Bottrop. In 17 Revierstädten hilft Innovation City bei der Einsparung von Energie. Nun gibt es Kritik am Land, weil es ein Projekt nicht fördern will.

In 17 Ruhrgebiets-Kommunen stellt die Klima-Initiative Innovation City aktuell unter Beweis, dass der Energieverbrauch und damit der klimaschädliche Ausstoß von Kohlendioxid signifikant gesenkt werden können. Und dennoch weht dem weltweit beachteten Projekt der Wind ins Gesicht. Im Rahmen des 1,2 Milliarden Euro schweren Förderprogramms „Regio.NRW“, das von Land und EU getragen wird, soll Innovation City leer ausgehen. Das Entsetzen über die Entscheidung der Auswahljury ist groß.

Die schärfste Kritik kommt von den Grünen im Landtag. „Ein solch erfolgreiches Projekt abzuwürgen, deutet auf einen erschreckenden Mangel an Weitsicht hin“, schimpft die Landesvorsitzende Mona Neubaur. „Mit Innovation City wird ganz konkret gezeigt, wie Klimaschutz vor Ort gelingen kann und wie wir Mobilität zukünftig gestalten sollten“, sagte die Grünen-Politikerin unserer Redaktion. „Völlig unverständlich ist daher, dass NRW-Wirtschaftsminister Pinkwart Innovation City beim Projekt ,Regio.NRW‘ außen vor lässt.“

Grünen-Fraktionschefin Mona Neubaur.
Grünen-Fraktionschefin Mona Neubaur. © WP

Ende vergangener Woche hatte Andreas Pinkwart (FDP) die Empfehlungen des Gutachtergremiums veröffentlicht. Danach sollen 2020 rund 45 Millionen Euro in 36 Projekte aus ganz NRW fließen. Sie alle haben der Mitteilung des Wirtschaftsministeriums zufolge das Ziel, kleine und mittlere Unternehmen bei der Digitalisierung, beim Transfer von den Hochschulen in die Unternehmen zu unterstützen und die Start-up-Kultur in ländlichen Regionen zu stärken. Das Ruhrgebiet ist immerhin mit 14 Projekten vertreten – nach Angaben der Metropole Ruhr mit einem Fördervolumen von 18 Millionen Euro.

Burkhard Drescher ist Geschäftsführer von Innovation Ruhr.
Burkhard Drescher ist Geschäftsführer von Innovation Ruhr. © Heinrich Jung

Doch ausgerechnet der hell strahlende Leuchtturm Innovation City erhielt von den Gutachtern keine Förderungsempfehlung. Dabei hatte sich die Initiative dem Vernehmen nach einen hohen einstelligen Millionen-Betrag erhofft. „Wir sind sehr enttäuscht“, sagte Geschäftsführer Burkhard Drescher unserer Redaktion. Der Projektvorschlag von Innovation City sei gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut Umsicht, dem Wuppertal Institut für Klima, Umwelt und Energie sowie der Business Metropole Ruhr eingereicht worden und werde von 42 Institutionen und Städten von Dortmund bis Bonn unterstützt. Der Inhalt: Innovation City will in einem Stadtquartier unter Beweis stellen, dass Digitalisierung Treiber für Erneuerungsprozesse sein kann.

Nun soll Minister Stephan Holthoff-Pförtner helfen

Drescher ist derart vom Erfolg seines geplanten Projekts überzeugt, dass er sich mit der Absage aus dem Ministerium von Andreas Pinkwart nicht abfinden will. „Ich habe den für die Ruhrkonferenz zuständigen Minister Stephan Holthoff-Pförtner gebeten, gemeinsam mit der Business Metropole Ruhr nach alternativen Realisierungschancen zu suchen“, sagte Drescher. Alle Hoffnungen ruhen nun auf dem CDU-Politiker, der im Kabinett von Ministerpräsident Armin Laschet die Belange des Ruhrgebiets vertreten soll.

Auch der Initiativkreis Ruhr, Bündnis bedeutender Revier-Unternehmen und Hauptgesellschafter von Innovation City, setzt nun auf die Ruhrkonferenz. „Jetzt bietet sich – auch mit Blick auf die Ruhrkonferenz der Landesregierung – die einmalige Chance, das Ruhrgebiet zur Zukunftsregion der Energiewende mit attraktiven Wohnräumen in lebenswerten Quartieren zu machen“, sagte Dirk Opalka, Aufsichtsratsvorsitzender der Innovation City und Geschäftsführer des Initiativkreis Ruhr. Innovation City habe „Serienreife“ erreicht. Nach Opalkas Worten reicht das Interesse der energiesparender Modelle inzwischen bis ins Rheinland hinein.

Innovation City schaltet NRW-Minister Stephan Holthoff-Pförtner ein.
Innovation City schaltet NRW-Minister Stephan Holthoff-Pförtner ein. © Christof Köpsel

In Bottrop gestartet, wurde Innovation City seit Mitte 2016 auf Wohnquartiere in 17 Revierstädten ausgerollt. Dort werden nach Angaben der Gesellschaft aktuell jährlich knapp eine Million Tonnen CO2 ausgestoßen. In einer Zwischenbilanz heißt es, dass „nach konservativer Schätzung“ in den nächsten fünf Jahren mehr als ein Drittel des Klimakillers vermieden werden könnte, wenn alle geplanten Maßnahmen zur Energieeinsparung realisiert würden. „Diese eingesparten Treibhausgase entsprechen dem durchschnittlichen jährlichen CO2-Ausstoß von über 32.000 Personen oder den durchschnittlichen verkehrsbedingten Emissionen von 200.000 NRW-Berufspendlern pro Jahr“, heißt es bei Innovation City.

Ruhrgebiet soll Modellregion werden

Geschäftsführer Drescher zeigt sich optimistisch: „Die jetzt vorliegenden Ergebnisse zeigen ganz klar, dass sich die Energiemetropole Ruhrgebiet zu einer Modellregion für erneuerbare Energien und Energieeffizienz entwickeln kann.“ Er fordert dazu auf, den Fokus auf die energetische Modernisierung von Gebäuden zu legen. Der Bedarf ist offenbar groß. Innovation City ließ in den 20 angeschlossenen Quartieren alle 38.623 Gebäude untersuchen. Das Ergebnis: 81,6 Prozent wurden demnach vor der ersten Wärmeschutzverordnung im Jahr 1977 gebaut und haben nach Dreschers Einschätzung „hohen energetischen Modernisierungsbedarf“.

Etwa durch neue Fenster und Dämmung ließe sich der Wärmeenergiebedarf in diesen Häusern um 45 Prozent oder umgerechnet jährlich 270.000 Fass Heizöl reduzieren. Durch den Austausch älterer Elektrogeräte und Verhaltensänderung der Bewohner ließen sich Einsparungen von rund fünf Millionen Euro bei der Stromrechnung realisieren. Drescher ist davon überzeugt, dass sich die Erfahrungen und Energieeinsparpotenziale in den 20 Quartieren auf das gesamte Ruhrgebiet übertragen lassen.

>>> Erfolg für das Ruhrgebiet

Auch wenn Innovation City durchgefallen ist, wertet die Business Metropole Ruhr das Abschneiden des Ruhrgebiets bei „Regio.NRW“ als Erfolg. So soll etwa das Gewerbliche Flächenmanagement Ruhr gefördert werden, das ungenutzte Gewerbeflächen untersucht. Auch Greentech 2.0 soll Geld erhalten. Das Netzwerk soll bei der Digitalisierung der Umweltwirtschaft helfen.