Duisburg-Ruhrort. . Das Haniel Museum in Duisburg-Ruhrort erzählt vom Aufstieg einer Familie zum internationalen Unternehmen – und von großer Liebe in schwerer Zeit.
Ruhrort, mehr als ein Stadtteil. Hier im Duisburger Norden schreibt sich die komplette Geschichte unserer Region. Und im Haniel Museum, das schon Uwe Seeler und Joschka Fischer besucht haben, lässt sie sich auch erfahren.
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Wir stehen im alten Packhaus, 1756 von Großvater Haniel errichtet. „Amerikanische Gäste sind immer beeindruckt, dass dieses Gebäude älter ist als ihre Verfassung“, sagt Marco Heckhoff (35), der Teamleiter Geschichte. Ein Glücksfall sei das, so der Historiker, von den Bomben verschont geblieben zu sein. Am Franz-Haniel-Platz stand noch viel früher ein Kastell vom Alten Fritz. Die Gründungsurkunde mit der Unterschrift des preußischen Königs Friedrich II. ist in Kopie gerahmt.
Aletta Haniel war eine echte Powerfrau
Anders als bei Stinnes, Thyssen, Krupp ist Haniel wie sonst nur Grillo noch zu 100 Prozent in Familienbesitz. Oder anders ausgedrückt: Alle 720 Gesellschafter sind Nachfahren der Brüder Franz und Gerhard.
Sie dürfen sich bei Aletta bedanken, nach der heute die Gesamtschule benannt ist. „Eine echte Powerfrau“, sagt Heckhoff. Nach dem frühen Tod ihres Mannes übernahm sie selbst die Geschicke – obwohl sie elf Kinder hatte. Der Jüngste, Franz, prägte 60 entscheidende Jahre. Dem Technik-Tüftler gelang es als erstem, das war 1834 in Essen-Schönebeck, einen Tiefbauschacht abzuteufen und die Mergelschicht zu durchbrechen. Darunter: Fettkohle! Die Basis für Koks- und Stahlherstellung und der Beweis, dass es technisch möglich ist (was später auf Zollverein in ganz großem Stil verarbeitet wurde).
Früher Abschied vom Kohlenhandel
Bis 1900 war Haniel das erfolgreichste Montanunternehmen mit 10.000 Mitarbeitern – angefangen hatte alles mit Waren, die aus der neuen Welt über den Rhein nach Ruhrort kamen: Tee, Tabak, Kaffee. Den Wandel von zwischenzeitlich Wein und Kolonialwaren über Kohle, Eisen und Stahl hinaus zu einem Mischkonzern kultivierten sie in Duisburg (1905 wurde Ruhrort eingemeindet) stetig. Vom Kohlenhandel etwa verabschiedete man sich nach dem Zweiten Weltkrieg schon vor der Kohlekrise, ebenso aus der Produktion, und stellte sich neu auf (mit Celesio und Metro). Risikostreuung heißt da das Zauberwort.
Auch die Muse gehörte zur Ausbildung
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Doch genug der Firmenhistorie. Man lernt auch etwas über Ruhrort, was einstmals mit zwei „o“ geschrieben wurde, im Mittelhochdeutschen für Spitze. Weil Ruhroort die Spitze markierte, wo Ruhr auf Rhein trifft.
Lassen Sie uns aber nochmal auf die Familie zurückkommen. Im Gegensatz zu altsprachlichen Katholiken wurde im protestantischen Hause Haniel fleißig Französisch und Englisch gepaukt – wirtschaftlich von Vorteil, die internationale Ausrichtung bestimmte früh alles Handeln. In der Originalvitrine von 1820 finden sich Humboldts Reiseberichte bis Luegers Lexikon der gesamten Technik. Aber auch die Muse gehörte zur Ausbildung. Tanz – um sich auf Bällen zu bewegen. Denn die Ehe von Franz mit Friederike Huyssen war strategisch. Doch nicht nur wiederum elf daraus gezeugte Kinder, als letztes die einzige Tochter Thusnelde, wie auch Tagebucheinträge zeugen von: Liebe.
>>>Das liebste Ausstellungsstück
Raten Sie doch mal, was das ist! Was es sein könnte: ein ziemlich schwerer Briefbeschwerer? Möglich, aber falsch. Nein, dieser Granitklotz ist ein Wärmstein. Was ist ein Wärmstein? Besser: Was war das? Nun, die Büros waren früher eben nicht beheizt, aber auch im Winter mussten die Buchhalter prä SAP mit gespitzter Feder in die Haupt- und Rechnungsbücher schreiben können. Das war zwar lesbar, weil mit lateinischen Lettern (statt Sütterlin – man agierte eben international!), aber mit klammen Fingern schon schwierig. So wurden noch bis in die 1920er diese Steine im Ofen des Wohnraums beheizt und so konnten die Herren immer mal wieder die Hand drauf ablegen. „Der Wärmstein gehörte zur Ausstattung eines Schreibtischs wie Locher, Anspitzer und Stempel“, erklärt Historiker Heckhoff. Hinter ihm hängt das erste Telefon, das es in der Stadt gab. Um die Ecke die Rechenwalze, zum Multiplizieren und Dividieren bis 20 Ziffern nach dem Komma. Ein richtiges Büro eben, nur dass das damals noch Kontor hieß (franz. comptoir für Zahltisch, Schreibstube). Womit sich auch die Redensart erklärt vom „Schlag ins Kontor“ – ein Blitzschlag zum Beispiel, wenn die Papiere verbrannten oder allgemein gebräuchlich, wenn’s Geschäft schlecht läuft.