Essen. . Bei der Hauptversammlung in der Essener Grugahalle kündigt Evonik-Chef Kullmann weitere Veränderungen im Chemiekonzern an.
Der Essener Chemiekonzern Evonik steht nach Darstellung von Vorstandschef Christian Kullmann vor einem weiteren Umbau. Nach der Trennung vom traditionsreichen Plexiglas-Geschäft und Firmenübernahmen in den USA strebe Evonik „weitere gezielte Zukäufe“ an, sagte Kullmann bei der Hauptversammlung in der Essener Grugahalle.
Kullmann verteidigte zugleich den geplanten Abbau von konzernweit rund 1000 Arbeitsplätzen in der Verwaltung und im Vertrieb. Ein „erhöhtes Kostenbewusstsein“ sei notwendig, betonte er. Ziel sei es, die jährlichen Kosten des Konzerns bis zum Jahr 2020 um dauerhaft 200 Millionen Euro zu reduzieren. Im vergangenen Jahr seien davon 50 Millionen Euro erreicht worden, weitere 50 Millionen Euro sollen im laufenden Geschäftsjahr folgen. „Das ist keine leichte Aufgabe“, sagte Kullmann. Betriebsbedingte Kündigungen seien in Deutschland aber bis Mitte 2023 ausgeschlossen.
Gewinnprognose für 2019 etwas angehoben
Für das laufende Geschäftsjahr zeigte sich der Evonik-Chef vorsichtig optimistisch. „Ende des Jahres 2018 waren die Aussichten düster: Die Wirtschaftsweisen befürchteten einen weltwirtschaftlichen Kollaps, vorneweg in der Chemie als Frühzykliker. Doch ganz so schlimm ist es nicht gekommen“, sagte Kullmann. „Aber die globalen ökonomischen Herausforderungen werden größer.“
Evonik hat unlängst die Prognose für 2019 etwas angehoben und erwartet nun Umsätze und Gewinne „mindestens auf dem Niveau des Vorjahres“. Nach dem bereits erfolgten Umbau des Konzerns sei Evonik „stabiler und robuster mit klaren Wachstumsperspektiven – trotz eines herausfordernden Umfelds“, erklärte Kullmann.
Evonik „quasi in Sippenhaftung genommen“
Unzufrieden zeigte sich der Evonik-Chef mit dem Aktienkurs. Seit geraumer Zeit liegt die Evonik-Aktie unter dem Ausgabekurs von 33 Euro beim Börsenstart im Frühjahr 2013. Am Morgen der Hauptversammlung kostete ein Anteilsschein rund 25,50 Euro. Mit der Entwicklung an der Börse könnten auch die Anteilseigner „alles andere als zufrieden sein“, räumte Kullmann ein.
„Die Börsen wurden immer stärker von politischen Themen und der aufkommenden Angst vor einem konjunkturellen Abschwung dominiert. Eine drohende Abschwächung in China, negative Entwicklungen in der Autoindustrie und Gewinnwarnungen unserer Wettbewerber führten zu drastischen Kursverlusten im vierten Quartal“, sagte Kullmann rückblickend. Dabei sei Evonik „quasi in Sippenhaftung genommen“ worden. Immerhin: „In den letzten Monaten hat sich die Lage ein wenig verbessert.“ Seit Jahresbeginn sei die Aktie „von niedrigem Niveau“ deutlich gestiegen.
Premiere für RAG-Stiftungschef Tönjes
Erstmals leitet RAG-Stiftungschef Bernd Tönjes als Evonik-Aufsichtsratschef die Hauptversammlung. Tönjes ist bei der RAG-Stiftung und Evonik der Nachfolger des schwer erkrankten früheren Bundeswirtschaftsministers Werner Müller. Die RAG-Stiftung, die nach dem Ende der Steinkohlezechen einen Großteil der Folgekosten des deutschen Bergbaus finanziert, ist Mehrheitsaktionärin von Evonik.
Vorstand und Aufsichtsrat von Evonik haben der Hauptversammlung eine Dividende in Höhe von 1,15 Euro je Aktie vorgeschlagen. Gemessen am Schlusskurs zum Jahresende 2018 entspricht dies einer Dividendenrendite von 5,3 Prozent. Evonik-Aufsichtsratschef Tönjes zeigte sich zufrieden: „Das war das beste Jahr in der noch jungen Geschichte von Evonik“, betonte er.
Unzufriedenheit über den Aktienkurs von Evonik
Auch Thomas Beisswenger vom Mitarbeiter-Aktionärsverein sprach von einem „absoluten Spitzenjahr“. Ulrich Hocker von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) bezeichnete Evonik mit Blick auf die erheblichen Veränderungen in den Ruhrgebietskonzernen als „großen Umstrukturierer, der richtig Geld verdient“. Im Vergleich zu benachbarten Unternehmen im Revier sei Evonik damit „der letzte Mohikaner“. Die Aktie werde allerdings vom Kapitalmarkt „nicht ausreichend gewürdigt“.
Stefan ten Doornkaat von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK) konstatierte ebenfalls: „Mit dem Aktienkurs können wir alle nicht zufrieden sein.“ An der Börse spiele sicherlich eine Rolle, dass die RAG-Stiftung mit ihrer Mehrheitsbeteiligung bestimmte Investoren abschrecke, bemerkte ten Doornkaat. Entsprechendes Interesse erweckte bei den Anlegern die Frage, ob sich die Stiftung von weiteren Evonik-Anteilen trennen will. Unlängst hatte die Stiftung bereits ein großes Aktien-Paket abgegeben.
Tönjes sagte, die Stiftung habe bereits erklärt, dass sie „keine unmittelbare Reduzierung“ der Evonik-Beteiligung plane und „auf lange Sicht signifikante Anteile“ am Chemiekonzern halten werde.