Essen. Fünf Revierstädte wollen Steag-Anteile verkaufen, als Kandidat gilt der Entsorgungsriese Remondis. IGBCE wirft Städten Unprofessionalität vor.
Die Gewerkschaft IGBCE ist stocksauer auf die Ruhrgebietsstädte, die an der Steag beteiligt sind. Sie spielten „Monopoly im Hinterzimmer“ mit dem Essener Energiekonzern und seinen 6600 Mitarbeitern, schimpft IGBCE-Vizechef Ralf Sikorski, der auch im Aufsichtsrat der Steag-Muttergesellschaft KSBG ist.
Hintergrund ist die Absicht von fünf (Essen, Bochum, Oberhausen, Duisburg und Dinslaken) der sechs beteiligten Städte, ihre Anteile zu verkaufen. Am Donnerstag will KSBG-Aufsichtsratschef Thomas Kufen, Essens Oberbürgermeister, im Kontrollgremium einen geordneten Prozess auf den Weg bringen, erfuhr unsere Redaktion aus Unternehmenskreisen. Offenbar gehen sie bisher doch nicht so abgestimmt vor, wie sie es im Juli verabredet hatten. Das lässt zumindest Sikorskis Vorwurf der Unprofessionalität erahnen.
Remondis wollte die Steag schon 2010 kaufen
Unter den Beschäftigten sorgen Spekulationen über mögliche Käufer und die Ungewissheit, wer künftig das Unternehmen besitzt, seit Monaten für Unruhe. Vergangene Woche wurde erneut der Entsorgungsriese Remondis aus Lünen genannt, der bereits 2010 die Mehrheit an der damaligen Evonik-Tochter erwerben wollte. Stattdessen kauften sechs Ruhrgebietsstädte mit ihren Stadtwerken die Steag für 1,22 Milliarden Euro. Bis auf Dortmund wollen nach einigen schwachen Jahren und sorgenvollem Blick in die Zukunft des Kraftwerksbetreibers jetzt alle wieder raus.
Aber Remondis wollen nach Informationen dieser Zeitung auch diesmal nicht alle das Feld überlassen. Das Unternehmen ist bei der Entsorgung vielerorts Konkurrent der Kommunen. Die jüngst vom Kartellamt gestoppte Übernahme des grünen Punktes (DSD) hatten auch die Städte heftig kritisiert. Der Müllentsorger biete einen symbolischen Euro für die Steag, wolle dafür aber die Kredite der Kommunen ablösen, berichtete die Rheinische Post und zitierte Remondis-Chef Ludger Rethmann mit den Worten, er habe „die Steag im Sack“, wie er intern geäußert habe. Wenig später kursierten bereits Gerüchte über eine Absage an Remondis. Das Unternehmen aus Lünen sagte auf Anfrage, „grundsätzlich keinen Kommentar zu Marktgerüchten“ abzugeben.
Der IGBCE reicht es jetzt
Der IGBCE reicht es längst, wie die Kommunen mit ihrem Eigentum Steag umgehen, von dessen Fortexistenz 6600 Familien abhängen. „Unsicherheit und Unprofessionalität können wir uns in dieser Situation nicht leisten – weder die Beschäftigten, noch die Eigentümer“, wettert Sikorski nun. Es klingt, als wolle er die Städte zur Ordnung rufen. „Seit Monaten fordern wir ein professionelles und transparentes Verkaufsverfahren für die Steag“, betont der Gewerkschafter, aber: „Einige Lokalpolitiker spielen mit dem Traditionskonzern und seinen 6600 Beschäftigten offenbar lieber Monopoly im Hinterzimmer.“ Dieses Vorgehen sei „fahrlässig und unsozial“ und treffe „auf unseren entschiedenen Widerstand“.
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Allein die Dortmunder Stadtwerke wollen ihre 36 Prozent an der Steag behalten. Ihr Chef Guntram Pehlke, zugleich Aufsichtsratsvorsitzender der Steag, sagte unserer Redaktion: „Es muss ein diskriminierungsfreies Verfahren sein, das von einer Investmentbank und Wirtschaftsprüfern begleitet wird – allein schon, um dem europäischen Beihilferecht Rechnung zu tragen. Dann hat auch Remondis die Chance, sich zu bewerben.“ Zur Kritik der IGBCE sagte er: „Herr Sikorski hat absolut Recht damit, dass wir zu einem transparenten Verkaufsprozess kommen müssen, der auch die Interessen der Arbeitnehmer berücksichtigt.“
Die Steag selbst erklärte, sich zu Angelegenheiten ihrer Anteilseigner grundsätzlich nicht zu äußern. „Allerdings bestärkt uns der aktuelle Bericht über das Kaufinteresse von Remondis in der Überzeugung, dass die strategische Neuausrichtung auf Wachstumsfelder außerhalb der Steinkohleverstromung am Markt verfängt.“ Auch unterstütze die Steag „alle Bemühungen, die zu einer nachhaltigen Stabilisierung der Anteilseignerstruktur beitragen.“
Verlierer der Energiewende
Der Essener Energiekonzern leidet unter der Energiewende in Deutschland, sein Geschäft mit Steinkohlekraftwerken bricht weg, auf größere Entschädigungszahlungen im Zuge des politisch gesetzten Ausstiegs aus der Kohleverstromung kann die Steag kaum hoffen. Umsatz (2,9 Milliarden Euro) und Betriebsgewinn (160 Millionen Euro Ebit) brachen 2018 erneut ein, im laufenden Jahr soll es wieder etwas aufwärts gehen.
Zum Kohleausstieg und dem geplanten Ausbau des Geschäfts mit Müllverbrennungsanlagen könnte ein Partner wie Remondis passen. Auch der Fokus auf das erfolgreiche Auslandsgeschäft der Steag, das die Kommunen immer schwerer als ihre Kernaufgabe vermitteln konnten, spricht für den Einstieg eines international aufgestellten Unternehmens. Die Remondis-Gruppe ist mit rund 30.000 Beschäftigten auf vier Kontinenten aktiv.