Essen. Es sollen keine neuen Kohlekraftwerke mehr ans Netz, empfiehlt die Kohlekommission. Doch die Regierung plant wohl für Datteln 4 eine Ausnahme.
Das von Pannen und Bürgerprotesten begleitete Großkraftwerk Datteln 4 könnte trotz des geplanten Kohleausstiegs doch noch ans Netz gehen. Der Stromerzeuger Uniper bereitet derzeit die Inbetriebnahme für den Sommer 2020 vor, wie das Unternehmen dieser Zeitung bestätigte. Entscheidend dafür wird aber sein, ob die Bundesregierung das auch zulässt. Die von ihr eingesetzte Kohlekommission hatte empfohlen, Datteln 4 wie alle anderen noch im Bau befindlichen Kohlekraftwerke nicht ans Netz gehen zu lassen und die Besitzer dafür zu entschädigen. Doch aus Berlin ist zu vernehmen, dass die Regierung ihrer Kommission in diesem Punkt nicht folgen mag.
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„Das Kraftwerk Datteln 4 kann in Betrieb gehen“, zitiert die Nachrichtenagentur Reuters einen Regierungsvertreter. Damit würde die große Koalition eine wichtige Empfehlung der Kohlekommission ausschlagen. Auf dem Weg, bis 2038 komplett aus der Verstromung von Braun- und Steinkohle auszusteigen, hielt sie es für nicht sinnvoll, noch neue Anlagen in Betrieb gehen zu lassen. Datteln 4 wäre mit 1100 Megawatt das größte und modernste Steinkohlekraftwerk, das eigentlich schon 2011 ans Netz gehen sollte. Weil es noch sehr lange laufen könnte, müssten die Entschädigungen an Uniper entsprechend hoch ausfallen. Das will die Regierung nun offenbar nicht mehr, die von der Kommission geforderte Verhandlungslösung sei vom Tisch, heißt es nun aus Berlin.
Pannen, Proteste und Prozesse
Die Grünen kritisieren die sich abzeichnende Kehrtwende. „Das ist definitiv ein falsches Signal und zeigt, dass die Bundesregierung keine wirklichen Impulse beim Klimaschutz setzen kann“, sagte Oliver Krischer dieser Zeitung. Der Fraktionsvize und Energieexperte der Grünen im Bundestag fügt an: „Die Umsetzung des Kohleausstieges stockt eh schon auf breiter Front und es ist keine Abschaltung von Kraftwerken in Sichtweite.“
Uniper wollte die positiven Signale aus Berlin nicht kommentieren. Man bereite weiter routinemäßig die Inbetriebnahme vor, hieß es. Die liegt wegen diverser Pannen, Proteste und Prozesse bereits acht Jahre hinter Plan. Zuletzt startete Uniper vor zwei Jahren einen Probebetrieb, der mit der Entdeckung neuer Risse in den Kesselrohren endete und die Kosten weiter in die Höhe trieb. Die frühere Eon-Tochter macht dafür den Kessel-Hersteller Mitsubishi Hitachi Power Systems verantwortlich. Inzwischen gibt Uniper die Investitionen in Datteln 4 mit rund 1,5 Milliarden Euro an.
Nun sieht es zumindest technisch offenbar besser aus. Nachdem im September die Kesseldruckprüfung erfolgreich verlaufen sei, werde gegen Ende des Jahres die erste Zündung vorgenommen, sagte ein Konzernsprecher. Für das erste Quartal 2020 sei „eine temporäre Synchronisation mit dem Stromnetz“ als weitere vorbereitende Maßnahme vorgesehen, erläuterte er weiter. Laut einer Pflichtmitteilung des Konzerns an der Strombörse EEX ist dies ab Januar möglich. Ziel sei es dann nach wie vor, im Sommer das so riesige wie umstrittene Steinkohlekraftwerk in Betrieb zu nehmen.
Sinnvoller, mehr alte Meiler abzuschalten
In Regierungskreisen wurde der Verzicht auf eine Entschädigungslösung laut Reuters damit begründet, dass die hochmoderne Anlage vergleichsweise wenig CO2 ausstoße. Es sei unsinnig, mehrstellige Millionenbeträge an Entschädigung zu zahlen. Stattdessen sei es gerade für das Klima sinnvoller, mehr alte Kohlekraftwerke abzuschalten. Am Kohleausstiegsdatum 2038 ändere sich dadurch nichts.
Der Düsseldorfer Uniper-Konzern hatte stets darauf bestanden, sein umstrittenes Großkraftwerk in Betrieb nehmen zu dürfen. Es sollte etwa ein Viertel des bundesweiten Bahnstroms produzieren und etwa eine Million Haushalte versorgen. Sowohl die Bahn als auch Großabnehmer RWE haben aber kein Interesse mehr am Strom aus Datteln 4, der Essener RWE-Konzern ist mit einer Vertragskündigung vor Gericht bisher jedoch gescheitert.
Uniper steht nach der Abspaltung von Eon und Börsengang 2016 vor einem erneuten Umbruch. Der finnische Fortum-Konzern greift nach der Mehrheit, hat sich mit Investoren auf die Übernahme weiterer Anteile geeinigt und würde auf gut 70 Prozent kommen. Uniper soll dann als Tochter des finnischen Konzerns weitergeführt werden.