Essen. Mehr Heimarbeit, weniger Konferenzen: So reagieren Eon, RWE, Thyssenkrupp, Vonovia & Co. auf die Corona-Epidemie. Notfallpläne für Stahlwerke.

Was tun, um die Mitarbeiter vor einer Ansteckung zu schützen? Und wie reagieren, wenn einer das Corona-Virus trägt – so wie in einem Thyssenkrupp-Werk im Münsterland, wo es den ersten bestätigte Fall gibt? Alle nach Hause schicken, ins Homeoffice? In welchen Abteilungen geht das, in welchen nicht? Alle großen Konzerne im Ruhrgebiet haben Krisenstäbe eingerichtet und Szenarien für verschiedene Eskalationsstufen der Corona-Epidemie entworfen, wie eine Umfrage dieser Zeitung ergab.

Viele Veranstaltungen werden abgesagt

Die womöglich wichtigste Maßnahme bei fast allen: Ansammlungen von Kollegen und Großveranstaltungen werden möglichst vermieden, Messeauftritte, Konferenzen und Meetings abgesagt. So halten es RWE, Eon, Innogy, Thyssenkrupp und Evonik. Der Wohnungskonzern Vonovia teilte mit, verschiedene Szenarien zu entwickeln, um auf einen möglichen Ausbruch bei Mitarbeitern oder Mietern vorbereitet zu sein.

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Das Wort „Präsenzveranstaltung“ findet sich derzeit in vielen Mitteilungen der Großunternehmen, sie sagen eben diese reihenweise ab. Evonik hat seine jüngste Führungskräftekonferenz gestrichen, RWE seine Bilanzvorlage, den Capital Market Day in London und den RWE-Talk in Berlin abgesagt. Konferenzen mit Journalisten, Finanzakteuren und Geschäftspartnern werden als Video- oder Telefonkonferenzen organisiert. Innogy hat seine außerordentliche Hauptversammlung noch in der Essener Philharmonie durchgezogen – obwohl am Tag der Veranstaltung ein Infektionsfall ganz in der Nähe bestätigt wurde. Die Veranstaltung war für den Mutterkonzern Eon eminent wichtig, weil er die Innogy-Kleinaktionäre mit Zwangsabfindungen aus dem Unternehmen herausdrängen will.

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Im laufenden Betrieb haben alle Konzerne Krisenstäbe eingerichtet, die sie nur etwas anders nennen. Bei Eon und Innogy ist es eine „zentrale Expertengruppe“, bei RWE die „Krisenorganisation“, bei Thyssenkrupp dann doch der „Krisenstab“. Stets werden die Corona-Verbreitung samt Empfehlungen der Behörden fortlaufend ausgewertet, Risikobeurteilungen vorgenommen, Präventions-Maßahmen erarbeitet und Notfallpläne entworfen.

Thyssenkrupp empfiehlt mehr Homeoffice

Sollten Mitarbeiter am Virus erkranken, gibt es bei Bürotätigkeiten bessere Möglichkeiten zu reagieren als in der Produktion, vor allem durch das mobile Arbeiten von zu Hause, wie aus allen Unternehmen zu hören ist. Bei Thyssenkrupp etwa hat der Krisenstab den Führungskräften bereits ausdrücklich „empfohlen, betriebliche Vereinbarungen zum mobilen Arbeiten oder zum Homeoffice zu nutzen.“

Stillstand ist für Stahlwerke keine Option, auch nicht für das  Oxygen-Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg.
Stillstand ist für Stahlwerke keine Option, auch nicht für das Oxygen-Stahlwerk von Thyssenkrupp in Duisburg. © FUNKE Foto Services | Jörg Schimmel

Das geht im Stahlwerk natürlich nicht, ein Hochofen muss dauerhaft im Betrieb sein. Deshalb hat die Stahlsparte ihren eigenen Krisenstab und für ihr Produktionsnetzwerk „im Rahmen unserer allgemeinen Notfallpläne und der aktuellen Pandemie-Vorsorge soweit wie möglich Maßnahmen getroffen, um Störungen zu vermeiden und kurzfristig auf sich verändernde Situationen reagieren zu können“, teilte der Konzern auf Anfrage mit.

RWE splittet Teams auf

Nicht anders geht es etwa auch den Kohlekraftwerken von RWE, sie müssen vor Ort gesteuert werden. „Im Bedarfsfall prüfen und aktivieren wir Maßnahmen zur Minimierung betrieblicher Risiken, zum Beispiel durch Aufsplittung von Teams und Schichtbetrieben“, heißt es auf Anfrage. Der Schichtbetrieb kommt einer Eingrenzung möglicher Ansteckungswege im Ernstfall entgegen, weil nie alle Beschäftigten gleichzeitig arbeiten.

Auf den ersten Corona-Fall in Beckum hat Thyssenkrupp reagiert, indem alle Mitarbeiter, die Kontakt mit dem Infizierten hatten, in häusliche Quarantäne geschickt wurde, der Betrieb läuft weiter.

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Derzeit versuchen aber alle Konzerne, diesem Ernstfall vorzubeugen, etwa durch Reiseverbote: Bei Eon und Innogy gibt es ein „vorübergehendes Geschäftsreiseverbot“ für die Risikogebiete in Asien und Italien. Auch Privatreisen dorthin sollen diese mit ihren Vorgesetzten abstimmen. RWE hat seit Mitte Februar Dienstreisen nach Asien untersagt. Ende Februar folgten Geschäftsreisen nach Norditalien. Wer sich derzeit bereits in einer der Risikoregionen aufhalte, werde aufgefordert, „persönlichen Kontakt zu Kollegen für mindestens 14 Tage zu vermeiden“, so RWE. Thyssenkrupp verbietet „Reisen von und nach China“. Zuletzt kamen „Reisewarnungen für Korea, den Iran und Norditalien“ hinzu.

Darf der Handwerker in Quarantäne-Wohnung?

Der Bochumer Wohnungsriese Vonovia teilte mit, „verschiedene Szenarien“ zu erarbeiten. Denkbare Probleme für jeden Vermieter seien etwa Infektionen von Mietern, in deren Wohnungen Sanierungs- oder gar dringliche Reparaturarbeiten erledigt werden müssten. Handwerker dürfen Wohnungen unter Quarantäne eigentlich ja nicht betreten. Wie das zu lösen wäre, bleibt offen. Vonovia teilte dazu lediglich mit, es stehe „für uns klar im Vordergrund, dass wir Betroffene bestmöglich unterstützen und dabei den gewohnten Service sicherstellen wollen“.

Der Chemiekonzern Evonik sorgt sich vor allem um seinen Chemiepark in Marl. Es müsse vermieden werden, dass eine Situation entsteht, in der womöglich „der gesamte Standort Marl in Quarantäne“ geschickt werde, sagte Personalchef Thomas Wessel jüngst. Vorsicht lasse Evonik schon deshalb walten, da wegen eines Kraftwerksprojekts derzeit rund 2000 Beschäftigte von Fremdfirmen in Marl aktiv seien, auch Mitarbeiter aus Norditalien.