Essen. . Laut Verdi fordert Karstadt-Eigner Benko einen hohen Beitrag der Beschäftigten zur Sanierung der Kaufhaus-Kette. Tarifbindung bereits aufgehoben.
Nach der Fusion mit Galeria Kaufhof verlangt Karstadt-Eigner René Benko einen Sparbeitrag der Kaufhof-Mitarbeiter von jährlich 70 Millionen Euro – das berichtet und beklagt die Gewerkschaft Verdi. Bei einem Spitzentreffen in Berlin hätten Benko und Stephan Fanderl, der frühere Karstadt-Geschäftsführer und Chef des neuen Warenhausriesen, erklärt, der Betrag sei zur Sanierung des Kaufhof notwendig. Verdi will noch im Februar die Tarifkommissionen von Kaufhof und Karstadt zusammenrufen.
Im Gegensatz zu Karstadt schreibt die Kölner Kaufhausgruppe rote Zahlen. Nach Angaben von Verdi verdienen die nach dem Flächentarif entlohnten Kaufhof-Mitarbeiter aktuell rund 12,6 Prozent mehr als ihre Kollegen bei Karstadt. Bereits vergangene Woche hatte Fanderl deutlich gemacht, dass Kaufhof ohne deutliche Kostensenkungen „nicht überlebensfähig“ sei und den sofortigen Ausstieg aus der Tarifbindung erklärt. Zusätzlich sollen 2600 Vollzeitstellen beim Kaufhof gestrichen werden.
Gleichzeitig erklärte Fanderl seine bei Karstadt umgesetzte Strategie zum Vorbild für den neuen Partner: „Die wirtschaftliche Gesundung von Karstadt Warenhaus zeigt aber, dass perspektivisch das Warenhausgeschäft in Deutschland insgesamt wieder erfolgreich und profitabel betrieben werden kann“, heißt es im Sanierungskonzept.
Harte Einbußen für Kaufhof-Beschäftigte
Für die rund 17.000 Kaufhof-Beschäftigten bedeutet das zunächst harte Einbußen. Die genannten 70 Millionen Euro werten Beobachter als sehr hoch gegriffen. Bei Karstadt hatten die seinerzeit noch 28.000 Mitarbeiter nach der Insolvenz 2009 auf 50 Millionen Euro im Jahr verzichtet. Auch nach der gescheiterten Sanierung unter Nicolas Berggruen und der Übernahme durch Benko blieben sie unter Tarifniveau. Vor gut zwei Jahren vereinbarten Karstadt und Verdi allerdings einen „Zukunftstarifvertrag“, der die Rückkehr in den Flächentarif bis 2021 und eine Jobgarantie für die noch rund 15.000 Karstadt-Beschäftigten ebenfalls bis 2021 enthält.
Am Spitzentreffen mit den Karstadt-Spitzen nahm neben Verdi-Handels-Vorstand Stephanie Nutzenberger auch Gewerkschaftschef Frank Bsirske selbst teil. Verdi kritisierte vor allem die mangelnde Kommunikation des Unternehmens. Von der Ankündigung, Kaufhof aus der Tarifbindung zu nehmen, zeigte man sich überrumpelt. „Das war weder sachdienlich noch förderlich für eine erfolgreiche Zusammenarbeit“, sagte Nutzenberger, „einseitiges Handeln verhindert Vertrauen.“ Sie sprach von „Tarifflucht“ und ergänzte: „Die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband ohne Tarifbindung stellt für die Beschäftigten eine Provokation dar.“
Tatsächlich stand Verdi mit dem alten Kaufhof-Management bereits kurz vor einer Einigung auf einen Sanierungstarifvertrag. Im Sommer 2018 wurden die Gespräche dann von Verdi „auf Eis gelegt“, als die Fusion mit Karstadt Gestalt annahm. Dass die im Vergleich mit Karstadt höheren Löhne für den Verluste schreibenden Kaufhof nicht länger tragbar seien, hatte damals auch der Kaufhof-Chef Roland Neuwald klar gemacht.
Laut Verdi strebt das neue Gemeinschaftsunternehmen „eine Tariflösung für Kaufhof und Karstadt“ an. Das könnte eine schrittweise Angleichung der Löhne bedeuten. Im Gegenzug für den geforderten Beitrag der Beschäftigten habe Benkos Signa-Holding versprochen, im Frühjahr eine Finanzspritze in dreistelliger Millionenhöhe zur Stützung des Kaufhof bereitzustellen, teilte Verdi mit. Auch werde kein Geld abgezogen, sondern reinvestiert.
Verdi fordert Job- und Standortgarantien
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Nutzenberger nannte als Bedingung für eine Einigung „Beschäftigungs- und Standortsicherung - auch für die 40 Doppelstandorte und ein Bekenntnis zur Tarifbindung. Dann sind wir auch bereit, über ein Zukunftskonzept zu verhandeln.“
Die Mehrheit am neuen Gemeinschaftsunternehmen, das in etwa 240 Filialen rund 32.000 Mitarbeiter beschäftigt, hält seit dem Zusammenschluss Ende November vergangenen Jahres der bisherige Karstadt-Eigentümer René Benko. Karstadt hat auch die operative Führung übernommen. Der Kaufhof-Eigentümer Hudson’s Bay Company blieb aber als Minderheitseigentümer an Bord. Auch die Kanadier haben ein veritables Interesse daran, die Kosten bei Kaufhof zu drücken. Erstens sind sie noch mit 49,99 Prozent am Gemeinschaftsunternehmen beteiligt. Zweitens gehört ihnen ein großer Teil der Kaufhof-Immobilien, auf deren verlässliche Mieteinnahmen HBC angewiesen ist.