Essen. . Elf Prozent der Modernisierungskosten können Vermieter an ihre Kunden weitergeben. Die steigenden Mieten sorgen dennoch häufig für Ärger.
Um die deutschen Klimaziele zu erreichen, investieren die Wohnungsbauunternehmen in Fassadendämmung, neue Heizungen und Fenster. Das sorgt oft für Konflikte mit den Mietern. Ein Streitgespräch zwischen LEG-Vorstand Holger Hentschel und Tobias Scholz vom Mieterverein Dortmund. Redakteur Frank Meßing moderierte.
LEG und Mieterschützer haben bei weitem nicht immer dieselben Interessen. Wie würden Sie Ihr Miteinander beschreiben?
Tobias Scholz: Wir reden regelmäßig miteinander – und zwar auf einer Ebene im Unternehmen, die auch etwas entscheiden kann. Das ist nicht bei allen Vermietern so. Es gibt ein rotes Telefon für die Fälle, in denen Vorgänge nicht mehr weiter gehen. Aber auch das kann nicht immer helfen. Wenn Positionen unvereinbar bleiben, bleibt nur die gerichtliche Klärung.
Holger Hentschel: Generell haben wir eine gute Form der Zusammenarbeit mit Mietervereinen. Bei einigen Punkten gibt es unterschiedliche Sichtweisen. Auch machen wir bei 130 000 Wohnungen und 350 000 Mietern nicht immer alles richtig. Auf der anderen Seite wohnen unsere Mieter gerne bei uns, im Schnitt elf Jahre und länger. Und nur der kleine Teil der Unzufriedenen wendet sich an Mieterschützer. Das gibt dann leicht ein schiefes Bild in der Öffentlichkeit.
Gemessen an den Berichten in unseren Lokalteilen gibt es die meisten Reibungspunkte bei Modernisierungen der Wohnungen und der Kostenumlage auf die Mieten. Stimmt der Eindruck?
Scholz: In Dortmund modernisiert die LEG gerade rund 500 Wohnungen. Ich hatte noch nie so viel mit dem Unternehmen zu tun wie in den letzten Wochen. Die LEG hat die Mieter erst schriftlich darüber informiert, dass unter anderem Badezimmer erneuert werden und erst im Nachhinein eine Bestandsaufnahme gemacht, in welchen Wohnungen das überhaupt erforderlich ist. Das hat zu großer Verunsicherung unter den Mietern geführt. Bei rund 100 Wohnungen sollen Balkone angebaut werden und die Mieten um bis zu 50 Prozent steigen. Die Mieter haben Angst sich ihre Wohnung nicht mehr leisten zu können.
Hentschel: Vielleicht klingen unsere Schreiben manchmal zu technokratisch. Sie müssen aber auch einer Vielzahl von nicht immer einfach erklärbaren gesetzlichen Vorschriften genügen. Inzwischen haben wir unsere Schreiben umfassend im Sinne der Verständlichkeit und Kundenfreundlichkeit optimiert. Unsere Mieter informieren wir immer frühzeitig über anstehende Modernisierungen. Auch haben wir oft keine Übersicht, über teilweise privat erneuerte Bäder. Deshalb wollen wir hierzu mit unseren Mietern ins Gespräch kommen. Generell ist es unser Ziel, moderne Wohnqualität zu schaffen und zugleich müssen wir die vom Gesetzgeber vorgegeben Energie-Einsparziele erreichen. Deshalb dämmen wir auch Fassaden und tauschen Fenster aus.
Haben die Mieter überhaupt ein Mitspracherecht?
Scholz: Nein, die Mieter werden vor vollendete Tatsachen gestellt. Die LEG räumt den Mietern kein Mitspracherecht ein. Sie kündigt den Einbau von Gegensprechanlagen und Außenbeleuchtungen an, obwohl die Technik in manchen Häusern längst vorhanden ist. Da fragen sich die Mieter natürlich: Was passiert hier? Korrekturen erfolgen nur bei falschen Ankündigungen. Außerdem vermissen wir in den Schreiben der LEG den Hinweis auf Härtefallregeln.
Hentschel: Wir nehmen ihre Hinweise gerne auf. In der Regel erhalten wir aber eine positive Resonanz von unseren Mietern. Unsere Mieter freuen sich über ein neues Bad, einen neuen Balkon oder eine Gegensprechanlage mit Kamera. In diesem Jahr investieren wir rund 200 Millionen Euro in die Instandhaltung und Modernisierung unserer Wohnungen – und demnächst noch mehr. 2018 werden es fast 30 Euro pro Quadratmeter sein.
Wann greifen Härtefallregeln?
Scholz: Nach dem Gesetz können Mieter Widersprüche wegen wirtschaftlicher und persönlicher Härte bei Modernisierungen einlegen und müssen dies auch tun, wenn sie ihre Mieterschutzrechte wahren wollen. Die Härtefallregelung ist aus unserer Sicht jedoch unzureichend. Der Gesetzgeber muss Mieter bei Modernisierungen besser schützen.
WAZ: Was passiert, wenn sich ein Mieter die höhere Miete wirklich nicht leisten kann?
Hentschel: Das ist immer eine schwierige Situation. Wenn wir darüber informiert werden, suchen wir gemeinsam nach einer Lösung. Eine Möglichkeit wäre, dem Mieter eine Ersatzwohnung anzubieten oder nach individuellen Lösungen bei der Mietanpassung zu schauen. Viele vergessen dabei, dass die LEG mit einer durchschnittlichen Kaltmiete von 5,40 Euro pro Quadratmeter der größter Anbieter von preisgünstigem Wohnraum in NRW ist und mit ihren Mieten deutlich unter dem NRW-Schnitt von 6,40 Euro liegt.
