Essen. . Supermärkte werben mit regionalen Produkten. Doch heimische Obstbauern beklagen Preiskampf gegen Erdbeeren aus Marokko und spanischen Spargel.
„Gutes aus der Region“, „Unsere Heimat – echt und gut“, „frisch aus Deiner Region“ – in den Supermärkten und Discountern wird offensiv mit Produkten von nebenan geworben. Als Kaufargumente dienen mehr Geschmack durch reife Ernte, kürzerer Transport und nicht selten auch die Unterstützung heimischer Landwirte. Doch genau die fühlen sich zusehends von den großen Handelsketten im Stich gelassen.
Die Obst- und Gemüsebauern aus der Region beklagen, sie hätten es immer schwerer, ihre Erdbeeren, Kartoffeln und Äpfel in die Frischeabteilungen der Supermärkte und erst recht der Discounter zu bringen. Die zögen im Zweifel billige Importware den heimischen Früchten vor. „Diesen Trend beobachten wir seit einigen Jahren“, sagt Ferdinand Völzgen vom Provinzialverband Rheinischer Obst- und Gemüsebauern unserer Zeitung. „Weil nur noch vier Ketten den Lebensmittelhandel dominieren und gerade die Discounter mit Kampfpreisen agieren, wird der Druck immer größer. Wir Erzeuger haben nicht viel entgegenzusetzen.“
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Zwar werde stets die Bereitschaft signalisiert, Ware zu nehmen. „Aber nur noch zu Preisen, zu denen wir nicht mehr kostendeckend produzieren können“, sagt Völzgen, Vorsitzender der Fachgruppe Obstbau. Deutsche Erdbeeren frisch vom Feld konkurrierten mit Importware aus Marokko und Spanien, die perfekt aussehe und deutlich günstiger sei. Schon beim Spargel habe der Handel abgewartet, bis nach Erntebeginn die Preise für heimische Stangen fielen. „Die Bauern hören dann Sätze wie diesen: ,Wir haben diese Woche noch den spanischen im Angebot, vielleicht nehmen wir deinen nächste Woche’“, berichtet Völzgen.
Erdbeeren für 2,80 Euro das Kilo - nicht kostendeckend
Aktuell ist Erdbeerzeit, auch auf dem Hof Appelbaum in Wattenscheid. Die Preise schwanken je nach Wetter und Tagesernte, aktuell gibt’s die frisch gepflückten roten Früchte für rund sieben Euro das Kilo. „Im Großmarkt gab es zuletzt 1,40 Euro für die 500-Gramm-Schale. Damit komme ich nicht hin“, sagt Patrick Appelbaum. Mangels Sonne pflücke er die Erdbeeren derzeit noch im Tunnel, mit Personal und Lagerung komme er auf rund vier Euro Produktionskosten je Kilo.
Appelbaum hat einen lokalen Edeka-Markt als Partner, der seine Beeren zu besseren Preisen kaufe, ansonsten meide er den Handel ganz. Er verkauft seine Erdbeeren fast komplett selbst ab Hof und tauscht sie mit einem befreundeten Landwirt gegen dessen Spargel. Als im vergangenen Jahr alle Erdbeeren auf einmal reif wurden und die Preise ganz im Keller waren, habe er einen Teil der Beeren sogar am Strauch gelassen statt sie in den Handel zu geben, weil sich das nicht lohne. Was ihn wurmt: „Die marokkanischen werden grün gepflückt und mit Mitteln bearbeitet, die hier verboten sind.“
Bauern im Ruhrgebiet setzen auf Eigenvermarktung
Heimische Obst- und Gemüsebauern setzen deshalb immer stärker auf Eigenvermarktung. „Nur so lassen sich noch vernünftige Gewinne erzielen. Nur für den Handel zu produzieren, rechnet sich für viele Betriebe längst nicht mehr“, weiß Ferdinand Völzgen vom Provinzialverband. Am größten seien die Probleme bei Himbeeren, Brombeeren und Süßkirschen, die später im Jahr geerntet werden und anfälliger für Schädlinge seien.
„Die Importware sieht toll aus, wird mit Pflanzenschutzmitteln behandelt wird, die wir nicht verwenden dürfen“, sagt Völzgen, um gleich klarzustellen: „Trotzdem sind diese Beeren verkehrsfähig, haben keine überhöhten Schadstoffwerte. Wenn aber die Bedingungen und auch die Löhne so unterschiedlich sind, müssen das auch die Preise sein.“
Der Edeka-Verbund Rhein-Ruhr weist die Vorwürfe zurück. „Jeder unserer eigenständigen Kaufleute hat regionales und auch lokales Obst und Gemüse im Angebot, wir achten sehr auf Regionalität“, sagt ein Unternehmenssprecher auf Anfrage. Entsprechend gebe es mit der Importware immer auch eine gewisse Preisspanne im Angebot, wobei lokale Produkte für die Kunden einen Mehrwert bedeuteten.
Die Rewe-Gruppe erklärt: „Sowohl für Rewe als auch für Penny gilt, dass wir – entsprechende Mengen und Qualitäten vorausgesetzt – in erster Linie heimische Ware anbieten.“ Stehe die nicht zur Verfügung, müsse man aber auf Importe ausweichen. „Andernfalls hätten wir Regallücken“, so ein Sprecher.
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An einzelne örtliche Händler sowohl von Edeka als auch von Rewe liefert auch Nikolas Weber einige seiner Kartoffeln, Äpfel und Birnen vom Oberschuirshof im Essener Süden. Aber „den allergrößten Teil verkaufen wir selbst in unserem Hofladen“, sagt er. Das sei im landwirtschaftlich klein strukturierten Ruhrgebiet auch gar nicht anders möglich, die Direktvermarktung eine gewachsene, bewährte Struktur, weil man die Flächen kaum ausweiten könne, die Kunden dafür vor der Tür habe.
Der Apfel aus Neuseeland sieht toll aus und ist günstig
Im Handel konkurriere man dagegen zu Weltmarktpreisen mit perfekt aussehender, billiger Importware. Und wenn der Braeburn aus Neuseeland besser aussehe als seiner und auch noch zehn Cent je Kilo günstiger sei, flögen seine Äpfel auch mal aus dem Regal des örtlichen Supermarkts. Weber sieht die Ursache dafür beim Verbraucher: „Für den einen steht der günstige Bilderbuch-Apfel für Qualität, dem anderen sind heimischer Anbau und kurze Transportwege wichtiger.“
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Weil Obst- und Ackerbauern im Ruhrgebiet nicht mit Masse punkten können, leben sie vom Direktverkauf und immer mehr auch von ihrem Ideenreichtum. Den Maislabyrinthen folgten Hof-Events und Scheunen-Cafés. Der eine züchtet Strauße und hat einen Ackergolfplatz angelegt. Der andere hat ein Heuhotel eröffnet. Und mehrere Landwirte vermieten inzwischen Kleinparzellen an Städter, die auch mal selbst säen und ernten wollen. Derlei „Mietfelder“ betreibt auch der Oberschuirshof. Bauer Webers frischeste Idee: Miethühner.