Bochum. Vonovia-Chef Rolf Buch mahnt mehr Tempo beim Bau neuer Wohnungen an und weist Vorwürfe zurück, der Bochumer Konzern treibe die Mieten hoch.
Der Wohnungsriese Vonovia hat in seiner Bochumer Zentrale erstmals ein Fernsehstudio aufgebaut, um die Bilanzpressekonferenz live im Internet zu übertragen. Das Coronavirus ist nicht der Grund für das neue Format. Die Entscheidung hatte der Vorstand bereits vor dem Übergreifen der Epidemie auf NRW getroffen.
Das Virus, das zur Zeit große Teile der Wirtschaft erschüttert, spielt in der Rede von Vonovia-Chef Rolf Buch zunächst keine Rolle. Er widmet sich stattdessen den großen gesellschaftlichen Themen, bei denen nach seiner Einschätzung die Immobilienbranche eine zentrale Rolle spiele. Da ist der ungebremste Trend, der die Menschen zurück in die Städte zieht. Buch zitiert aus einer Studie, die voraussagt, dass im Jahr 2050 rund 84 Prozent der Menschen in Ballungszentren wohnen werden. 2030 werde es einen Bedarf von 2,3 Millionen altengerechten Wohnungen geben. Bundesweit gebe es aktuell nur 700.000.
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„Ich sehe nicht, dass wir das Ziel erreichen werden“, sagt der Vonovia-Chef im Hinblick auf die Branche und den schleppenden Wohnungsbau. „Das ist gesellschaftlicher Sprengstoff“, meint Buch. Er warnt davor, dass ältere Menschen auf Seniorenheime angewiesen sein werden, nur weil ihre Wohnungen nicht barrierearm sind. Und der Vorstandsvorsitzende des Dax-Konzerns nennt noch eine schwindelerregende Zahl: In den nächsten zehn Jahren sieht der Branchenverband GdW in der deutschen Wohnungswirtschaft einen Investitionsbedarf von 800 Milliarden Euro.
Vonovia sieht Potenzial für 47.000 neue Wohnungen
„Mit unserem Marktanteil von 1,6 Prozent können wir das allein nicht stemmen“, sagt Buch und übt Selbstkritik. Im vergangenen Jahr wollte Vonovia eigentlich 2500 Wohnungen bauen. Fertiggestellt bekam der Bochumer Konzern aber nur 2100. „Da müssen wir noch eine Schüppe drauflegen“, kündigte der Manager an. Um schneller Wohnungen bauen zu können, setzt Vonovia vor allem auf die Aufstockung von Häusern und die „Nachverdichtung“ in eigenen Siedlungen. Vorstandsmitglied Daniel Riedl sieht dafür langfristig ein Potenzial von 47.000 Wohnungen. Mittelfristig wolle Vonovia 12.000 neue Wohnungen bauen – vor allem in den Metropolen Hamburg, Berlin, Leipzig, Frankfurt am Main und Wien.
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An der wirtschaftlichen Grundlage für Investitionen hapert es bei Vonovia jedenfalls nicht. Europas größter Wohnungskonzern konnte sein operatives Ergebnis (FFO) im vergangenen Jahr durch milliardenschwere Zukäufe im Ausland und durch höhere Mieteinnahmen um acht Prozent auf 1,22 Milliarden Euro steigern. Die Dividende soll um 13 Cent auf 1,57 Euro je Aktie steigen. Vorstandschef Buch wies Vorwürfe der „Plattform kritischer Immobilienaktionäre“ zurück, bei Vonovia flössen 37 Prozent der Mieten gleich den Aktionären zu. Von den gut zwei Milliarden Mieteinnahmen nutze das Unternehmen 1,2 Milliarden Euro für Investitionen, so Buch.
Vonovia-Mieter zahlen im Schnitt 6,79 Euro
In Deutschland zahlen neue Vonovia-Mieter im Schnitt 6,79 Euro pro Quadratmeter. Das entspricht einer Steigerung um 3,7 Prozent. Bei Bestandskunden habe das Plus bei der Kaltmiete nur 0,8 Prozent betragen. „Wir treiben die Mieten nicht an“, betonte Buch im Hinblick auf bundesdeutsche Durchschnittszahlen, die über denen von Vonovia liegen. Die Plattform kritischer Immobilienaktionäre indes bleibt bei ihrer Kritik, Vonovia schöpfe „ihre Mieterhöhungsspielräume in den Mietspiegeln weitgehend“ aus.
Da auch durch energetische Sanierungen die Mieten steigen, hatte der Konzern ein Härtefall-Management eingeführt. Bei insgesamt 13.200 Modernisierungen im vergangenen Jahr sei 1600 Mietern geholfen worden, zog Buch eine erste Bilanz. Die Umlage der Sanierungskosten sei um zehn Prozent auf 1,36 Euro je Quadratmeter gesunken.