Essen. . Hauptversammlung von Hochtief: In die Freude der Aktionäre über eine hohe Dividende mischt sich Verärgerung über den Aktienkurs. Das hat Gründe.

Die Hauptversammlung von Hochtief läuft schon eine gewisse Zeit, als Vorstandschef Marcelino Fernández Verdes sein Smartphone zückt. Ein schneller Blick auf die Börsendaten soll zur Beruhigung beitragen. Siehe da: Der Aktienkurs von Hochtief geht wieder nach oben. Herr Fernández lächelt. „Der Markt urteilt“, sagt der spanische Manager auf Englisch mit starkem Akzent, und ein Dolmetscher übersetzt für die Aktionäre von Deutschlands größtem Baukonzern, die zur Hauptversammlung nach Essen gekommen sind.

Dass der Aktienkurs von Hochtief kurz vor dem Treffen eingebrochen ist, hat die Freude der Anleger über steigende Gewinne und eine hohe Dividende merklich getrübt. Von einem „Kursdesaster“ spricht Joachim Kregel von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger. Dass der Revierkonzern an der Börse deutlich an Wert verloren habe, sei „überraschend, unerwartet und in höchstem Maße ärgerlich“.

Begleiteffekt des Mautstraßen-Deals

Es handelt sich augenscheinlich um einen Begleiteffekt des Mautstraßen-Deals, den die spanische Hochtief-Mutter ACS im vergangenen Jahr mit dem italienischen Unternehmen Atlantia vereinbart hatte. Durch eine komplexe Milliarden-Transaktion war der spanische Mautstraßenbetreiber Abertis in einer Holding aufgegangen, an der Hochtief und ACS 20 beziehungsweise 30 Prozent halten. 50 Prozent liegen beim Atlantia-Konzern, an dem die italienische Unternehmerfamilie Benetton maßgeblich beteiligt ist. Im Zuge des Bündnisses ist Atlantia mit 24 Prozent zum neuen Hochtief-Großaktionär aufgestiegen. Ein Drittel des Aktienpakets haben die Italiener nun aber schon wieder abgegeben. Das drückt den Hochtief-Kurs.

Der Einsturz der Morandi-Autobahnbrücke in Genua, bei dem im vergangenen August 43 Menschen ums Leben kamen, belastet den italienischen Konzern und Hochtief-Großaktionär Atlantia.
Der Einsturz der Morandi-Autobahnbrücke in Genua, bei dem im vergangenen August 43 Menschen ums Leben kamen, belastet den italienischen Konzern und Hochtief-Großaktionär Atlantia. © Luca Zennaro,dpa

Die Vermutung liegt nahe, dass der Atlantia-Konzern, der im vergangenen Jahr durch den Einsturz einer Autobahnbrücke in Genua arg unter Druck geraten war, Liquiditätsbedarf hat und daher mit den Hochtief-Aktien Kasse machen möchte. Bei der Brücken-Katastrophe waren 43 Menschen ums Leben gekommen. Unlängst hat Hochtief-Chef Fernández Verdes noch betont, das Unglück habe sich nicht auf die Zusammenarbeit von Hochtief und Atlantia bei Abertis ausgewirkt.

Konzernchef macht mit Hochtief-Aktien Kasse

Bemerkenswert ist, dass sich Fernández Verdes bereits im vergangenen Jahr in großem Stil von Hochtief-Aktien getrennt hat. Einer Pflichtmitteilung zufolge verkaufte der Vorstandschef Ende Juli 2018 Anteilsscheine im Wert von mehr als zwei Millionen Euro. Zu diesem Zeitpunkt stand die Hochtief-Aktie noch bei 157 Euro. Zum Vergleich: Derzeit sind es nur noch rund 122 Euro.

Für Nervosität der Anleger sorgt auch ein Bericht über angeblich aufgeblähte Ergebniskennziffern der australischen Hochtief-Tochter Cimic. Die Hintergründe bleiben auch bei der Hauptversammlung zunächst unklar. Hochtief-Chef Fernández Verdes jedenfalls demonstriert auch mit Blick auf dieses heikle Thema Gelassenheit.

Kräftiger Anstieg der Dividende

Punkten kann Fernández Verdes bei den Aktionären mit einer Dividende, die im Vergleich zum Vorjahr um 47 Prozent auf 4,98 Euro gestiegen ist. Seit 2012, als Hochtief noch einen Euro pro Aktie zahlte, ist die Gewinnausschüttung Jahr für Jahr in die Höhe gegangen.

Als Fernández Verdes eine Grafik zur Dividenden-Entwicklung kommentiert, nimmt das Tuscheln im Saal merklich zu. „Warum denn nicht fünf Euro?“, flüstert eine Aktionärin ihrem Begleiter ins Ohr. Auch Thomas Hechtfischer von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz bemerkt, es entstehe fast der Eindruck, Hochtief habe sich geradezu bemüht, eine Fünf vor dem Komma zu vermeiden.

Neue Zentrale und Innovationszentrum in Essen

Applaus erhält Fernández Verdes für die Entscheidung, am historischen Hochtief-Firmensitz in Essen eine neue Konzernzentrale zu errichten. Zudem sollen Innovationszentren des Unternehmens in Madrid, Sydney, Minneapolis, im Raum Frankfurt-Darmstadt und in Essen entstehen. Mit einer konzernweiten „Innovationsdrehscheibe“ namens Nexplore will Hochtief die Digitalisierung des Baugeschäfts vorantreiben.

Im vergangenen Jahr hat Hochtief bereits beim Bau einer Autobahn im Süden Deutschlands Drohnen mit Laser-Scannern eingesetzt, um den Fortschritt der Arbeiten zu dokumentieren. Hochtief arbeitet bei Digitalprojekten unter anderem mit Microsoft und IBM zusammen.

„Nexplore wird eng mit weltweit führenden Universitäten und IT-Unternehmen kooperieren“, sagt Hochtief-Chef Fernández Verdes. Gerade auch die neue Konzernzentrale in Essen solle die „digitale Transformation“ von Hochtief unterstützen, betont er: „Wir werden ein Arbeitsumfeld schaffen, in dem man effizient, inspiriert und produktiv arbeitet.“