Essen. Gegen den Willen der Kohlekommission will Altmaier Datteln 4 den Betrieb erlauben. Wie er die Ausnahme begründet und was Laschet und Grüne sagen.
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) will das umstrittene Riesen-Kraftwerk Datteln 4 gegen den Willen der Kohlekommission doch ans Netz gehen lassen. Das geht aus dem Referentenentwurf seines Hauses zur Abstimmung mit den anderen Ministerien hervor, der unserer Redaktion vorliegt. Damit könnte der Düsseldorfer Kraftwerksbetreiber Uniper seine 1100-Megawatt-Anlage, das größte Steinkohlekraftwerk Deutschlands, 2020 mit neunjähriger Verspätung doch noch in Betrieb nehmen.
Altmaiers Entwurf regelt den Ausstieg aus der Verstromung von Braun- und Steinkohle, er enthält auch ein Verbot, neue Kohlekraftwerke zu bauen. Doch in Paragraf 29 hat das Wirtschaftsministerium dazu eine Ausnahme vorgesehen. Wörtlich heißt es: „Es ist verboten, neue Stein- und Braunkohleanlagen in Betrieb zu nehmen, es sei denn, für die Kohleanlage wurde bereits zum Zeitpunkt des Inkrafttretens eine immissionsschutzrechtliche Genehmigung erteilt.“ Das ist bei Datteln 4 der Fall.
Gegen den Willen der Kohlekommission
Dagegen hatte die von der Regierung eingesetzte Kohlekommission, deren Empfehlungen sie eigentlich 1:1 umsetzen wollte, ausdrücklich betont, in diesen Fällen lieber die Unternehmen zu entschädigen als neue Kohlekapazitäten in den Markt zu lassen. Dabei wurde Datteln nie wörtlich genannt, war aber gemeint mit der Empfehlung, die Regierung solle für bereits gebaute, aber noch nicht im Betrieb befindliche Kraftwerke „eine Verhandlungslösung“ mit den Betreibern anstreben, mit dem klaren Ziel, dass „diese Kraftwerke nicht in Betrieb gehen“.
Aus Berlin war schon seit Tagen zu hören, dass man sich die Entschädigung für Uniper sparen wolle, zumal mit Datteln ein hochmodernes Kraftwerk ans Netz gehe, für das viele deutlich klimaschädlichere abgeschaltet werden könnten. Im Entwurf des Wirtschaftsministeriums findet sich eine Begründung, die etwas anders klingt: Es gebe für genehmigte, aber noch nicht in Betrieb genommene Kohlekraftwerke „aufgrund des schutzwürdigen Vertrauens eine Ausnahme vom Neubauverbot“, heißt es dort.
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Zuletzt hatte sich NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) klar für die Inbetriebnahme von Datteln 4 ausgesprochen und sich damit den Ärger von Klimaschützern zugezogen. Am Dienstag bekräftigte er in Düsseldorf: „Ich werde den Bund nicht drängen, noch einmal Milliarden an Entschädigungen zu zahlen, damit ein Kraftwerk nicht ans Netz geht, das weniger CO2 ausstößt als die alten.“ Dass sich die Klimaschützer so auf Datteln 4 eingeschossen hätten, sei „ein Kampf zwischen Symbolen und Vernunft“, so Laschet.
Doch seiner Argumentation, für das moderne Kraftwerk gingen schmutzigere vom Netz, was unterm Strich gut fürs Klima sei, folgt etwa der BUND nicht. „Die Behauptung des Ministerpräsidenten, Datteln 4 sei ein Beitrag zum Klimaschutz, weil es ältere Kraftwerke vom Markt verdränge, ist Augenwischerei“, sagte Landesvize Thomas Krämerkämper. Denn die Altkraftwerke, die Datteln 4 schon lange hätte ersetzen sollen, seien bereits vor fünf Jahren stillgelegt worden. Somit komme mit Datteln 4 nur zusätzlicher Kohlestrom ins Netz.
Die Regierung ringt bei der Umsetzung der Beschlüsse ihrer Kohlekommission in der Gesetzgebung mit vielen Formulierungen in den verschiedenen Bereichen. Auch in der Windkraft, deren Ausbau aktuell jäh ins Stocken geraten ist. Der Entwurf enthält etwa als künftig bundesweit geltenden Mindestabstand für Windräder an Land zu Wohngebieten (mindestens fünf Häuser) von 1000 Metern. Das ist deutlich weniger als die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW erlaubt (1500 Meter), Kritikern aber zu weitgehend.
„Verhinderungsgesetz für Windkraft“
„Das ist kein Kohleausstiegsgesetz, sondern ein Verhinderungsgesetz für den Ausbau der Windenergie. Damit stehen wir vor Massenentlassungen in der Windbranche“, sagte Oliver Krischer, Energieexperte und Fraktionsvize der Grünen im Bundestag. Zuletzt hatten sich die Negativ-Meldungen aus der Windbranche gehäuft: Die Siemens-Tochter Gamesa hat angekündigt, insgesamt 1200 Arbeitsplätze zu streichen, der norddeutsche Windturbinenbauer Enercon baut sogar 3000 Stellen ab. Und begründet dies mit der Energie- und Klimapolitik der Bundesregierung.