Essen. Die Ruhrkonzerne stecken im Umbruch – vor allem Thyssenkrupp. Die neue Chefin Merz will ihr Haus aufräumen. Sie zählt zu den Gewinnern 2019.
Für fast alle großen Konzernen im Ruhrgebiet war 2019 ein Jahr des Umbruchs. Die Kontinuität bei Vonovia und Evonik geriet zur Ausnahme, die Energieriesen RWE, Eon und Innogy sortierten sich ebenso neu wie die Metro, die Kaufhausriesen Karstadt und Kaufhof sowie in erneut besonders dramatischer Weise die taumelnde Industrie-Ikone Thyssenkrupp. Mal mehr und mal weniger gelungene Veränderung zeitigen stets auch persönliche Siege und Niederlagen für die Hauptakteure. Hier sind unsere Gewinner und Verlierer unter den Wirtschaftsmanagern in diesem Jahr.
Die Verlierer
Guido Kerkhoff: 2018 war der langjährige Finanzchef von Thyssenkrupp noch der große Krisengewinner. Im Führungsvakuum nach den Rücktritten von Konzernchef Heinrich Hiesinger und dem Aufsichtsratsvorsitzenden Ulrich Lehner überzeugte Kerkhoff mit einer neuen Strategie und wurde zum Konzernchef ernannt. Er folgte dem Trend zur Teilung von Großunternehmen und plante zwei Thyssenkrupps, eines aus dem Industrie und eines aus dem Werkstoffgeschäft. Ein gutes halbes Jahr später musste er die schönen Pläne schon wieder begraben. Nachdem im Mai klar wurde, dass die EU-Kommission die geplante Fusion des Stahlgeschäfts mit Tata und damit das Kernelement der Teilungsstrategie untersagen würde, schlug Kerkhoff die nächste Volte: Statt Teilung und Ausgliederung des Stahl wird die ungeliebte Keimzelle nun wieder zum Kerngeschäft, gestützt durch einen Börsengang oder Teilverkauf der Aufzüge.
Es war ein radikaler Kursschwenk zuviel – nicht unbedingt für die Firma, aber für Kerkhoff. Dass ausgerechnet er, der unter Hiesinger den Stahl loswerden wollte und die Tata-Fusion plante, der richtige sei, alles wieder anders zu machen, nahmen ihm weder die Finanzmärkte noch die großen Anteilseigner ab. Überraschend war nur, dass der Aufsichtsrat bis Ende September mit Kerkhoffs Rauswurf wartete.
Daniel Kretinsky: Zum Verlierer des Jahres wird der tschechische Milliardär Daniel Kretinsky zumindest in der NRW-Wirtschaft durch seinen gescheiterte feindliche Übernahme der Metro. Den smarten Unternehmer ficht das freilich nicht an, er mischt weiter viele Konzerne in Westeuropa auf, stieg Ende Oktober auch bei ProSiebenSat1 ein. Auch die Metro hat er längst nicht abgeschrieben, erst Anfang November stockte er seine Anteile weiter auf – inzwischen hält Kretinsky 29,99 Prozent am Düsseldorfer Handelsriesen.
Im Sommer hatte er aber deutlich mehr im Sinn: Für knapp sechs Milliarden Euro wollte er zunächst eine Zwei-Drittel-Mehrheit erwerben, um durchregieren zu können. Die Metro wollte er anschließend von der Börse nehmen und letztlich ihr alleiniger Besitzer werden. Daraus wurde nichts, zu wenige Aktionäre nahmen seine Offerte an. Eine Strich durch seine Rechnung machten ihm allen voran die beiden Stiftungen der Händlerfamilie Schmidt-Ruthenbeck und des früheren Metro-Gesellschafters Otto Beisheim.
Karola Geiß-Netthöfel: Politiker stehen selten in dieser Rubrik, doch für die Wirtschaft im Ruhrgebiet war das vorläufige Scheitern des RVR bei der Umsetzung des herbeigesehnten Regionalplans Ruhr die Negativ-Nachricht des Jahres. RVR-Direktorin Karol Geiß-Netthöfel (SPD) gab am 13. September bekannt, den Zeitplan nicht einhalten zu können. Noch wenige Tage zuvor hatte sie beteuert, den ersten Regionalplan aus einem Guss für das Ruhrgebiet seit mehr als 50 Jahren vor der Kommunalwahl 2020 verabschieden zu können. Entsprechend schwer wiegt die Verschiebung bis mindestens 2022.
Der RVR hatte vor zehn Jahren den Auftrag erhalten, einen Masterpan für das Ruhrgebiet mit der Ausweisung von Gewerbe- und Wohnungsbau-Flächen, Naturschutzgebiete und Verkehrswege aufzustellen. Der grüne Chefplaner Martin Tönnes musste inzwischen gehen. Auch Geiß-Netthöfel musste sich im Ruhrparlament „multiples Managementversagen“ vorwerfen lassen. Sie erhält nun mehr Personal, um das für die Region so wichtige Projekt doch noch fertigzustellen. Dies, obwohl ihre Behauptungen über die angeblich bessere Ausstattung der Bezirksregierungen von diesen als falsch zurückgewiesen wurde.
