Essen. Forscher sagen einen Wertverlust für Immobilien im Ruhrgebiet voraus, auch weil Jobs für Akademiker fehlen. Die Lage in den einzelnen Städten.
Wegen der hohen Nachfrage kannte die Preisentwicklung für Wohnimmobilien im Ruhrgebiet in den vergangenen Jahren nur eine Richtung: Es ging nach oben. Die Autoren des Postbank Wohnatlas 2019 sagen aber jetzt ein Ende dieses Aufwärtstrends und einen Wertverlust für Häuser und Wohnungen im Revier bis zum Jahr 2030 voraus.
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Experten des Weltwirtschaftsinstituts in Hamburg rechnen damit, dass sich nach Jahren des Aufschwungs die wirtschaftliche Lage im Ruhrgebiet eintrübt und zugleich die ohnehin alternde Bevölkerung wieder schrumpft. Die Ökonomen gehen deshalb davon aus, dass die Immobilien bis 2030 jährlich etwa in Essen um 0,85 Prozent an Wert verlieren werden. In Duisburg sehen sie das Minus bei 1,16 Prozent und in Gelsenkirchen gar bei 1,9 Prozent. „Damit koppeln sich Essen und das Ruhrgebiet vom erwarteten positiven Preistrend der sieben größten deutschen Metropolen, München, Hamburg, Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Stuttgart, Düsseldorf und anderer prosperierender Großstädte ab“, heißt es in der Studie.
Revier lockt zu wenige junge Leute an
Im Gegensatz zum Revier wird den anderen Ballungsräumen eher zugetraut, vor allem junge Menschen anzulocken. Das Bevölkerungswachstum wirke sich positiv auf die Erwerbstätigkeit und die ökonomische Leistungsfähigkeit der jeweiligen Regionen aus. „Im Ruhrgebiet beobachten wir eine stärkere Alterung der Gesellschaft und es fehlen hochqualifizierte Arbeitsplätze für Akademiker“, fasst Dörte Nitz-Drießelmann, Forscherin am Weltwirtschaftsinstitut, die beiden Hauptgründe für einen sinkenden Wohnraum-Bedarf und damit sinkende Immobilienpreise zusammen.
„Es gibt zwar sehr viele Hochschulen und Studenten im Ruhrgebiet. Es fehlen aber hochqualifizierte Arbeitsplätze für die Absolventen“, sagt Dörte Nitz-Drießelmann unserer Redaktion. Das Revier verliere in hohem Maße fertige Studenten an andere Metropolen, in denen es für die wichtige Zielgruppe der 18- bis 30-Jährigen mehr und besser bezahlte Jobs gebe. Der Grund: Die Unis an der Ruhr seien noch zu stark auf die alten Industrien fokussiert.
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Weniger Einkommen und im Vergleich zu anderen Metropolen größere Haushalte führen nach Einschätzung des Weltwirtschaftsinstituts zu einem sinkenden Bedarf an Wohnraum im Revier und damit zu fallenden Preisen. München dagegen kann bis zum Jahr 2030 mit der höchsten jährlichen Wertsteigerung rechnen: 1,81 Prozent. In Düsseldorf sollen es 1,09 Prozent sein, in Köln 0,98 Prozent.
Freilich weisen die Experten auch darauf hin, dass es in Städten wie Essen und Duisburg Stadtteile und Ortslagen gebe, in denen die Preise weiter steigen. „Städte und Gemeinden, die über eine gute Verkehrsanbindung an die Ruhrmetropole verfügen, werden von Käufern zunehmend nachgefragt. Dort werden die Immobilienpreise spürbar anziehen“, heißt es im Wohnatlas. „Häuser oder Wohnungen, die in dieser Hinsicht ungünstig gelegen sind, werden hingegen deutlich an Wert verlieren.“
2018: Höchste Preissteigerungen in Duisburg und Dortmund
Trotz der zum Teil trüben Aussichten haben auch Eigentümer von Immobilien an Rhein und Ruhr vom Preisauftrieb der zurückliegenden Boom-Phase profitiert. In Essen war eine Eigentumswohnung im vergangenen Jahr im Schnitt 7,3 Prozent teurer als 2017. Der Quadratmeterpreis kletterte auf 1700 Euro. In Duisburg (1234 Euro) und Dortmund (1624 Euro) war der Preissprung mit 8,86 und 9,74 Prozent noch höher. Vom allgemeinen Wertzuwachs im Ruhrgebiet konnte laut Wohnatlas am wenigsten die Stadt Herne profitieren. Hier betrug das Plus gerade einmal 0,5 Prozent auf durchschnittlich 1204 Euro pro Quadratmeter.
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Postbank und Weltwirtschaftsinstitut untersuchen auch regelmäßig, wie teuer das Wohnen in der eigenen Immobilie im Vergleich zur Miete ist. Als Messgröße ziehen sie dazu den sogenannten „Vervielfältiger“ heran. Danach werden in Essen 20,1 Jahresnettokaltmieten fällig, um eine 70 Quadratmeter große Eigentumswohnung zu kaufen. Ihre durchschnittliche Nettokaltmiete wird mit 7,05 Euro pro Quadratmeter veranschlagt.
Bleibt der „Vervielfältiger“ unter 22,5, sprechen die Ökonomen vom Weltwirtschaftsinstitut von „moderaten Preissteigerungen“. „Ein hoher Faktor ist ein Hinweis darauf, dass die Preise möglicherweise überhitzen und künftige Wertsteigerungen bereits vorweggenommen wurden“, sagt Matthias Weber von der Postbank Finanzberatung. Die Gefahr besteht im Ruhrgebiet offenbar nicht: Mit 21,5 hat Mülheim den höchsten „Vervielfältiger“ und Gelsenkirchen mit 15,2 den geringsten.
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