Essen. Regierung will Verhandlungsmacht des Handels gegenüber Bauern per Gesetz beschneiden. Aldi freut sich auf „wichtige Diskussion“ im Kanzleramt.
Die Bundesregierung will die Verhandlungsmacht der großen Handelsketten gegenüber den heimischen Erzeugern einschränken. Die Kanzlerin bestellt die Supermarkt- und Discount-Riesen nun ein, damit sie weniger Preisdruck auf die deutschen Bauern ausüben. Angela Merkel will Aldi, Lidl, Edeka und Rewe am kommenden Montag im Kanzleramt zu ihren Verhandlungspraktiken einvernehmen. Aldi Nord erklärte auf Anfrage, ein Vertreter werde „am Austausch zum Thema Lebensmittelpreise im Kanzleramt teilnehmen“. Aldi Süd lässt sich von Aldi Nord vertreten und erklärte: „Wir freuen uns, in diesem Zuge die Möglichkeit zu haben, an dieser wichtigen Diskussion teilzunehmen.“ Auch Rewe bestätigte die Teilnahme.
Aldi freut sich auf Diskussion bei Merkel
Bereits vorab kochen die Emotionen hoch, Bauernverband und Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) attackieren den Branchenführer Edeka für eine Marketing-Kampagne, die auf Dumpingpreise setzt. Letztere will den Handelsriesen unlautere Praktiken künftig per Gesetz verbieten.
Dass sie ihre Preiskämpfe auf dem Rücken der Landwirte austragen, wird den deutschen Handelsriesen regelmäßig vorgeworfen. Mit seiner jüngsten Kampagne hat der Edeka-Verbund Minden-Hannover vor dem Rapport im Kanzleramt freilich ein schlechtes Timing bewiesen. „Essen hat einen Preis verdient: den niedrigsten“, wirbt der Regionalverbund anlässlich seines 100-jährigen Bestehens.
Klöckner: „Es ist wie David gegen Goliath“
Hunderte Bauern versperrten daraufhin am Montagmorgen ein Edeka-Großlager bei Oldenburg. „Hier sollen hochwertige Lebensmittel verramscht werden“, schimpfte Bauernpräsident Joachim Rukwied. Und Ministerin Klöckner sekundierte: „Ich kann den Ärger der Bauern verstehen. Es ist wie David gegen Goliath, wenn Bauern mit dem Handel verhandeln. Dass gerade Lebensmittel immer wieder für Lockangebote und für Dumpingpreise herhalten müssen, kann ich beim besten Willen nicht mehr nachvollziehen.“
Edeka versuchte das am Abend als Missverständnis darzustellen: Bei den Plakaten handele es sich um eine regionalisierte Kampagne und gemeint sei der Ort Essen (Oldenburg), nicht Lebensmittel. Die angekündigten Preissenkungen gingen auch nicht zu Lasten der Landwirte, sondern würden vom Großhandel getragen. „Es war nie unsere Absicht, mit unserer Kampagne Landwirte und Erzeuger zu verärgern“, versicherte die Edeka-Regionalgesellschaft Minden-Hannover. Die Plakate seien „umgehend entfernt“ worden.
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Klöckner will beim Treffen im Kanzleramt am kommenden Montag die Position der Landwirte stützen. Dabei soll es um die Preispolitik von Edeka, Rewe, Aldi und Lidl gehen. Die großen Vier kommen in Deutschland laut Bundeskartellamt auf rund 85 Prozent Marktanteil. Entsprechend groß ist ihre Verhandlungsmacht, wenn es in die Preisverhandlungen für Lebensmittel geht. „Das Bundeskartellamt sollte dringend überprüfen, ob Edeka erneut seine Marktmacht mit missbräuchlichen Methoden ausnutzt, um seine Werbeziele zu erreichen“, fordert Bauernpräsident Rukwied angesichts der jüngsten Preiskampagne des Branchenführers.
Die Bundesregierung plant ein Gesetz
Dem Preisdiktat des Handels sehen sich vor allem große Obst- und Gemüsebauern ausgesetzt, die direkt mit den großen Ketten verhandeln, heißt es bei der Landwirtschaftskammer NRW. Etwa durch verspätete Zahlungen oder einseitig gesenkte Preise. Dazu hätten die Händler viele Möglichkeiten, etwa indem sie der erhaltenen Frischware schwer zu überprüfende Qualitätsmängel bescheinigen. Das Problem sei, dass kaum ein Landwirt sich wehre, weil er sonst seinen Abnehmer verliert. Im Bundesagrarministerium werden auch kurzfristige Stornierungen und das Ausnutzen der Verderblichkeit frischer Ware als unlautere Praktiken genannt, die es zu unterbinden gelte.
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Im Kanzleramt soll es auch um mögliche rechtliche Konsequenzen gehen. So will die Bundesregierung eine neue EU-Richtlinie gegen unlautere Handelspraktiken in nationales Recht umsetzen. Klöckner arbeitet am Entwurf, der anschließend in die Ressortabstimmung geht. Zehn Praktiken sollen dabei grundsätzlich verboten werden, darunter die Bezahlung verderblicher Ware mehr als 30 Tage nach Lieferung und bei anderen nach mehr als 60 Tagen.
Einseitige Preissenkungen und Stornierungen
Verboten werden soll auch die kurzfristige Stornierung von Bestellungen und die einseitige Änderung der Lieferbedingungen, etwa was die Mengen, Qualitätsstandards und Preise angeht. Vielsagend ist auch, dass offenbar die „Drohung des Käufers mit Vergeltungsmaßnahmen“ erst noch verboten werden muss. Noch unklar ist, welche Behörde die Beschwerden sammeln und überprüfen soll.
Der Handel hält die Vorwürfe für ungerechtfertigt, der Weltmarkt bestimme die Preise, unter denen die Landwirte litten. In die Preispolitik gesetzlich einzugreifen, hielte er zudem für einen „ungerechtfertigten Eingriff in die Vertragsfreiheit“, heißt es beim Handelsverband Deutschland (HDE). Der harte Wettbewerb im deutschen Lebensmittel-Einzelhandel führe ohnehin dazu, dass die Verbraucher nach den niedrigsten Preisen Ausschau hielten und diese von ihrem Supermarkt oder Discounter verlangten.
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Klöckner will das nicht gelten lassen. „Der Handel beklagt zwar, Verbraucher würden nicht mehr bezahlen wollen, aber er setzt selbst immer mehr Tiefstpreise. Da darf man sich nicht wundern, wenn Verbraucher sich daran gewöhnen“, sagte sie und beklagt die Konsequenzen: „Am Ende badet das der Erzeuger aus, dem immer weniger bleibt. Das ist das Gegenteil von Nachhaltigkeit. Beim Treffen am 3. Februar im Kanzleramt werden wir das thematisieren.“