Mülheim. . Siemens-Chef Joe Kaeser will offenbar das Kraftwerksgeschäft abspalten und sucht Partner dafür. Der Plan sorgt für Unruhe im Mülheimer Werk.

Gerade hatten die 4500 Mülheimer Siemens-Mitarbeiter wieder Hoffnung geschöpft, dass der milliardenschwere Wiederaufbau der Stromversorgung im Irak dem Werk an der Ruhr die ersehnten neuen Aufträge bescheren werde. Die Freude währte nicht lange. Am morgigen Mittwoch will Siemens-Chef Joe Kaeser verkünden, wie es mit der kriselnden Kraftwerkssparte weitergehen soll. Beobachter erwarten, dass der Konzern die gesamte Einheit Gas & Power abspalten will. Entweder durch einen Börsengang. Oder indem er Partner findet für das schleppende Geschäft von der Öl- und Gasproduktion bis zur Stromerzeugung und -übertragung. Dann könnte ein neues Gemeinschaftsunternehmen entstehen, das nicht mehr zum Kerngeschäft des Münchner Konzerns gehört.

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Das Unternehmen hüllt sich in Schweigen. Am Dienstag tagt der Aufsichtsrat, am Mittwoch will sich Kaeser in Berlin bei einer Investorenkonferenz äußern und seine Unternehmensstrategie „Vision 2020+“ präzisieren. Die neue Struktur mit den sechs großen Sparten ist erst am 1. April in Kraft getreten. Den Plan hatte er am 1. August 2018 mit den beiden Kernbotschaften veröffentlicht, dass Siemens seinen einzelnen Geschäftsbereichen „mehr unternehmerische Freiheit“ geben wolle, um auf diese Weise Umsatz und Marge anzukurbeln. Überdies, so die Strategie, solle das Geschäft mit der Digitalisierung stimuliert werden.

Jens Rotthäuser ist Betriebsratsvorsitzender am Siemens-Standort in Mülheim. Foto: Michael Dahlke

Die Unruhe im Unternehmen ist groß. Das zeigte sich am Montag auch bei einer routinemäßigen Betriebsversammlung in Mülheim. „Das eine oder andere Gerücht macht uns große Sorgen“, sagt der Betriebsratsvorsitzende Jens Rotthäuser. Nach dem letzten großen Umbau im Sommer vergangen Jahres sollen ohnehin bereits 600 Stellen in dem Dampfturbinen- und Generatorenwerk abgebaut werden. Die Gespräche mit den Mitarbeitern laufen gerade.

Eine mögliche Abspaltung der gesamten Sparte Gas & Power mit ihren 71.000 Beschäftigten und 18 Milliarden Euro Umsatz heizt die Verunsicherung weiter an. Seit Monaten verhandelt Siemens mit dem japanischen Konkurrenten Mitsubishi Hitachi über die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens. Dem Vernehmen nach strebt Kaeser an, in dem Joint Venture eine Minderheitenposition einzunehmen, um das weltweit eingebrochene Geschäft mit großen Dampf- und Gasturbinen aus der Bilanz heraushalten zu können. Auch über das Zusammengehen mit einem chinesischen Partner wird spekuliert.

Betriebsrat: Fokus liegt auf der Mitbestimmung

Die Pläne stoßen aber auf den erbitterten Widerstand von Betriebsrat und IG Metall. Der Arbeitnehmerseite wäre ein Verbleib des Kraftwerkgeschäfts in der Siemens-Familie lieber. „Unser Fokus liegt klar auf der Mitbestimmung. Sie ist in der Siemens AG am größten“, sagt der Mülheimer Betriebsrat Rotthäuser. Aus Arbeitnehmer-Sicht spricht aber auch ein zweiter Grund für den Verbleib bei Siemens: Aufträge zum Bau großer Turbinen sind aufgrund der Abkehr von Kohle und Atom zwar rückläufig. Dafür wächst das in Mülheim ansässige Service-Geschäft für bestehende Kraftwerke.

Siemens-Chef Joe Kaeser.
Siemens-Chef Joe Kaeser. © Sven Simon/dpa

Die Ausgliederung von Gas & Power würde Kaeser nicht nur den Weg in eine Partnerschaft oder ein Gemeinschaftsunternehmen ebnen. Der Siemens-Chef hätte auch die Option, die Kraftwerksfirma an die Börse zu bringen. Seine Pläne passen zur bisherigen Strategie, die Siemens AG in eine schlanke Holding zu verwandeln. Das Geschäft mit den erneuerbaren Energien hat Kaeser bereits in der Tochter Gamesa ausgelagert, die Medizintechnik in Healthlineers. Beide Unternehmen sind börsennotiert. Die Zukunft der Zugsparte Siemens Mobility ist indes noch offen. Eine Fusion mit der französischen Alstom hatten die EU-Kartellbehörden im vergangenen Jahr untersagt.