Essen. Eon findet die verbliebenen Aktionäre ab, um Innogy vollends integrieren zu können. Aktionärsschützer reden von „Beerdigung“ und verlangen mehr.

Die Manager nennen es einen „Neuanfang“, Aktionärsschützer eine „Beerdigung“. Die letzte Innogy-Hauptversammlung ist eine außerordentliche und sie wird von Eon-Chef Johannes Teyssen geleitet, der zugleich den Aufsichtsrat seiner Neuerwerbung leitet. Denn der einzige Grund für die Zusammenkunft der Aktionäre ist es, ihnen ihre Papiere abzunehmen. Der Dax-Konzern Eon hat seinem früheren Konkurrenten RWE dessen Tochter Innogy abgekauft, hält inzwischen 90 Prozent der Aktien. Die restlichen Anteilseigner sollen nun zwangsabgefunden werden.

Bei Übernahmen dieser Art ist das so genannte „Squeeze-out“ eigentlich eine Formalie. Dafür ist die Philharmonie in Essen aber dann doch recht gut besucht. Trotz der auf diesen einen Punkt minimierten Tagesordnung – und trotz der auch in Essen wachsenden Sorge vor einer Ausbreitung des Corona-Virus. Vor allem, nachdem am Morgen ein bestätigter Infektionsfall im angrenzenden Südviertel bekannt wurde. Alle Anwesenden, rund 150 Kleinaktionäre und wohl nicht viel weniger Manager, Aufsichtsräte, Mitarbeiter und Servicepersonal der Philharmonie sollen deshalb ihre Personalien auf einer Karte hinterlassen. So wie die Aussteigerkarten, die an Flughäfen und Bahnhöfen Passagiere aus Risikogebieten ausfüllen müssen.

Eon erwartet 780 Millionen Euro Einsparungen

Leonhard Birnbaum, Innogy-Chef und Eon-Vorstandsmitglied, bat die Kleinaktionäre um Zustimmung, damit die Integration vereinfacht werde und so die erwarteten Synergien von rund 780 Millionen Euro ab dem Geschäftsjahr 2024 gehoben werden könnten. Derzeit haben beide jeweils rund 40.000 Mitarbeiter. Nach der Weitergabe des Ökostromgeschäfts an RWE und dem angekündigten Abbau von 5000 Stellen im Zuge der Fusion, davon 1600 in Essen und Dortmund, wird die neue Eon etwa 70.000 Menschen beschäftigen. Teyssen will sich mit Netzen und Vertrieb künftig ganz auf die Lieferung und den Verkauf von Strom konzentrieren, während RWE die Erzeugung bleibt. Mit den Ökostrom-Sparten von Eon und Innogy will RWE dann neben seiner umstrittenen Braunkohle verstärkt als großer Grünstromproduzent auftreten.

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Mit der von Birnbaum als „angemessen“ bezeichneten Abfindung von 42,82 Euro waren die Kleinaktionäre freilich keineswegs zufrieden. Aktuell steht der Aktienkurs von Innogy bei 43,45 Euro, Joachim Kregel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SDK) nannte das „mickrig“ und hielte stattdessen 52 Euro für angemessen, was neben der reinen Kursentwicklung auch die an Eon übertragenen Sachwerte berücksichtigen würde.

Innogy verschwindet

Wie er setzt auch Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) darauf, dass in Spruchverfahren noch eine höhere Abfindung vor Gericht erreicht werden kann. Dem aus dem Eon-Vorstand entsandten Innogy-Chef Birnbaum wirft er vor, allein die Eon-Brille aufzuhaben, wenn er von einem Neuanfang rede. „Für Innogy ist das hier ja wohl eher eine Beerdigung“, sagte Hechtfischer.

Die Vorstandschefs Johannes Teyssen (Eon) und Rolf Martin Schmitz (RWE) nach ihrem Deal zur Innogy-Zerschlagung.
Die Vorstandschefs Johannes Teyssen (Eon) und Rolf Martin Schmitz (RWE) nach ihrem Deal zur Innogy-Zerschlagung. © FUNKE Foto Services | Kai Kitschenberg

Mit der Verschmelzung wird Innogy verschwinden. Es ist das Ende einer kurzen, aber erfolgreichen Unternehmensgeschichte: RWE brachte sein Zukunftsgeschäft unter dem neuen Namen Innogy erst vor dreieinhalb Jahren an die Börse – der Aktienkurs legte seit dem Start um gut 20 Prozent zu. Die meisten der seinerzeit 43.000 Mitarbeiter gingen in dem Gefühl mit zur Innogy, in den stabilsten Teil des RWE-Konzerns zu wechseln. Schließlich ging auch RWE-Chef Peter Terium zur Innogy und nahm die vielversprechendsten Sparten mit – Netze, Vertrieb und Erneuerbare Energien.

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Doch letztlich musste Terium nach gerissenen Prognosen gehen und RWE-Chef Rolf Martin Schmitz erwies sich als der starke Mann im Konzern. Er handelte schließlich vor zwei Jahren mit Eon-Chef Teyssen die Zerschlagung der Innogy aus – und geht als Ökostrom-Riese und Eon-Großaktionär mit 16,7 Prozent am Ex-Rivalen daraus hervor.

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Wann die Verschmelzung auch formaljuristisch in trockenen Tüchern ist, müssen die gerichtlichen Überprüfungen der Abfindung im Spruchverfahren zeigen. Erst danach kann auch der letzte Akt des Mega-Deals vollzogen werden – die Weitergabe der Innogy-Ökostromtochter an RWE. In den Bilanzen ist sie bereits von Eon zu RWE gewandert, doch die Entwicklung einer gemeinsamen Zukunftsstrategie, etwa in neuen Feldern wie schwimmenden Meereswindparks, ist erst nach der Zusammenführung der Geschäfte möglich.