Essen. . Bei der Steag hat das Auslandsgeschäft eine enorme Bedeutung. Projekte im Ruhrgebiet sind geplant, dennoch wollen mehrere Städte aussteigen.

Wenn Steag-Finanzchef Michael Baumgärtner darlegt, wo der Essener Energiekonzern seine Gewinne erwirtschaftet, spricht er unter anderem über Kolumbien, die Türkei, die Philippinen, Rumänien, Indien und Botswana. Im vergangenen Jahr stammten 57 Prozent des auf 161 Millionen Euro gesunkenen operativen Ergebnisses aus Geschäftsaktivitäten fern der Heimat. Im kommenden Jahr soll der Auslandsanteil auf 60 Prozent steigen.

Dabei gehört die Steag über eine kommunale Beteiligungsfirma den Revierstädten Dortmund, Duisburg, Bochum, Essen, Oberhausen und Dinslaken. Vor einigen Jahren hatte eine Gruppe von Stadtwerken die Steag für 1,2 Milliarden Euro vom Essener Chemiekonzern Evonik übernommen. Mittlerweile laufen aber Vorbereitungen für einen möglichen Ausstieg der Kommunen. Dem Vernehmen nach will lediglich Dortmund an Bord bleiben. „Die Energiemärkte im Ausland bieten erhebliches Potenzial“, lässt sich Dortmunds Stadtwerke-Chef Guntram Pehlke zitieren. Er ist auch Aufsichtsratschef der Steag.

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Im vergangenen Jahr hat die Steag massiv im Ausland investiert, unter anderem in Bohrungen für ein Geothermie-Projekt auf der Insel Java in Indonesien. Auch für das Kohlekraftwerk im türkischen Iskenderun und den Steag-Standort Termopaipa in Kolumbien nahm das Essener Management Millionenbeträge in die Hand.

In Deutschland ist der traditionsreiche Essener Energiekonzern mit seinen Steinkohlekraftwerken angesichts der wachsenden Bedeutung von Wind- und Sonnenstrom unter Druck geraten. Die Beschlüsse der Regierungskommission zum Ausstieg aus der Kohleverstromung seien für die Steag „schmerzhaft“, sagt Steag-Chef Joachim Rumstadt. Das Unternehmen hofft nun auf staatliche Ausgleichszahlungen. Als mögliche Entschädigung für die Stilllegung von Steinkohleblöcken sei ein Betrag von 600 Millionen Euro je 1000 Megawatt Kraftwerksleistung „angemessen“, findet er.

Rumstadt kann auch auf mehrere Großprojekte verweisen, die in den kommenden Jahren im Ruhrgebiet anstehen. Noch im Sommer soll der Bau eines neuen Gas- und Dampfkraftwerks in Herne beginnen. Gemeinsam mit Siemens ist ein Investment in mittlerer dreistelliger Millionenhöhe geplant.

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Vom Mineralölkonzern BP hat die Steag einen großen Auftrag am Raffinerie-Standort Gelsenkirchen-Scholven erhalten: Neue Anlagen sollen die bisherige Dampfversorgung vom benachbarten Uniper-Kohlekraftwerk ersetzen. In Gladbeck will die Steag auf der Mottbruchhalde eine Windkraftanlage errichten, die rechnerisch rund 3500 Haushalte pro Jahr mit Strom versorgen kann. In Bottrop plant die Steag mit dem Stahlkonzern Arcelor-Mittal den Bau eines Gaskraftwerks, das Strom und Dampf für die Kokerei produziert.

Die Steag-Zentrale in Essen.
Die Steag-Zentrale in Essen. © Hendrik Steimann

Unlängst haben sich die an der Steag-Muttergesellschaft KSBG beteiligten Kommunen darauf verständigt, einen Anteilsverkauf einzelner Stadtwerke ab Anfang 2020 zu ermöglichen. Fraglich ist indes, wer übernehmen könnte. Interesse wird dem tschechischen Konzern EPH nachgesagt, der vor Jahren die Mitteldeutsche Braunkohlengesellschaft (Mibrag) übernommen hatte. Auch das westfälische Familienunternehmen Rethmann dürfte die Entwicklung aufmerksam verfolgen. Vor dem Einstieg der Kommunen vor acht Jahren hat Rethmann bereits die Chancen für eine Steag-Übernahme ausgelotet.

Selbst über eine mögliche Verlagerung des Firmensitzes der Steag von Essen nach Dortmund wird spekuliert. Dass Dortmund bei einem Ausstieg von Städten wie Essen oder Duisburg nach der Mehrheit der Anteile greift, gilt indes als unwahrscheinlich.

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Da die mit den Banken vereinbarte Finanzierung zur Steag-Übernahme durch die Kommunen ausläuft, gibt es derzeit Verhandlungen über eine Anschlussfinanzierung. „Ein ganz gewöhnlicher Vorgang“, wie ihn auch Hausbesitzer kennen, sagt Rumstadt dazu. „Allerdings ist es in unserem Fall doch ein wenig komplizierter.“ Schließlich seien mehrere Stadtwerke und die Lokalpolitik involviert. „Bei so vielen Beteiligten auf den verschiedenen Ebenen dauern die notwendigen Abstimmungen und Entscheidungen einfach länger.“

>>> Im vergangenen Geschäftsjahr ist bei der Steag das Konzernergebnis nach Steuern um 79 Prozent auf 12,7 Millionen Euro massiv geschrumpft. Unter anderem aufgrund von Kraftwerksstilllegungen ist der Umsatz um 20 Prozent auf 2,9 Milliarden Euro zurückgegangen. Für das laufende Jahr erwartet die Steag bessere Zahlen.