Scholz: Die Durchschnittsmiete interessiert die Leute aber nicht, sondern nur ihre eigene. Mieterhöhungen sind für sie erst einmal ein Schock, während für die LEG eine Wohnung mit Balkon besser wiederzuvermieten ist. Alltägliche Mängel werden nicht beseitigt, aber Balkone gebaut.
Hentschel: Das kann ich so nicht stehen lassen. Wir halten uns strikt an die gesetzlichen Vorgaben. Der Anbau eines Balkons ist nur eine Maßnahme von vielen in einer Siedlung. Wir entscheiden uns meist für Komplettlösungen aus Fenstern, Heizung und Dämmung, weil sie für alle kostengünstiger sind und auch die Heizkosten reduzieren. Von der Energieeinsparverordnung können wir ohnehin nicht abrücken. Rund die Hälfte unserer Wohnungen erfüllen die hohen Anforderungen aber noch nicht. Glauben Sie mir, wir lassen keinen Mieter allein.
Mieter in der Warteschleife
WAZ: Mieter beklagen sich oft, dass ihnen der Ansprechpartner im Unternehmen fehlt und sie in der Warteschleife der Telefonhotline ausharren müssen.
Hentschel: Die LEG hat im Oktober 2016 ein Servicecenter eingerichtet. Vorher mussten die Mieter zu unserem Kundenbetreuer vor Ort gehen und dort lange warten. Das war nicht mehr haltbar. Wir haben jetzt eine zentrale Hotline eingerichtet, um Anliegen möglichst schnell zu lösen. Um komplexere Sachverhalte zu besprechen vereinbaren wir persönliche Termine. Ich räume ein, dass wir bei den Wartezeiten an der Hotline noch nicht da sind, wo wir hinwollen. Durch das Telefon-Angebot sind allerdings auch die Erwartungen unserer Kunden gestiegen, Wartezeiten werden am Telefon nicht so akzeptiert wie im persönlichen Gespräch. So wurden die Wartezeiten im Büro als normal empfunden, während zehn Minuten warten am Telefon schon für große Ungeduld sorgt.
Scholz: Obwohl alles besser werden sollte, nehmen die Mieter die Hotline als Verschlechterung des Service wahr. Wir hören immer wieder Klagen, dass sie telefonisch nicht durchkommen. Hentschel: Wir wollen an einigen Stellen besser werden. Daran arbeiten wir derzeit intensiv.
WAZ: Mit 130.000 Wohnungen gehört die LEG inzwischen zu den ganz großen Immobilien-Konzernen in Deutschland. Leidet der Service unter dem Wachstum?
Hentschel: Nein. Wir haben in den letzten vier Jahren 40.000 Wohnungen dazu gekauft, dafür aber auch entsprechend mehr Mitarbeiter eingestellt. Wir haben in allen Regionen persönliche Ansprechpartner. Darauf legen wir großen Wert.
Scholz: Die Größe der Unternehmen ist nicht das Entscheidende. Die LEG achtet sehr stark auf ihre wirtschaftlichen Kennzahlen. Genossenschaften und kommunale Wohnungsbauunternehmen haben da größere Spielräume und deshalb haben wir mit denen auch weniger Konflikte bei Modernisierungen.
Hentschel: Die Durchschnittsmieten bei den Genossenschaften sind in der Regel höher. Wir bei der LEG wollen preisgünstigen Wohnraum anbieten.
Elf Prozent der Kosten auf die Miete umlegbar
Welche Modernisierungskosten dürfen Vermieter überhaupt auf die Mieten umlegen?
Hentschel: Der Gesetzgeber sagt, dass wir elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Mieten umlegen können. Die LEG nutzt diesen Spielraum nicht aus, wir liegen nur bei rund acht Prozent. Unsere Überzeugung ist, dass die Mieten auch weiterhin tragbar sein müssen. Auf angemessene Mieterhöhungen zur Refinanzierung der Modernisierung können wir aber nicht verzichten. Unsere Mieter können sich darauf verlassen, dass Luxus-Modernisierungen bei der LEG ausgeschlossen sind. Wir streben jeweils einen angemessenen Modernisierungsstandard an und planen auch nicht, Wohnungen in großem Stil unseren Mietern zum Kauf anzubieten.
Scholz: Die Elf-Prozent-Regel ärgert uns Mieterschützer sehr. Als sie eingeführt wurde, gab es noch bis zu acht Prozent Zinsen. Inzwischen sagen die Mieter uns: Wir sind die Sparbücher der Vermieter geworden. Wir kritisieren, dass die Gesetzeslage Fehlanreize setzt: Die erzielte Energieeinsparung liegt oft deutlich unter der Mieterhöhung. Deshalb fordern wir, dass der Staat ein Förderprogramm für die energetische Sanierung auflegt und die Modernisierungsumlage abschafft.
Hentschel: Wir sind froh, dass die deutsche Wohnungswirtschaft den Bund überzeugt hat, die Energieeinsparverordnung nicht noch weiter zu verschärfen. Noch dickere Dämmschichten auf den Fassaden bringen keine zusätzliche Ersparnis. Wir plädieren für sinnvolle Maßnahmen abseits der Dämmung. Dazu gehören effizientere Heizungsanlagen und die elektronische Steuerung der Heizungen, die das Verhalten der Nutzer positiv verändert. Das sieht die Verordnung des Bundes aber leider nicht vor.