Gewinner/Verlierer
Olaf Koch: Der Metro-Chef arbeitet seit Jahren daran, seinen Gemischtwaren-Handelskonzern auf seinen Kern gesund zu schrumpfen – den Großhandel. In den vergangenen Jahren hat er dafür den Kaufhof abgegeben und sich von den Elektronikmärkten Media Markt und Saturn getrennt. Fehlt noch der lange angekündigte Verkauf der SB-Warenhauskette Real. Koch wollte das verlustträchtige Einzelhandelsgeschäft bis zum Sommer loswerden. weil er dieses Versprechen nicht einhalten konnte, gehört Koch auf die Seite der Verlierer. Eigentlich. Doch die jüngste Wende im Verkaufsprozess bessert seine Jahresbilanz auf.
Koch gab dem Favoriten Redos, für dessen Deal mit Metro das Kartellamt bereits grünes Licht gegeben hatte, am Nikolaus-Vorabend überraschend einen Korb. Als neuen Käufer präsentierte er ein Konsortium um X+Bricks, mit dem bis Ende Januar der Kaufvertrag unterzeichnet werden soll. Gelingt Koch das, verkauft er mit Real alle Risiken aus den anstehenden Kartellprüfungen gleich mit. Denn anders als Redos will X+Bricks zunächst alle 276 Real-Märkte übernehmen und die meisten anschließend weitergeben. Für die Metro wäre das Kapitel Real dann früher Geschichte.
Die Gewinner
Martina Merz: Die frühere Bosch-Managerin wurde im Januar Aufsichtsratsvorsitzende des kriselnden Thyssenkrupp-Konzerns. Kurz nach dem Abstieg aus dem Dax und mit dem Rauswurf von Guido Kerkhoff wurde sie im September für ein Jahr an die Vorstandsspitze entsandt. Der Wechsel aus dem Kontrollgremium ans Ruder macht sie noch nicht zur Gewinnerin. Dass sich zum Jahresende die Fragen häufen, ob ihr Interimsjob nicht besser zur Dauerlösung werden sollte, schon eher.
Merz hat noch nichts Zählbares erreicht, aber mit ihrem erstaunlich offenen Scherbengericht über die Fehler ihrer Vorgänger und mit ihrer sachlich vorgetragenen Entschlossenheit, dem „Durchwurschteln“ nun ein Ende zu setzen, viele Beobachter überzeugt. Bis Ende März will sie Klarheit schaffen, wie die Aufzugsparte versilbert werden soll. Und dann entscheiden, wie der Stahl und die ebenfalls schwierigen Sparten Autoteile und Industrieanlagen die Kurve kriegen sollen. Ob ihr das gelingt, dürfte auch darüber entscheiden, ob sie zurück in den Aufsichtsrat geht oder nicht.
Johannes Teyssen: Der Eon-Chef war seinen Managerkollegen voraus, als er 2014 ankündigte, künftig selbst keinen Strom mehr erzeugen, sondern ihn nur noch transportieren und verkaufen zu wollen. Die Abspaltung des konventionellen Kraftwerksparks unter dem Namen Uniper geriet 2016 zum großen Erfolg. Und die Konzernspaltung zum Vorbild für andere. Der damalige RWE-Chef Peter Terium machte es nur andersherum – und brachte seine Zukunftssparten unter dem Namen Innogy an die Börse. Bekanntlich musste Terium wenig später gehen – und Innogy gehört heute zu Eon. Die Frage, wer besser lag, ist beantwortet.
Zu den Gewinnern zählt auch RWE-Chef Rolf Martin Schmitz, der die Zerschlagung von Innogy mit Teyssen aushandelte. Eon erhält Netze und Vertrieb, RWE den Ökostrom und 16,7 Prozent an Eon. Beides macht auch RWE stabiler. Doch obwohl die durch den Deal enorm gewachsene Ökostromsparte Zukunftsperspektiven schafft, bleibt der konventionelle Kraftwerkspark ein Abwicklungsgeschäft. Der Regierung einen guten Preis für den Braunkohle-Ausstieg abzuringen, wird Schmitz’ wichtigste Aufgabe 2020.
René Benko: Der österreichische Immobilien-Investor René Benko hat nach langem Kampf geschafft, wovon schon viele Manager vor ihm geträumt haben: die Deutsche Warenhaus AG. Mit seiner Beteiligungsgesellschaft Signa kaufte er im Sommer dem kanadischen HBC-Konzern auch die restlichen Kaufhof-Anteile ab – und kann damit beim fusionierten Warenhauskonzern Galeria Karstadt Kaufhof allein regieren. Das erleichtert vor allem dem Warenhaus-Geschäftsführer Stephan Fanderl die Arbeit, den Benko schon nach seiner Karstadt-Übernahme 2014 zum Chefsanierer gemacht hat.
Doch Benko hat 2019 nicht nur den deutschen Warenhausmarkt beherrscht, sondern auch sein Immobilien-Imperium weiter ausgebaut. So übernahm er von HBC auch die großteils sehr wertvollen Kaufhof-Immobilien. Auf Immobiliensuche ging er weltweit – sein prominentester Neuerwerb 2019 war das Chrysler-Building in Manhatten. Benko kaufte es zusammen mit einem New Yorker Partner – laut Medienberichten für gut 150 Millionen Euro.