den Straßen geben. Dafür brauchen analog zu Benzin-Zapfsäulen regelrechte Tankstellen, an denen E-Autos in fünf Minuten aufgeladen werden können. In Häusern mit mehreren Parteien reichen zudem die Netze doch gar nicht aus, um Auto-Batterien zu füllen. Dafür sind erhebliche Investitionen nötig.