Essen. Auf dem Mittelhammshof in Essen wird ähnlich gearbeitet wie in der traditionellen Landwirtschaft. Bauer Maas vermietet kleine Felder an Städter.
Was kochen wir heute? Am besten das, was gerade reif ist. Die Dicken Bohnen stehen noch in schöner weiß-schwarzer Blüte. Aber der Salat muss runter vom Feld. Messer angesetzt und das Essen ist geritzt. (Für wen das noch keine Mahlzeit ist: Fleisch und Kartoffeln gibt es auch im Bio-Hofladen). Auf dem Mittelhammshof können Stadtpflanzen eine kleine Parzelle mieten – oder auch eine halbe. Das gesamte Feld in Essen ist ab Mai bereits bestellt. Die Mini-Bauern müssen nur noch jäten, so gut wie gar nicht gießen – und dann vor allem: ernten!
Doch was Karola Sust an diesem Tag in ihrem Eimer sammelt, sind nicht frischer Fenchel oder reife Radieschen. Es sind rötlich schimmernde Larven. Und die bereits erwachsenen Käfer mit dem eigentlich hübschen gestreiften Flügeln. In der konventionellen Landwirtschaft hätte Pflanzenschutzmittel dem Kartoffelkäfer den Garaus gemacht. Auf dem Bio-Hof pflücken die Mini-Bauern den Schädling von den Blättern und bringen ihn in unterschiedlichen Behältern weit weg von ihrem Gemüse: Ein Senior mit Schraubglas, ein Mädchen mit Schälchen oder Karola Sust mit ihrem fast halb vollen Eimer. Sie alle pilgern zum Stall. Und dort erwarten sie schon die Hühner, in Scharen rennen sie zum Zaun – jetzt gibt es lecker Kartoffelkäfer.
Möglichst wenig Einfluss von außen
„Kreislaufwirtschaft“, nennt das Günter Maas. Was hier nach Scherz klingt, ist sein Ernst: Auf seine Felder kommt zum Beispiel nur der Mist von den eigenen Kühen. Er benötigt keinen anderen Dünger. Möglichst unabhängig will er sein, von dem leben, was der Hof hergibt.
Karola Sust hat zweieinhalb Stunden die Käfer von den Blättern gepflückt. „Bekomme ich dafür Fleißkärtchen?“, scherzt sie. Nun, es gibt Schöneres. Aber das ist eben auch Natur. Und die Arbeit im Garten geradezu „meditativ“, sagt die 59-Jährige, die tagsüber im Büro arbeitet. Eigentlich reicht es in der Regel, wenn man ein- oder zweimal in der Woche beim Feld vorbeischaut. Aber wegen der Käfer war sie in letzter Zeit dann doch jeden Tag da. Vom Fachmann möchte sie wissen, was er macht bei den Kartoffelkäfern auf seinen Feldern. „Ein langes Gesicht“, antwortet Bauer Maas breit lächelnd.
Eine kleinere Ernte, dafür Bio-Qualität
Der 54-Jährige nimmt es hin, wenn die Käfer den Ertrag verkleinern. „Ich lebe damit, dass ich die Hälfte der Ernte eines konventionellen Betriebs habe.“ Demütig fügt er sich auch dem Wetter. Wenn es trocken ist, dann muss er raus mit der Rollhacke am Trecker. Das Unkraut darf auf dem Maisfeld den zarten Pflänzchen nicht den Platz streitig machen.
Sein Gemüse verkauft er am liebsten auf dem Wochenmarkt oder im eigenen Hofladen. Die Nachfrage nach Bio bedienen heute auch Discounter. Doch sie wollen in der Regel Bio-Bauern, die in großen Stückzahlen verlässlich gute Qualität liefern. So müssen sich laut Maas auch immer mehr Bio-Landwirte spezialisieren, um die gewünschten Mengen produzieren zu können.
Sein Vater hatte sich auf Milchvieh spezialisiert. Aber mit den paar Kühen hätte der Sohn Günter das Ganze nicht lange aufrechterhalten können. „Da hätte man 100 Kühe haben müssen, einen neuen Stall“ Also besann er sich auf die Tradition: von allem etwas. Neben den milchgebenden Kühen und den eierlegenden Hühnern ganz viel Gemüse. Und das alles in Bio-Qualität.
Mathilde nascht lieber Johannisbeeren
Die siebte Generation der Familie Maas nascht gerade rote Johannisbeeren vom Strauch: Mathilde, gerade mal 15 Monate alt. Maas freut sich, dass sie auf einem traditionellen Hof mit all den Tieren aufwächst. So manches musste er seit der Umstellung 1992 lernen. „Ich bin nicht mit Schweinen groß geworden.“ Nun suhlen sich auf seinem Hof die schwarz-rosafarbenen Ferkel des Schwäbisch-Hällischen Landschweins – „eine alte Rasse“.
Den Anblick empfindet Karola Sust als Futter für die Seele. Für den Magen hat sie einen großen Salat ausgewählt. Dies ist nun die zweite Saison als Mini-Bäuerin. „Ich habe lange Zeit nicht einkaufen müssen, weil ich hier geerntet habe.“ Und wer kein Feld hat? Dem rät Maas, sich mit Nachbarn zusammenzutun. Warum nicht abwechselnd den Großeinkauf auf dem Wochenmarkt erledigen? „Ich esse im Winter auch spanische Bio-Tomaten“, gibt er zu. „Aber es ist die Ausnahme.“
>> SELBST-ERNTE IN UNSERER REGION - EINE AUSWAHL
Sie möchten Bauer eines kleinen Feldes werden? In unserer Region gibt es mehrere Anbieter. Auf deren Internetseiten finden Sie meist einen Plan über die Gemüsesorten, die angebaut werden. Bei manchen sind auch Kräuter dabei und Sommerblumen sowie Platz für Selbstgesätes. Eine Auswahl der Anbieter:
Auf dem Bio-Mittelhammshof in Essen sind in dieser Saison alle Parzellen vermietet (90 qm: 240 € pro Jahr, 45 qm: 140 €). Anfragen fürs nächste Frühjahr sowie Infos zum Hofladen und Wochenmarkt: mittelhammshof.de
Ebenfalls in Essen gibt es in Schuir die Feldfreunde (50 qm: 140 €) Info: feldfreunde.de.
Die Essener Ackerhelden bieten in mehreren Städten die Bio-Mietgärten an (45 qm: 199 €): Zum Beispiel in Arnsberg, Düsseldorf oder Kamp-Lintfort. Infos: ackerhelden.de
An verschiedenen Orten kann man auch bei Meine Ernte mieten, in Bochum und Bottrop-Kirchhellen, in Dortmund und Duisburg, Düsseldorf, Essen und Herten. (45 qm: 229 €, 90 qm für 439 €). meine-ernte.de