Essen. Massive Kritik an der Millionen-Abfindung für den früheren Thyssenkrupp-Chef Kerkhoff: Investoren und Aktionärsschützer schalten sich ein.

Die millionenschwere Abfindung für den früheren Thyssenkrupp-Vorstandschef Guido Kerkhoff löst Kritik bei Investoren und Aktionärsschützern aus. „Sowohl die Höhe der Ausgleichszahlungen als auch die Höhe der künftigen Rentenbezüge sind aus Aktionärssicht nicht tragbar“, sagte Ingo Speich von der Sparkassen-Fondsgesellschaft Deka Investment unserer Redaktion. Zum Abschied hat Kerkhoff eine „Ausgleichszahlung“ in Höhe von rund 6,36 Millionen Euro erhalten, wie aus dem aktuellen Geschäftsbericht hervorgeht. Zusätzlich habe Kerkhoff 500.000 Euro bekommen – als „pauschale Abgeltung“ aufgrund seines Verzichts auf eine dreimonatige Auslauffrist in seinem Vertrag. Anwaltskosten im Umfang von 80.000 Euro seien Kerkhoff ebenfalls erstattet worden. Ab dem Dezember 2027 könne Kerkhoff dann ein jährliches Ruhegeld in Höhe von 350.000 Euro „ungekürzt und abschlagsfrei“ in Anspruch nehmen.

„Wohlgemerkt: Hier wird das Kapital der Aktionäre ausgegeben“, kritisiert Christian Strenger, Gründungsmitglied der Corporate-Governance-Kommission. „Die Verantwortung dafür liegt beim Aufsichtsrat“, fügt Strenger hinzu. „Die Krupp-Stiftung als größte Aktionärin des Konzerns, die mit Frau Gather an entscheidender Stelle im Aufsichtsrat vertreten ist, spielt hier wie die Arbeitnehmervertreter eine gewichtige, aber unrühmliche Rolle.“ Mit rund 21 Prozent ist die Essener Krupp-Stiftung die größte Einzelaktionärin des Konzerns. An der Spitze des Stiftungskuratoriums steht Ursula Gather, die Rektorin der TU Dortmund.

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Kerkhoff war sieben Jahre Thyssenkrupp-Finanzchef, aber nur etwa ein Jahr an der Spitze des Konzerns – als Nachfolger des überraschend zurückgetretenen langjährigen Vorstandschefs Heinrich Hiesinger. Hiesinger hatte laut Geschäftsbericht eine Abfindung in Höhe von etwas mehr als 4,55 Millionen Euro erhalten, zusätzlich konnte er mit Zahlungen aus Aktienprogrammen rechnen. Anstelle von Kerkhoff ist die bisherige Aufsichtsratschefin Martina Merz – nach derzeitigem Stand für eine Dauer von maximal zwölf Monaten – als Vorsitzende in den Konzernvorstand entsandt worden.

Aktionärsschützer: „Der entstandene Aufwand ist überflüssig

„Grundsätzlich ist zu sagen, dass der entstandene Aufwand überflüssig ist“, urteilt Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) in Düsseldorf. „Thyssenkrupp schwimmt nicht im Geld und aktuell kann ich nicht erkennen, was Frau Merz anders, besser oder schneller macht als Herr Kerkhoff.“

Deka-Experte Ingo Speich: „Die Bestellung von Herrn Kerkhoff als CEO durch den Aufsichtsrat für fünf Jahre war rückblickend ein Fehler.“
Deka-Experte Ingo Speich: „Die Bestellung von Herrn Kerkhoff als CEO durch den Aufsichtsrat für fünf Jahre war rückblickend ein Fehler.“ © FUNKE Foto Services | Ralf Rottmann

Der Essener Stahl- und Industriegüterkonzern hat im abgelaufenen Geschäftsjahr millionenschwere Verluste verbucht. Auch für die nächste Jahresbilanz erwartet Thyssenkrupp abermals tiefrote Zahlen. Der Fehlbetrag werde sogar noch „deutlich höher“ ausfallen als im nun vorgelegten Geschäftsbericht – unter anderem aufgrund der Kosten für die Sanierung mit dem zu erwartenden Stellenabbau.

„Rückblickend ein Fehler“

„Die Bestellung von Herrn Kerkhoff als CEO durch den Aufsichtsrat für fünf Jahre war rückblickend ein Fehler“, sagt Deka-Experte Ingo Speich. Christian Strenger nennt es „ärgerlich, dass die Amtszeiten von Kerkhoff wie auch von Hiesinger mit so viel Geld zu Ende gegangen sind“.

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Mit dem langjährigen Thyssenkrupp-Vorstandsmitglied Donatus Kaufmann hatte sich der Konzern ebenfalls auf eine einvernehmliche Beendigung des Vertrags geeinigt. Kaufmann, dessen Vertrag noch bis Ende Januar 2022 lief, habe beim vorzeitigen Ausscheiden eine „Ausgleichszahlung“ in Höhe von rund 1,98 Millionen Euro erhalten, heißt es im aktuellen Geschäftsbericht.

Für die Thyssenkrupp-Aktionäre fällt die Dividende aus

Angesichts der schwierigen Situation des Ruhrkonzerns sollen die Aktionäre leer ausgehen. Vorstand und Aufsichtsrat von Thyssenkrupp schlagen vor, für das Geschäftsjahr 2018/2019 auf eine Dividende zu verzichten. Dies muss bei der für den 31. Januar 2020 geplanten Hauptversammlung in Bochum noch abgesegnet werden. Im Jahr zuvor hatte es immerhin noch magere 15 Cent je Aktie für die Anteilseigner gegeben.

Thyssenkrupp hat bereits den konzernweiten Abbau von 6000 Arbeitsplätzen angekündigt, 2000 davon in der Stahlsparte. Höherer Stellenabbau ist nicht ausgeschlossen. Viele Beschäftigte in der Essener Konzernzentrale von Thyssenkrupp müssen sich auf tiefe Einschnitte gefasst machen.