Essen. Thyssenkrupp-Aktie im freien Fall. Der Verkauf der Aufzugssparte kann aber nicht an Corona-Krise scheitern – das ist vertraglich ausgeschlossen.
Beim angeschlagenen Essener Industriekonzern Thyssenkrupp schlägt der inzwischen fast tägliche Börsencrash noch weit heftiger durch als in anderen Unternehmen: Die im MDax notierte Aktie verlor am Montag fast ein Fünftel ihres Werts, unterschritt dabei erstmals die Marke von vier Euro. Damit hat sich der Börsenwert des Unternehmens binnen zwölf Tagen halbiert. Damit fielen die Verluste des Thyssenkrupp-Papiers sowohl am Montag als auch über die vergangenen zwei Wochen hinweg etwa doppelt so heftig aus wie im Durchschnitt der Dax- und MDax-Konzerne. Zum Abend hin erholte sich der Kurs etwas, aber bei Weitem nicht so stark wie bei anderen MDax-Unternehmen.
Kein Papier für Krisenzeiten
Zu den möglichen Gründen verwies das Unternehmen wie unlängst bereits Konzernchefin Martina Merz auf die bei Thyssenkrupp vielen kurzfristig orientierten Anteilseigner, die vermehrt mit Verkäufen reagierten. Für Risikoanleger ist das Industrie-Traditionsunternehmen offensichtlich das falsche Papier für allgemeine Krisenzeiten. Spekulationen, der wichtige Verkauf der Aufzugssparte Elevator könne im Zuge der Coronakrise wieder in Gefahr geraten, sind aber unbegründet: Wie unsere Redaktion aus Konzernkreisen erfuhr, ist dieses Risiko vertraglich ausgeschlossen worden.
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Finanzchef Johannes Dietsch sagte in einer internen Mitarbeiter-Information unlängst zu den Kurseinbrüchen: „Das aktuelle Börsenumfeld ist derzeit besonders schwierig: Corona sensibilisiert die Märkte, die Konjunktur schwächelt, vor allem die Autoindustrie, unsere größten Kunden.“ Die Anleger seien verunsichert. „Und das gilt eben besonders mit Blick auf Unternehmen, die einen hohen Verschuldungsgrad aufweisen, so wie wir“, räumte der Finanzvorstand ein.
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Hinzu kommen Börsenbeobachtern zufolge Automatismen von Aktienfonds. Fällt eine Aktie unter einen bestimmten Schwellenwert, werfen Algorithmen sie automatisch aus dem Depot. Und die Thyssenkrupp-Aktie hat zuletzt viele Marken unterschritten, am 6. März rutschte sie erstmals in ihrer Geschichte unter sieben Euro, was für manche Fonds bereits die rote Linie gewesen sein dürfte. Vergangenen Donnerstag notierte Thyssenkrupp erstmals unter fünf, an diesem Montag dann sogar unter vier Euro.
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„Es fallen immer neue Schwellen, man lässt den Algorithmen freien Lauf, das ist der Wahnsinn“, sagte Marc Tüngler von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz. Die Kursverluste seien kaum aufzuhalten, solange Roboter den Handel im Griff hätten. Hinzu kämen bewusste Wetten auf fallende Kurse. „In einer besonderen Situation wie dieser sollte man ernsthaft darüber nachdenken, auch besondere Maßnahmen zu ergreifen wie Handelsaussetzungen und die Einschränkung von Short-Positionen“, appelliert Aktionärsschützer Tüngler.
Corona-Krise kein Rückabwicklungs-Grund für Elevator-Deal
Schon nach Verkündung des milliardenschweren Verkaufs der Aufzugsparte Elevator vor drei Wochen war der Thyssenkrupp-Kurs eingebrochen, obwohl die Einnahmen von 17,2 Milliarden Euro zentral sind für die Sanierung des Konzerns. Möglicherweise spekuliert wegen der globalen Ausmaße der Corona-Krise inzwischen manch Marktbeobachter darauf, dass der Deal mit den Finanzinvestoren Advent, Cinven und der RAG-Stiftung noch platzen könnte.
Das ist Unternehmenskreisen zufolge allerdings unbegründet. Nicht nur sei die Finanzierung des Deals durch die Käufer voll vertraglich gesichert, hieß es, sondern auch eine Rückabwicklung wegen höherer Gewalt ausgeschlossen. Wie diese Redaktion aus den Kreisen zudem erfuhr, wird in diesem Zusammenhang explizit auch das Risiko durch eine Ausbreitung des Coronavirus genannt und als Rückabwicklungsgrund ausgeschlossen.
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Doch der eigentliche Grund für den Vertrauensverlust in die Thyssenkrupp-Aktie sei das fehlenden Konzept, was der Vorstand nun mit den 17 Milliarden vorhabe, sagt Aktionärsschützer Tüngler. Merz hatte angekündigt, im Mai darzulegen, wieviel Geld wo investiert und wieviel in den Schuldenabbau gesteckt werden soll. Tüngler rät, das dringend vorzuziehen, „auch scheibchenweise vorgestellte Detailpläne wären besser als bis Mai dem Verfall der Aktie zuzuschauen“, sagte er.